Nachdenkliche Debatte nach dem Beginn der amerikanisch-britischen Invasion im Irak.

Berlin. Mit Sorge und Bestürzung haben Bundesregierung und Parteien auf den Beginn der amerikanisch-britischen Invasion im Irak reagiert. In einer von Nachdenklichkeit geprägten Bundestags-Debatte äußerten gestern alle Fraktionen ihre Befürchtungen über unschuldige Opfer des Krieges und forderten, eine drohende humanitäre Katastrophe im Irak abzuwenden. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kritisierte den Angriff in einer Fernsehansprache als falsche Entscheidung. "Die Logik des Krieges hat sich gegen die Chance des Friedens durchgesetzt", sagte er. "Tausende von Menschen werden darunter schrecklich zu leiden haben." Die Haushaltsdebatte des Bundestages war nur von diesem einen Thema geprägt. Schröder sagte noch einmal, Deutschland werde sich nicht am Krieg beteiligen. "Aber natürlich wird Deutschland nicht abseits stehen, wenn es gilt, den Menschen zu helfen." Die rot-grüne Koalition kündigte bei der Haushaltsdebatte des Bundestags an, die Mittel für humanitäre Soforthilfe im Etat des Auswärtigen Amtes auf 80 Millionen Euro zu verdoppeln. Trotz erheblicher Finanzrisiken und den nicht abschätzbaren Folgen des Irak-Krieges für die Weltkonjunktur wurde der Haushalt 2003 unverändert vom Bundestag beschlossen. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) wandte sich gegen eine von den USA dominierte neue Weltordnung. "Wir wollen eine multilaterale Weltordnung auf kooperativer Grundlage", sagte er im Bundestag. "Wir wollen starke Vereinte Nationen." Fischer kritisierte, mit dem Militäraufmarsch am Golf hätten die USA von vornherein einen Regimewechsel zum Ziel gehabt, nicht aber die von der UNO geforderte friedliche Abrüstung des Irak. In Ansprachen zum Auftakt der Bundestagssitzung zeigten sich alle Fraktionsvorsitzenden enttäuscht, dass die Bemühungen um eine friedliche Beilegung der Irak-Krise gescheitert sind. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte: "Wir hoffen gemeinsam, dass es nicht zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen kommt und das verbrecherische Regime von Diktator Saddam Hussein schnell beendet werden kann." Auch die Bundesregierung warnte vor dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Als einzige Partei stellte sich erneut die Union klar auf die Seite der USA. Die CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Angela Merkel verwies darauf, dass Deutschland und Europa durch gemeinsame Werte mit den USA verbunden seien. "Deshalb stehen wir an ihrer Seite", sagte sie. Für die FDP erklärte ihr Fraktionschef Wolfgang Gerhardt, das Vorgehen der USA ohne einen ausdrücklichen Beschluss des UNO-Sicherheitsrats finde nicht die Zustimmung der Liberalen. Die FDP scheiterte mit ihrem Antrag für eine erneute parlamentarische Zustimmung zu den Awacs-Aufklärungsflügen in der Türkei. SPD und Grüne lehnten dies ab. Die Union stimmte für den Antrag. Die Koalition hält eine Abstimmung für unnötig, weil die Soldaten im Rahmen von Bündnisverpflichtungen eingesetzt und nicht an einem Krieg beteiligt würden. Die FDP will heute auf einer Sondersitzung der Fraktion über weitere Schritte beraten. Der Grünen-Abgeordnete Winfried Hermann forderte, die den USA zugesagten Überflugrechte vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen, weil es sich um einen völkerrechtswidrigen Krieg handele. Damit bahnt sich ein Streit in der Koalition an.