Nach Tod Bin Ladens droht Al-Qaida mit weiteren Anschlägen. Washingtoner Schulen erhalten Briefe mit weißem Pulver: Bezug zu Al-Qaida?

Washington/Islamabad. Die Al-Qaida hat erstmals den Tod ihres Chefs Osama bin Laden bestätigt und dem Westen mit weiteren Anschlägen gedroht. In einer Erklärung gelobte das Extremistennetz am Freitag, die Erschießung seines Gründers durch US-Spezialkräfte zu rächen. Die pakistanische Bevölkerung rief Al-Qaida zum Aufstand gegen die eigene Regierung auf, die Schande über die Nation gebracht habe. Mehr als 30 Washingtoner Schulen erhalten Briefe mit verdächtigem weißen Pulver, die laut Medienberichten Bezug zu Al-Qaida nehmen. Bin Laden war in der Nacht zum Montag nördlich der pakistanischen Hauptstadt Islamabad getötet worden.

Die Al-Qaida bezeichnete Bin Laden als Märtyrer. Sein Tod bedeute nicht, dass seine Organisation mit ihm sterben werde. Al-Kaida sprach von einem „Fluch, der die Amerikaner und ihre Verbündeten im In- und Ausland verfolgen“ werde. Angesichts der Drohungen sagte Regierungssprecher Jay Carney, man sei sich dem Potenzial der Al-Qaida bewusst. „Wir bleiben extrem wachsam.“

Die USA starteten trotz der schweren Verstimmungen in Pakistan über die Kommando-Aktion gegen Bin Laden einen neuen Angriff auf dem Territorium des Verbündeten und töteten mindestens 17 mutmaßliche Extremisten. Unbemannte Drohnen feuerten mehrere Raketen auf ein Haus in Nord-Waziristan ab. Damit steuern beide Länder auf eine neue Belastungsprobe ihrer Beziehungen zu. Der pakistanische Generalstabschef Ashfaq Kayani hatte erst Donnerstag erklärt, jeder weitere, die Souveränität seines Landes verletzende Angriff würde zu einer Überprüfung der Zusammenarbeit mit Militär und Geheimdienst der USA führen.

Der General ließ offen, ob damit auch Drohnenangriffe gemeint waren. Die Angriffe mit den ferngesteuerten Flugkörpern sorgten bereits in der Vergangenheit für Verstimmungen zwischen den USA und Pakistan gesorgt. Am Freitag wurde auch auf den Straßen gegen das Kommandounternehmen protestiert. In Quetta skandierten rund 1500 Menschen „Nieder mit Amerika“ und verbrannten US-Flaggen. „Der Heilige Krieg gegen Amerika wird nicht gestoppt werden durch den Tod von Osama“, sagte ein Geistlicher.

Auch in anderen Städten kam es zu antiamerikanischen Kundgebungen. „Die militärischen und politischen Führer sollten sofort zurücktreten, denn sie haben nicht für die Unverletzbarkeit des Landes gesorgt“, forderte einer der Spitzenfunktionäre von Jamaat-e-Islami bei einer Kundgebung in Lahore. In Abbottabad, wo Bin Laden erschossen wurde, liefen Dutzende Islamisten durch die Straßen und verlangten den Abzug der USA aus Pakistan und Afghanistan.

Al-Qaida will Tonbandaufnahme Bin Ladens veröffentlichen

In Quetta wurden nach Polizeiangaben bei einem Angriff mutmaßlicher Extremisten mindestens acht Schiiten getötet und 15 weitere verletzt. Die Erschießung Bin Ladens schürte Ängste vor einer Gegenreaktion sunnitischer Extremistengruppen, von denen viele Verbindungen zur Al-Qaida haben. Sunnitische Extremisten haben es häufig auch die schiitische Minderheit abgesehen, die sie als Ketzer ansehen.

Die Al-Qaida kündigte an, bald werde eine Tonbandaufnahme Bin Ladens veröffentlicht, die vor einer Woche aufgezeichnet worden sei. Darin gebe der Al-Qaida-Chef Ratschläge und spreche Gratulationen aus. Mit der Stellungnahme dürften die Zweifel am Tod des Islamisten versiegen. Dazu hatte auch die Weigerung der USA beigetragen, ein Foto der auf See bestatteten Leiche zu veröffentlichen.

Unterdessen wurden erste Ergebnisse der Auswertung des in Bin Ladens Anwesen beschlagnahmten Materials bekannt. Nach US-Angaben erwog Al-Qaida einen Anschlag auf den Eisenbahnverkehr der USA zum zehnten Jahrestag der Attentate des

11. September 2001. Nach Auskunft des Heimatschutzministeriums gibt es aber keine Informationen über eine unmittelbare Bedrohung. Der „New York Times“ zufolge ergab die Auswertung von Computerdateien und Dokumenten, dass Bin Laden aus Abbottabad über Jahre Anschläge von Al-Qaida direkt mitorganisierte.

Mehr als 30 Schulen in Washington erhalten Briefe mit weißem Pulver

Mehr als 30 Schulen in der US-Hauptstadt Washington haben nach Angaben der Bundespolizei FBI Briefe mit verdächtigem weißen Pulver erhalten. Den Angaben zufolge gingen die Briefe am Donnerstag und Freitag ein, stellten sich aber nach ersten Untersuchungen als ungefährlich heraus. US-Medienberichten zufolge nahmen die Schreiben Bezug auf das Terrornetzwerk Al-Qaida, dessen Chef Osama bin Laden in der Nacht zum Montag bei einer US-Kommandoaktion in Pakistan getötet wurde.

Insgesamt seien 39 Briefe an 34 Washingtoner Schulen gegangen, teilte das FBI mit. Mehrere Bildungseinrichtungen seien evakuiert worden. Erste Tests hätten ergeben, dass das Pulver nicht gefährlich sei. Allerdings würden weitere Untersuchungen im Labor unternommen. Die Bundespolizei vermutet, dass alle Briefe aus der texanischen Stadt Dallas abgeschickt worden seien. Das FBI nahm keine Stellung zu Berichten des regionalen TV-Senders Fox 5, wonach in den Anschreiben Bezug auf das Terrornetzwerk Al-Qaida genommen worden sei.

Seit der Tötung Bin Ladens gilt für US-Behörden eine erhöhte Alarmbereitschaft. In Washington waren im Jahr 2001 wenige Tage nach dem Anschlag auf das New Yorker World Trade Center am 11. September Umschläge mit dem Gift Anthrax verschickt worden, durch die fünf Menschen starben und 17 weitere verletzt wurden. Den Ermittlungen zufolge war der Wissenschaftler Bruce Ivins, der im Jahr 2008 Selbstmord beging, für die Milzbrand-verseuchten Briefe verantwortlich. Er hatte als Biowaffen-Experte für die US-Regierung gearbeitet.

(reuters/afp)