Berlin/Abbendorf. Bundesweit sind Landwirte wegen der Sparpläne der Bundesregierung erzürnt. Eine Bauernfamilie gibt Einblick – und wirbt um Verständnis.

In der Prignitz im äußersten Nordwesten Brandenburgs ist das Land weit und der Boden fruchtbar. Weil sich hier Elbe und Havel treffen, gilt das Erdreich als besonders nährstoffhaltig. Der Lehmboden speichert zudem besonders gut Wasser. Ina Oestreicher (57), die hier in dem kleinen Gemeindeteil Abbendorf mit ihrem Mann Ulf einen Bauernhof führt, hat viel übrig für diesen Ort. „Die Bedingungen sind sehr gut. Wir haben gute Böden, mit denen wir richtig wirtschaften könnten, wenn man uns lassen würde. Doch das wird immer schwieriger“, sagt Oestreicher.

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Die Landwirtin kann sich in Rage reden über die Politik, die vielen Auflagen, die Bürokratie und geplante Kürzungen der Bundesregierung im Bereich Agrardiesel und Kfz-Steuer. Und auch, wenn diese nun in Teilen wieder zurückgenommen wurden, beruhigt das Oestreicher kaum. „Wir haben schon zu lange die Füße still gehalten. Irgendwann ist das Maß voll“, sagt sie. Für Landwirte, die am Donnerstagabend eine Fähre mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an Bord blockierten, hat die Bäuerin Verständnis. „Als wir das mitbekommen haben, haben wir schon gesagt: Das ist eine gute Aktion.“ Die aufgeheizte Stimmung werde sich jedenfalls nicht so schnell abkühlen, kündigt sie an.

Bauern: Viele Auflagen und Bio-Vorgaben nerven die Landwirte

In Abbendorf soll Landwirtschaft so sein, wie früher. „Bio ist schön und gut. Aber, wenn Sie die Bauern fragen, die damit zu tun haben, schlagen die nur die Hände über den Köpfen zusammen“, sagt Ina Oestreicher, die Ackerflächen des gut 800 Hektar umfassenden Betriebs mit Düngern und Pflanzenschutzmitteln behandelt. Nachdem die studierte Landwirtin ihren Mann kennengelernt hatte, stieg sie in den Familienbetrieb ein, den Ulf Oestreicher gemeinsam mit seinem Vater aufgebaut hatte. Früher gab es hier auch Milchkühe, mittlerweile konzentriert man sich auf den Ackerbau.

Ina und Ulf Oestreicher auf ihrem Gutshof in Abbendorf im Nordwesten Brandenburgs: Gute Böden, aber Frust auf die Politik.
Ina und Ulf Oestreicher auf ihrem Gutshof in Abbendorf im Nordwesten Brandenburgs: Gute Böden, aber Frust auf die Politik. © Funke Foto Services | Sergej Glanze

Weizen, Raps, Gerste und Mais baut die Familie gemeinsam mit fünf Angestellten und einem Lehrling an. Die Ernte verkauft der Hof an einen Zwischenhändler. Letztlich landet das, was auf den Feldern im Elbvorland wuchs, in Getreidemühlen, in Futtertrögen oder als Silomais in Biogasanlagen. Für den Hof ist das ein einträgliches Geschäft. Im Wirtschaftsjahr 2022/2023, das vom 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres lief, bliebt unterm Strich ein Betriebsergebnis von gut 100.000 Euro übrig.

Das aber sei „nicht viel“, sagt Ina Oestreicher. Ein Jahr zuvor seien am Ende noch rund 40.000 Euro mehr hängen geblieben. Dennoch hatte der Bauernverband noch Anfang Dezember in einem Situationsbericht zur Lage der Branche von einer erheblichen Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr gesprochen.

EU-Mittel, Einnahmen, Kosten: Was Bauern verdienen und ausgeben müssen

Den gesunkenen Ertrag führt die Landwirtin auf gestiegene Kosten zurück. Energie nennt sie. Aber auch Düngemittel. Habe man früher noch gut 240 Euro für eine Tonne gezahlt, seien die Düngerpreise in Folge des Kriegs in der Ukraine auf bis zu 600 Euro pro Tonne geklettert. Preise, die die Familie Oestreicher zum Beispiel für Weizen erzielen konnte, seien zwar auch gestiegen, aber nicht in gleichem Maße, sagt sie. Aufwendungen für Betriebsmittel, also um Anbau und Ernte überhaupt umsetzen zu können, lägen Angaben der Bäuerin zufolge bei zwischen 350.000 und 400.000 Euro im Jahr.

Ein Skelett hängt bei einer Kundgebung des Bauernverbands im bayrischen Günzburg an einem Marterpfahl.
Ein Skelett hängt bei einer Kundgebung des Bauernverbands im bayrischen Günzburg an einem Marterpfahl. © DPA Images | Stefan Puchner

Zum Teil müsse man das aus den Gewinnen des Vorjahres finanzieren. „Es ist nicht so, dass die 100.000 Euro bei uns auf den Konten liegen“, beschwichtigt sie. An Agrarförderung von EU und Bund erhielt der Betrieb zuletzt rund 230.000 Euro. Ina Oestreicher sagt, ihr Hof würde gerne auch ohne Subventionen auskommen. Nur die Preisbildung liege nicht in der Hand der Landwirte. „Um kostendeckend arbeiten zu können, bräuchten wir ganz andere Preise“, erklärt sie. Doch im Supermarkt würden Verbraucher wohl kaum mehr ausgeben wollen.

Experte: Landwirtschaft erfährt „keine Honorierung“ über Preise im Supermarkt

Ähnlich sieht das auch Agrar-Professor Thomas Herzfeld vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Halle an der Saale. „Die gesellschaftlichen Anforderungen und Erwartungen an die Haltungsbedingungen der Tiere, den Einsatz von synthetischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln oder der Schutz von Wasser, Boden und Insekten sind auf einem hohen Niveau. Im Supermarkt sind die tatsächlichen Produktionsbedingungen in vielen Fällen aber nicht erkennbar“, sagt Herzfeld dieser Redaktion. Die Landwirte erhielten somit „keine Honorierung für höhere Standards über die Produktpreise“.

Die gewünschte Transformation zu einer umwelt-, klima- und tierfreundlicheren Landwirtschaft könne daher nur durch strengere gesetzliche Vorgaben oder finanzielle Anreize für die Produzenten erreicht werden. Den Hof der Oestreichers hätten die von der Ampel-Koalition zunächst geplanten Kürzungen jedoch schwer belastet. Die Landwirtin rechnet vor. Falls es dazu gekommen wäre, die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge zu streichen, hätten die Mehrkosten für die sechs Traktoren des Hofs bei mehreren Tausend Euro pro Jahr gelegen.

Im Supermarkt sind die tatsächlichen Produktionsbedingungen in vielen Fällen nicht erkennbar.
Agrar-Professor Thomas Herzfeld

Das ist nun vom Tisch. Die Bundesregierung hat eingelenkt. Doch das schrittweise Auslaufen der Erstattungen beim Agrardiesel belastet den Hof langfristig trotzdem mit gut 17.000 Euro zusätzlich im Jahr. „Das bringt das Fass zum Überlaufen. Wir wollen, dass diese Erstattung nicht angetastet wird“, sagt sie. Und sowieso rede ihr die Politik zu viel rein. Auflagen seien zu hoch, „intensive Landwirtschaft“ werde vor allem durch die Grünen gebrandmarkt, beschwert sich Oestreicher. Dabei halte man sich ja schon an alles. Die Blühstreifen seien auf den bewirtschafteten Flächen sogar breiter angelegt als eigentlich vorgeschrieben.

Bauern kündigen Proteste und Blockaden für nächste Woche an

Aus Berlin aber kämen nur noch mehr Anforderungen und Vorschriften. „Die Unzufriedenheit ist ja nicht nur bei den Bauern groß. Überall im Ausland müssen wir Maut bezahlen, nur wir in Deutschland kriegen das nicht hin. Dazu die CO₂-Steuer, die ganze Sache mit den Heizungen, die Bevölkerung weiß doch gar nicht mehr, was sie eigentlich machen soll“, sagt Oestreicher. Die Landwirte seien mit ihrem Ärger über die Politik nicht alleine. Das würden auch die Proteste zeigen, die in der kommenden Woche bundesweit wieder an Fahrt aufnehmen sollen.

Auch Ina und Ulf Oestreicher werden sich daran beteiligen. In der Umgebung plane man gemeinsam mit anderen Landwirten, Straßen zu blockieren. „Rettungsdienste und so weiter werden natürlich durchgelassen, aber die Menschen sollten sich schon darauf einstellen, vielleicht nicht zur Arbeit zu kommen“, kündigt die Landwirtin an, die mit ihrem Betrieb schon vor einigen Jahren aus dem Bauernverband ausgetreten ist. Dessen „Kuschelkurs“ habe man noch nie nachvollziehen können. Auf einem Grünen-Parteitag sei der Verband zuletzt als einer der Sponsoren genannt worden. Den Oestreichers ging das gegen den Strich.

Mittlerweile ist ihr Betrieb Teil der Vereinigung „Land schafft Verbindung“ (LSV), die in der Vergangenheit auch mit Vorwürfen konfrontiert wurde, von rechten Gruppierungen unterwandert zu sein. Ina Oestreicher sagt, sie habe das bemerkt. Diese Leute müsse man rausschmeißen. „Zum Teil wird uns das aber auch angedichtet“, glaubt die Landwirtin: „Nur, weil man mal Kritik äußert, ist man nicht gleich rechts.“