Berlin. Deutsche Landwirte protestieren gegen Sparpläne der Bundesregierung. Aber geht es den Bauern wirklich schlecht? Das sagen die Zahlen.

  • Bauern gehen aus Frust über die Pläne der Ampel-Regierung auf die Straßen
  • Deutschlands Landwirten sollen Subventionen gestrichen werden
  • Wie viel verdienen Bauern eigentlich?

Die Wut von Deutschlands Bauern ist ungebrochen. Pläne der Bundesregierung, Vergünstigungen bei Agrardiesel und Kfz-Steuern zu streichen, sorgen seit Wochen bei Tausenden Landwirten für Frust. Zwar hat die Ampel längst einige Streichungen zurückgenommen, Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied hält die Pläne dennoch für unzureichend.

Seit vergangenem Montag wurde Protest nun wieder verstärkt. Die Landwirte machen mit einer Aktionswoche auf ihre Lage aufmerksam. Am Montag (15.1.) soll die Protestwelle in einer Großdemonstration in Berlin gipfeln. Wie lange die Bauern protestieren wollen, klären wir in diesem Artikel.

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Den ursprünglichen Plänen der Ampel-Koalition zufolge wären durch die Streichung der Steuervergünstigungen beim Agrardiesel gut 440 Millionen Euro eingespart werden, weitere 485 Millionen Euro wären frei geworden, ließe man die Befreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer entfallen. Doch nun heißt es: Die Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft wird es nicht geben. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel werde zudem nicht in einem Schritt vollzogen.

Bei der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll eine schrittweise Reduzierung erfolgen, um den betroffenen Unternehmen mehr Zeit zur Anpassung zu geben. Im Jahr 2024 erfolgt laut Bundesregierung eine Reduzierung des Entlastungssatzes um 40 Prozent. In den Jahren 2025 und 2026 werde jeweils eine weitere Reduzierung um 30 Prozent erfolgen, so dass für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen keine Subvention mehr erfolge. Die Rück-Vergütung der im Jahr 2023 verbrauchten Mengen im Jahr 2024 bleibe unverändert.

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Bauern-Proteste: Wie viel Geld die Sparpläne einzelne Höfe kosten würde

Zur Frage, welche Lücken das Aus der staatlichen Hilfen in die Kassen einzelner Betriebe gerissen hätte, existierten zuletzt nur Schätzungen: „Die Streichung der Agrardieselerstattung würde für einen durchschnittlichen 100 Hektar großen Betrieb Mehrkosten zwischen 2300 Euro pro Jahr (spezialisierter Ackerbaubetrieb) und 3900 Euro pro Jahr (spezialisierter Milchviehbetrieb) bedeuten“, sagte der Agrar-Professor Thomas Herzfeld vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien in Halle an der Saale dieser Redaktion.

Berechnungen des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums bewegen sich in ähnlicher Größenordnung. Demnach hätte dort ein durchschnittlicher Haupterwerbsbetrieb zuletzt eine Agrardieselrückerstattung von etwa 3.500 Euro bekommen. Warnende Worte kamen diesbezüglich bereits im Dezember von Landwirt Peter Schuchmann, der in der Altmark in Sachsen-Anhalt einen Milchviehbetrieb mit 230 Kühen führt. Er hatte geschätzt, dass sich die jährliche Erstattung für seinen Hof auf gut 11.000 Euro belaufe.

Bauern in Deutschland verdienten zuletzt wieder deutlich mehr Geld

Trotz der teils bereits zurückgenommenen Maßnahmen sind die Bauern unzufrieden – das bekam vor allem Minister Robert Habeck zu spüren. Dabei geht es den Landwirten so gut wie seit Jahren nicht mehr. Erst Anfang Dezember hatte der Bauernverband neue Zahlen veröffentlicht, wonach sich die Ergebnisse im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 deutlich verbessert haben. „Im Durchschnitt lag das Unternehmensergebnis der Haupterwerbsbetriebe bei 115.400 Euro je Betrieb“, so die Interessenvertreter. Ein Jahr zuvor hatte der durchschnittliche Ertrag noch bei 79.432 Euro gelegen. Somit ist es den Bauern trotz externer Krisen wie Inflation, höheren Energiekosten und Lieferkettenproblematiken gelungen, den eigenen Gewinn innerhalb eines Jahres um 45 Prozent zu steigern.

Spitzenverdiener unter den Bauern waren die Milchviehbetriebe, die einen Überschuss von durchschnittlich 143.320 Euro erwirtschafteten. Ackerbaubetriebe kamen auf ein Betriebsergebnis von 119.550 Euro im Durchschnitt, bei Öko-Betrieben blieben durchschnittlich noch 100.569 Euro hängen. Im Nebenerwerb lag der durchschnittliche Gewinn im Wirtschaftsjahr 2022/23 bei 18.300 Euro. Das waren rund 2.000 Euro oder 12 Prozent mehr als im Vorjahr.

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Bauern in Deutschland: Wovor der Verbandspräsident warnte

Verbandspräsident Rukwied wies aber auch auf die längere Durststrecke hin, die hinter vielen Landwirten liegen würde. Von den Erträgen müssten sie zudem auch Investitionen finanzieren. Dahingehend mache ihm die Entwicklung Sorge. Betriebe hätten trotz der „erheblich verbesserten wirtschaftlichen Lage deutlich weniger investiert“. Und: Erzeugerpreise seien bereits seit dem Jahreswechsel 2022/23 bei wichtigen pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen „wieder im Sinkflug“. Schon bei der Veröffentlichung der Zahlen mahnte der Bauernpräsident, dass die Haushaltskrise auf keinen Fall zu zusätzlichen Sparmaßnahmen im Agrarsektor führen dürfe.

Denn tatsächlich sind viele Landwirte auf Staatsgelder angewiesen, die aus der Europäischen Union und aus dem Bundeshaushalt fließen. „Zulagen und Zuschüsse können einen Anteil an den betrieblichen Erträgen zwischen 4 und 40 Prozent je nach Betriebsausrichtung umfassen“, erklärte Agrar-Professor Herzfeld. Die jetzt in der Diskussion befindliche Agrardieselerstattung nehme dabei aber nur „einen sehr kleinen Anteil ein“. „Die Direktzahlungen der EU sind vom Umfang viel größer“, sagte Herzfeld. 2022 waren gut 6,382 Milliarden Euro EU-Mittel nach Deutschland geflossen. Die Auszahlung der Agrarsubventionen für 2023 erfolgte in den Bundesländern erst um Weihnachten herum.

Bauern und Subventionen: Würde es auch ohne Staatsunterstützung gehen?

Deutsche Landwirte lägen, was die durchschnittlichen EU-Direktzahlungen pro Hektar angehe, „im oberen Mittelfeld“, so der Wissenschaftler. Für Agrardiesel seien die Steuererleichterungen in anderen Ländern höher (zum Beispiel in Frankreich, Estland, Lettland). „Dagegen wurden die Erstattungen in Österreich, den Niederlanden, Spanien und Griechenland abgeschafft oder stark reduziert“, sagte Herzfeld, der glaubt, dass es Höfe durchaus auch ohne Subventionen schaffen würden. „Viele landwirtschaftliche Betriebe können auch ohne die Direktzahlungen wirtschaften. Einige würden aufgeben müssen. Aber eine grundsätzliche Reform der Agrarpolitik geht nur in der EU als Ganzes“, erklärte er.

Protest der Landwirte: Weil die Bundesregierung Sparmaßnahmen im Zuge der Haushaltskrise plant, demonstrierten Mitte der Woche Tausende Bauern in Berlin.
Protest der Landwirte: Weil die Bundesregierung Sparmaßnahmen im Zuge der Haushaltskrise plant, demonstrierten Mitte der Woche Tausende Bauern in Berlin. © Funke Foto Services | Reto Klar

Schon zuletzt gab es aber einen Trend zu Großbetrieben. Vor allem kleine Bauernhöfe unter 100 Hektar Fläche gaben auf. Insgesamt gibt es derzeit 258.700 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland, etwa 40.000 Höfe weniger als noch 2010. Schon Mitte des Jahres hatten Landwirte allerdings Subventionskürzungen hinnehmen müssen. Im Zuge der Haushaltsverhandlungen wurden Agrarstrukturmittel in Höhe von 293 Millionen Euro für 2024 gestrichen.

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Agrardiesel: Welche Prognose ein Wirtschaftsexperte abgibt

Wissenschaftler Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hält nicht nur deswegen die neuerlichen Einsparvorhaben bei den Bauern für unklug. „Die Bundesregierung scheint nicht verstehen zu wollen, dass soziale Akzeptanz und Glaubwürdigkeit ihrer Politik essenziell für dessen Erfolg sind“, sagte Fratzscher dieser Redaktion. Man könne niemandem vermitteln, wieso nur Landwirte ohne Vorwarnung und ohne Kompensation stärker belastet würden. „Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung diese Maßnahme gegenüber den Landwirten zurücknehmen oder stark revidieren wird“, machte Fratzscher bereits im Dezember Hoffnung.

Auch beim Sozialverband Deutschland (SoVD) hatte man die Hoffnung, dass die Ampel-Koalition ihre Pläne doch noch überdenkt. Das wäre auch im Sinne der Verbraucher, sagte dessen Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier dieser Redaktion: „Es steht zu befürchten, dass die Kürzungen bei den Bauern zu steigenden Preisen für Lebensmittel führen, die an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergereicht werden. Und das bei ohnehin extrem gestiegenen Preisen nach zwei Jahren hoher Inflation.“