Berlin. Trotz gegenteiliger Bekundungen gärt es weiter im Regierungsbündnis. Der Finanzminister verschiebt die Vorlage der Haushalts-Eckwerte.

Knapp eine Woche liegt die Klausur der Bundesregierung auf Schloss Meseberg erst zurück. Die Botschaft damals: Die Ampel-Koalition diskutiert, aber sie hält zusammen und packt an. Doch nun zeigen sich wieder Risse im Berliner Regierungsbündnis.

Wie jetzt bekannt wurde, hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Vorlage der Eckwerte für den Bundeshaushalt 2024 auf unbestimmt Zeit verschoben. Eigentlich sollte das Kabinett das Papier und den mittelfristigen Finanzplan am kommenden Mittwoch beschließen. Gleich anschließend wollte der Minister die Öffentlichkeit informieren.

Doch daraus wird nun nichts. Lindner und die übrigen Bundesminister sind sich noch nicht einig, wie viel Geld überhaupt ausgegeben werden kann und welches Ressort wie viel erhält. Der Minister sagte am Freitag: „Wir werden im Kabinett noch einmal gemeinsam über finanzielle Realitäten sprechen müssen.“

Ampel: Finanzminister pocht auf Einhaltung der Schuldenbremse

Die anderen Regierungsmitglieder hatten zuletzt Zusatzwünsche im Umfang von 70 Milliarden Euro angemeldet. Die Lücke soll allerdings schon deutlich kleiner geworden sein. Lindner verhandelte zuletzt direkt mit seinen Ministerkollegen – was eher ungewöhnlich ist. Eine Lösung des Haushaltsstreits ist dennoch nicht in Sicht.

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Der Finanzminister will 2024 unbedingt wieder die Regeln der Schuldenbremse einhalten. Die Bremse schränkt die Neuverschuldung des Bundes stark ein. Eine höhere Kreditaufnahme oder Steuererhöhungen lehnt der Finanzminister kategorisch ab. Er stemmt sich auch gegen eine Umwidmung nicht verbrauchter Mittel aus dem 200-Milliarden-Topf zur Stabilisierung der Energiepreise, wie er vor wenigen Tagen im Interview unserer Redaktion deutlich gemacht hatte. Darin sagte Lindner, der Umstand, dass Kreditermächtigungen in dieser Höhe geschaffen worden sind, bedeute ja gerade nicht, dass sie genutzt werden sollten.

Es geht um die Glaubwürdigkeit des FDP-Vorsitzenden

Es geht bei alldem auch um die Glaubwürdigkeit der FDP und ihres Vorsitzenden. Die Liberalen hatten zuletzt fünf Landtagswahlen in Folge verloren. In Umfragen auf Bundesebene kratzen sie an der Fünf-Prozent-Hürde.

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP streitet bereits seit Wochen ums Geld. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will zehn Milliarden Euro mehr für seinen Etat. Lindner kann sich eine Erhöhung der Wehrausgaben vorstellen, verlangt aber Kürzungen an anderer Stelle. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will zusätzliche Mittel für den Klimaschutz. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) will beim Projekt Kindergrundsicherung vorankommen – wenngleich dieses Vorhaben erst ab 2025 haushaltswirksam werden dürfte.

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Das Finanzressort argumentiert in der Debatte, dass die Risiken für den Bundeshaushalt zunähmen. Das gelte insbesondere für Zinszahlungen, aber auch mit Blick auf die laufende Tarifrunde im öffentlichen Dienst oder die Ukraine-Hilfe. Wegen der gestiegenen Leitzinsen muss Deutschland inzwischen deutlich mehr Geld für seinen Schuldendienst aufwenden als noch vor wenigen Jahren.

Koalition: Grünen-Haushälter erwartet rasche Lösung

Lindner sagte nun: „Die hohe Zinslast ist ein klares Signal, die Verschuldung des Staates zu bremsen.“ Der Staat müsse Prioritäten setzen, es lasse sich nicht alles gleichzeitig finanzieren. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich intern eher auf die Seite seines Finanzministers gestellt.

Der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler sagte am Freitag unserer Redaktion: „Dass Kabinettsbeschlüsse zum Haushalt um kurze Zeit verschoben werden, ist nichts Ungewöhnliches.“ Das sei auch unter dem ehemaligen CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble vorgekommen. „Ich bin zuversichtlich, dass das Kabinett schnell eine sinnvolle Lösung für die Eckwerte finden wird“, ergänzte Kindler. Bis der Haushalt im November final steht, werde „noch viel Wasser die Spree“ hinunterfließen – „und am Ende entscheidet sowieso der Bundestag“.

Der Chefhaushälter der Unions-Bundestagsfraktion, Christian Haase (CDU), sagte hingegen: „Die Verschiebung des Eckwertebeschlusses zeigt die ganze Zerstrittenheit der Ampel-Koalition. Offensichtlich dominieren Egoismen und komplette Realitätsverweigerung in diesem haushaltspolitischen Schauspiel.“