Berlin. Nach dem Treffen in Brandenburg betonen die Koalitionäre die Gemeinsamkeiten. Der Kanzler hat ein neues Lieblingswort: „Zuversicht“.

Eine Sache war Olaf Scholz dann doch noch wichtig. „Ich habe einen Schneeball geworfen“, bekannte der sozialdemokratische Regierungschef am Montagnachmittag zum Abschluss der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin. Um dann hinzuzufügen: „Aber wie sich das für einen Bundeskanzler gehört, auf niemanden.“

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat also nichts abbekommen. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auch nicht – obwohl der Kanzler zuletzt durchaus hin und wieder den Impuls verspürt haben dürfte, die beiden mal so richtig einzuseifen.

Sie haben viel gestritten in der Berliner Ampel-Koalition in den vergangenen Wochen. Haushalt, Kindergrundsicherung, Verbrennungsmotor, Autobahnen, Gasheizungen: Nach der Klausur in der brandenburgischen Winterlandschaft ist keines der Streitthemen abgeräumt. Man sei aber inhaltlich vorangekommen, versicherten der Kanzler und seine beiden wichtigsten Minister nach dem Treffen.

Habeck: „Wir sind dem Land verpflichtet“

Ohnehin dienen Veranstaltungen dieser Art ja vor allem dem Zweck, Themen zu diskutieren, die über den Tag hinausreichen. In diesem Fall waren das die Energiewende und Künstliche Intelligenz. Konferenzen außerhalb der gewohnten Umgebung sollen stets auch die Stimmung zwischen den Beteiligten heben und Raum geben für informelle Gespräche. „Das hilft dann auch für das politische Tagesgeschäft in den nächsten Wochen in Berlin“, sagte Finanzminister Lindner.

Vizekanzler Habeck sagte, die Regierung habe in der Abgeschiedenheit gespürt, dass sie aufeinander angewiesen ist. „Wir sind dem Land verpflichtet. Und diese Verpflichtung hat die Gespräche dominiert. Und ich denke, dass wir mit dieser Haltung rausgehen aus dieser Klausur und alle Fragen lösen werden.“ Scholz nannte die beiden Minister demonstrativ „Robert und Christian“. Das sollte suggerieren: Die Stimmung in der Koalition ist intakt, allen Meinungsverschiedenheiten in Sachfragen zum Trotz.

Deutlich wurde am Montag auch, dass die Koalition nach einer neuen, verbindenden Erzählung sucht. Die ersten 15 Monate ihrer Amtszeit waren geprägt vom Krisenmanagement. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine machte radikale und äußerst kostspielige Entscheidungen notwendig – etwa die Lieferung von Waffen an Kiew, die Abkehr von russischem Gas oder zur Stabilisierung der Energiepreise.

Nun, so versichern die Koalitionäre, wollen sie in den Gestaltungsmodus übergehen und ihr eigentliches Projekt umsetzen: Die Transformation der deutschen Volkswirtschaft in Richtung Klimaneutralität, verbunden mit einer umfassenden Digitalisierung. Deutschland muss bis 2045 klimaneutral sein und bereits bis 2030 seinen Treibhausgas-Ausstoß um 65 Prozent unter das Niveau von 1990 drücken.

Ampel: Vollbeschäftigung statt massenhafter Jobverlust

Und die Veränderung soll den Bürgern nach Möglichkeit keine Angst machen. Im Gegenteil: Scholz sagte am Montag mehrfach, dass „Zuversicht“ geboten sei: Energiewende und Digitalisierung würden im großen Stil Wirtschaftswachstum und neue Jobs bringen. Deutschland werde weiterhin eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft sein. Scholz versprach sogar, dass Deutschland in den kommenden Jahren „das Problem der Arbeitslosigkeit hinter sich lassen“ werde.

Statt massenhafter Jobverluste durch das Ende des Verbrennungsmotors oder der Kohleverstromung soll es also Vollbeschäftigung geben. Es gebe sehr viel zu tun, sagte der Bundeskanzler. Dafür würden sehr viele Frauen und Männer gebraucht, „die hierzulande sich einsetzen, aber auch aus anderen Ländern dazukommen, damit all die Arbeit geschafft werden kann, die in Deutschland jetzt anfällt“.

Und wie viel Arbeit zu erledigen ist, erläuterte der Regierungschef gleich mit: „Wir müssen bis 2030 vier bis fünf neue Windräder aufstellen pro Tag. Und pro Tag umgerechnet mehr als 40 Fußballfelder voller Solaranlagen. Wir müssen das Netz ertüchtigen, in die Wasserstoffwirtschaft investieren und bei der Elektromobilität vorankommen.“Der Kanzler ergänzte: „Wir müssen und wir wollen mehr Fortschritt wagen. Wir brauchen mehr Tempo. Und wir brauchen Zuversicht.“

Auch Wirtschaftsminister Habeck malte die Zukunft in grellen Farben. „Es ist ein gigantisches Industrie- und Beschäftigungsprogramm, das wir hier anschieben“, sagte er. Finanzminister Lindner blieb dann noch die Aufgabe, zu betonen, dass für all das neben staatlichen Ausgaben auch umfangreiche private Investitionen notwendig sein werden.

CDU: Heftige Kritik aus der Opposition

Die Meinungsverschiedenheiten in Sachfragen, etwa in Bezug auf den Haushalt oder den Autobahnbau, will die Koalition in den kommenden Wochen beilegen. Mitte März möchte Finanzminister Lindner seine Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2024 vorlegen. Dann sollte in etwa klar sein, welches Bundesministerium im kommenden Jahr mit wie viel Geld rechnen kann. Ende März soll ein Koalitionsausschuss stattfinden. Ziel ist es, dabei den Konflikt um die Autobahnen aus der Welt schaffen. Und beim Thema Kindergrundsicherung gibt es ohnehin wenig Zeitdruck: Kosten werden hier erst ab 2025 anfallen.

Die Opposition ließ am Montag kein gutes Haar am Auftritt des Bundeskabinetts. CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte unserer Redaktion: „Der Geist von Meseberg scheint ein gruseliger zu sein. Die Bundesregierung will über Zuversicht sprechen, dabei ist sie es, die mit ihrem Streit gerade jede Zuversicht verschwinden lässt. Bis auf ein paar Mutmachsprüche für die eigene Truppe ist in Meseberg nichts entschieden worden.“