Berlin. Die Regierung will die private Altersvorsorge reformieren. Verbraucherschützer schlagen öffentlichen Fonds vor. Das sind die Vorteile.

Die Zahlungen aus der gesetzlichen Rente reichen bei den meisten Menschen in Deutschland nicht aus, um ihren Lebensstandard im Ruhestand aufrechtzuerhalten. Zudem bekommt nicht jeder eine Betriebsrente von seinem Arbeitgeber. Die staatlich geförderte Altersvorsorge, wie sie über die Riester-Rente erfolgt, ist ein weiteres wichtiges Standbein. Doch ihre Attraktivität sinkt angesichts geringer Renditen. Die Bundesregierung plant deshalb eine grundlegende Reform der privaten Altersvorsorge.

Bis Sommer soll eine so genannte „Fokusgruppe private Altersvorsorge“ dazu zwei Alternativen prüfen: Die Einführung eines öffentlich verantworteten Rentenfonds sowie die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester. Gleichzeitig soll es einen Bestandsschutz für laufende Riester-Verträge geben. Das Gremium, das am Dienstag erstmals unter dem Vorsitz des Bundesfinanzministeriums zusammentrifft, besteht aus Vertretern der Parteien, Ministerien, Wissenschaft sowie aus Fondsanbietern, Versicherern, Gewerkschaften, Arbeitgebern und Verbraucherschützern.

Oberste Verbraucherschützerin Pop über die Rente: „Riester ist gescheitert“

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der in der Runde vertreten ist, erhofft sich tiefgreifende Veränderungen im System. „Riester ist gescheitert. Darüber brauchen wir uns nicht mehr monatelang in einer Expertenkommission austauschen“, sagt vzbv-Vorständin Ramona Pop dieser Redaktion. Lesen Sie dazu: Auslaufmodell Riester-Rente – Für wen sie sinnvoll ist

Nötig sei ein echter Neustart der privaten Rente noch in dieser Legislaturperiode. „Damit die Fokusgruppe echte Ergebnisse und nicht nur Prüfaufträge erarbeitet, braucht es ein klares Bekenntnis der Ampel zur notwendigen Grundsatzreform der Zusatzvorsorge und zur Einführung eines Vorsorgefonds“, so die oberste Verbraucherschützerin.

Nach Einschätzung der Verbraucherzentralen ist ein öffentlich verantworteter Vorsorgefonds privaten Angeboten wie Riester klar überlegen. So habe bereits ein Gutachten des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW Mannheim im Auftrag des vzbv aus dem Jahr 2019 gezeigt, dass eine breit gestreute, langfristige Aktien-Anlage hohe Renten bei geringem Risiko möglich macht. Demnach bringe eine reine Aktienstrategie im Mittelwert eine rund dreimal so hohe Rente wie eine risikolose Anlage in Anleihen. Lesen auch den Kommentar: Renteneintrittsalter – Das Gefälle in Europa ist ungerecht

Ein Vorsorgefonds könnte nach Schätzungen der Verbraucherzentralen Zusatzrenten in der Größenordnung der gesetzlichen Altersrente erzielen. „Die mittlere monatliche Entnahme eines statistischen Eckrentners würde 1.870 Euro betragen, eine mittlere monatliche Rente etwa 1500 Euro.“

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Vorsorgefonds als Rente: Es fallen keine Provisionen mehr an

Europäische Länder wie Schweden oder Großbritannien seien bei der Aktienrente ein Vorbild. Sie machten seit Jahren vor, dass ein solches Modell für Sparerinnen und Sparer funktioniere. Gleichzeitig lande das Geld nicht primär in den Taschen der Finanzwirtschaft. Die Verbraucherzentralen werben seit Jahren dafür, die Riester-Rente durch einen öffentlich verantworteten Vorsorgefonds zu ersetzen und gleichzeitig den sozialen Ausgleich über die gesetzliche Rente zu verbessern.

Die Idee: Verbraucher könnten über den Arbeitgeber automatisch in den Vorsorgefonds einbezogen werden, müssten dafür aber keine Provisionen zahlen. Auch die schwierige Produktauswahl entfällt, da der Fonds je nach Lebensalter automatisch das richtige Anlagerisiko wählen würde. Der Fonds sollte auch Beamten und Selbstständigen offenstehen. Gleichzeitig könne jeder auch eine Beteiligung verweigern. Die Organisation des Fonds werde von einem öffentlich-rechtlichen Träger übernommen. Auch interessant: Aktien zur Alterssicherung – Das plant die Koalition

Wichtig sei: Die Bundesregierung müsse sich bei der privaten Altersvorsorge vom Versicherungsgedanken befreien. „Versicherung klingt nach Sicherheit“, erläutert Pop. „Bei der Altersvorsorge geht es aber um Vermögensaufbau.“

Vermögensaufbau und Risikoabsicherung ließen sich nicht sinnvoll in einem Vertrag bündeln. Versicherungen seien zudem durch Provisionen nur unnötig teuer und undurchsichtig. Zudem verhinderten sie ordentliche Vermögenszuwächse. „Der Versicherungsmantel garantiert vor allem Versicherern satte Einkünfte. Damit muss Schluss sein. Denn am Ende sprechen alle Argumente für einen öffentlichen, kapitalgedeckten Vorsorgefonds“, ist Pop überzeugt.

Altersvorsorge: Die Riester-Rente hat viele Probleme

Die Riester-Rente hat aus Sicht der Verbraucherschützerin „eine Menge Probleme“. Eines davon sei die sogenannte Zulagenförderung. „Erstens ist die Zulage häufig gar keine Förderung, weil die Rente später versteuert werden muss. Zweitens ergibt die Förderung von Verbraucherinnen und Verbrauchern mit geringem Einkommen sozialpolitisch keinen Sinn. Wer wenig Geld hat, der hat in aller Regel kein Geld für Vorsorge und braucht deshalb eine bessere Absicherung über die gesetzliche Rente.“

Die Verbraucherzentrale fordert die Bundesregierung zudem auf, auch eine übergreifende Rentenreform in Angriff zu nehmen. Es solle eine stärkere Aufgabenteilung zwischen den drei Rentensäulen geben: Dabei könne sich die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) stärker auf den sozialen Ausgleich und die bessere Absicherung der Arbeitskraft konzentrieren – zum Beispiel durch höhere Erwerbsminderungsrenten.

Ramona Pop ist Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands.
Ramona Pop ist Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands. © dpa | Britta Pedersen

Eine neu aufgestellte private Vorsorge sollte sich unterdessen auf den Vermögensaufbau zur Ergänzung der gesetzlichen Rente fürs Alter fokussieren. Ob auch die betriebliche Vorsorge helfen kann, hänge von einer Reform der betrieblichen Entgeltumwandlung ab. Generell vertraut Pop darauf, dass die Fokusgruppe zu guten Empfehlungen kommen könne. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Regierungskommissionen durchaus zu guten Ergebnissen für Verbraucher führen können. Ich denke da an die Datenethikkommission oder die Zukunftskommission Landwirtschaft.“