Vor allem um die Geburtsstadt Gaddafis wird noch gekämpft. Libyens neue Führung hat die Welt um Hilfe für den Wiederaufbau gebeten.

Tripolis/Paris. Während in Libyen noch vereinzelt gekämpft wird, macht sich der Übergangsrat mit Hilfe des Auslands an den Wiederaufbau des Landes nach Bürgerkrieg und 40 Jahren Diktatur. Der Chef des Nationalen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, bat die Weltgemeinschaft am Dienstag bei den Vereinten Nationen in New York um Hilfe für sein Land. Politiker zahlreicher Staaten, allen voran US-Präsident Barack Obama, versprachen Unterstützung. Konkrete Zusagen waren aber nicht vorgesehen.

„Wir sind ein reiches Land, aber wir brauchen jetzt Hilfe“, sagte Dschalil. „Libyen hat jahrelang denen in Not Hilfe gegeben. Jetzt ist es an der Zeit für uns, selbst um Hilfe zu bitten.“ Mit internationaler Unterstützung werde sein Land ein moderner Rechtsstaat werden. „Libyen wird ein starker Staat sein, in dem Libyer sich selbst regieren.“ Dabei fühle sich der Übergangsrat dem internationalen Recht verpflichtet.

„Libyen ist ein Musterbeispiel dafür, was die internationale Gemeinschaft erreichen kann, wenn sie sich einig ist“, sagte Obama. Der US-Präsident forderte alle Welt auf, dem libyschen Volk nun weiter auf dem Weg in eine freie, demokratische und blühende Zukunft zu helfen. Er lobte die Länder, die den libyschen Aufstand unterstützt hatten. Verantwortlich für den Erfolg seien aber andere: „Der Ruhm gebührt dem libyschen Volk; Männern, Frauen – und selbst Kindern.“

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte die Libyer zuvor beglückwünscht und aufgerufen, einen modernen Staat aufzubauen. „Es müssen die Prinzipien der Menschenrechte, der Demokratie und des Rechtsstaates gelten, gerade auch für Frauen.“ Libyen könne mit der Hilfe der Weltgemeinschaft rechnen: „Wir werden Sie unterstützen, wo immer wir können.“

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderte ein härteres Vorgehen der Weltgemeinschaft gegen undemokratische Regime. „Wir haben viel zu lange Diktatoren toleriert“, sagte er. „Wir hatten Furcht und Furcht war für uns kein guter Ratgeber. Dabei haben uns die Osteuropäer gezeigt, dass jedes Regime besiegt werden kann.“ Frankreich sei für die Tat: „Alle Diktatoren auf der Welt sollen wissen, dass die internationale Gemeinschaft handeln wird.“

Bewohner der Gaddafi-Hochburg Sirte fliehen vor Kämpfen

In voll beladenen Fahrzeugen sind am Dienstag zahlreiche Familien aus der Geburtsstadt des gestürzten libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi geflohen. In Sirte hätten sie in einer Art Belagerungszustand gelebt und seien von Gaddafi-Truppen an der Flucht gehindert worden, berichteten sie. Kämpfer der Revolutionstruppen unterstützten die Fliehenden nach eigenen Angaben, damit sie noch vor einem für (den morgigen) Mittwoch geplanten Angriff die Stadt verlassen könnten. US-Präsident Barack Obama sicherte den Libyern vor einem UN-Treffen Unterstützung zu.

Seit dem 20. August habe es keinen Strom mehr gegeben, berichteten die Flüchtlinge. Treibstoff und Nahrungsmittel gingen zur Neige. Viele Menschen würden noch in der Stadt festsitzen, sagten sie. Anhänger Gaddafis legten außerdem in Häusern, Schulen und Krankenhäusern Munitionsvorräte an, sagte ein Mann. „Ich habe bereits früher versucht zu fliehen, aber Gaddafis Soldaten haben mich nicht gelassen“, sagte der 34-jährige Abdullah Mohammed, der Sirte in Begleitung seiner Frau sowie seiner drei Kinder verließ.

Revolutionstruppen bereiten Angriff auf Sirte vor

Die Truppen des Nationalen Übergangsrats, der sich um die Bildung einer neuen Regierung bemüht, haben den größten Teil des Landes unter Kontrolle. Einzig in Sirte sowie den beiden Orten Bani Walid und Sabha leisten die Getreuen des Ex-Machthabers noch Widerstand. Die Revolutionstruppen rund um Sirte würden demnächst durch schwere Waffen aus Misrata unterstützt, teilten die ehemaligen Rebellen mit. Bei den anhaltenden Kämpfen in Sirte seien am Dienstag vier Menschen getötet und sieben verletzt worden, teilte der Arzt Hescham Samedi mit, der in einem in einer Moschee eingerichteten Feldlazarett am westlichen Stadtrand von Sirte tätig ist.

Zwei ehemalige philippinische Hausangestellte der Gaddafi-Familie wurden unterdessen von ihrer Botschaft ins Ausland gebracht. Wie die Regierung in Manila am Dienstag mitteilte, flüchteten die beiden Philippinerinnen aus dem Haus, in dem sie gearbeitet hatten. Botschaftsmitarbeiter hätten sie dort mit zwei Autos erwartet und sofort über die Grenze nach Tunesien gebracht. Den Angaben zufolge befinden sich noch zwei weitere von der Familie angestellte Philippinerinnen in Libyen. Diese hätten jedoch entschieden, im Land zu bleiben, da ihre Sicherheit nicht gefährdet sei, teilte die philippinische Botschaft mit.