Alain Juppé übernimmt das Amt von Michèle Alliot-Marie. Sie war wegen ihrer Kontakte zum gestürzten tunesischen Präsidenten unter Druck geraten.

Paris. Frankreich hat einen neuen Außenminister: Der bisherige Verteidigungsminister Alain Juppé übernimmt das Amt von Michèle Alliot-Marie, die am Sonntag ihren Rücktritt erklärte. Neuer Verteidigungsminister wird Gérard Longuet, Fraktionschef der konservativen Regierungspartei UMP im Senat, dem französischen Oberhaus.

Außenministerin Michèle Alliot-Marie war wegen ihrer Haltung zum gestürzten tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali unter Druck geraten. In ihrem handgeschriebenen Rücktrittsschreiben an Staatschef Nicolas Sarkozy schreibt die 64-Jährige, sie habe sich kein Fehlverhalten vorzuwerfen. In den vergangenen zwei Wochen hätte ihre Familie unter der Kampagne „gewisser Medien“ zu leiden gehabt.

Die Zeitung „Le Monde“ hatte sie auf der Titelseite indirekt zum Rücktritt aufgefordert. „Ein solches Amt kann man nur ausüben, wenn man eine weiße Weste hat. Wer das nicht kapiert, untergräbt den Respekt gegenüber der staatlichen Autorität“, stand dort. Letztlich stehe die Glaubwürdigkeit Frankreichs auf dem Spiel.

Die Ministerin hatte dem mittlerweile gestürzten tunesischen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali das Know-how der französischen Sicherheitskräfte bei der Bekämpfung der Proteste angeboten. Ihr wurde zudem vorgeworfen, in ihrem Weihnachtsurlaub den Privatjet eines Vertrauten des tunesischen Staatschefs Ben Ali genutzt zu haben. Dass sie überhaupt für ihren Urlaub ausgerechnet nach Tunesien reiste, wo die Proteste gegen den Präsidenten bereits in vollem Gange waren, stieß auf Kritik. Hinzu kamen Berichte über Immobiliengeschäfte ihrer Eltern mit dem Umfeld des gestürzten Machthabers.

Es war ein sonniger Kurzurlaub zwischen Weihnachten und Neujahr, den Alliot-Marie vermutlich längst bitter bereut. Sie reiste in Begleitung ihres Partners Patrick Ollier und ihrer Eltern, die beide über 90 Jahre alt sind. Die Familie ist mit dem tunesischen Geschäftsmann Aziz Miled befreundet. Während des Urlaubs unterzeichnete der Ministervater Bernard Marie einen Kaufvertrag: Miled überträgt ihm seine Anteile an einer Immobiliengesellschaft, an der Marie zuvor bereits 13 Prozent hielt. Alliot-Marie und ihre Familie waren in einem Hotel untergebracht, das Miled gehört. Dieser lud die ganze Gesellschaft zu mehreren Ausflügen ein, teils im Jeep, teils in seinem Privatjet.

Soweit, so gut. Warum sollen sich die Eltern einer Ministerin nicht eine Immobilie im zweieinhalb Flugstunden von Paris entfernten Tunesien gönnen? Und dass sich arabische Gastfreundschaft schlecht bremsen lässt, weiß jeder, der mal in der Region Urlaub gemacht hat. Problematisch ist aus Sicht vieler Franzosen aber, dass die Ministerin sich durch ihr Verhalten in die Nähe des gestürzten Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali gebracht hat.

Und je länger die Affäre sich hinzog, desto mehr Ungereimtheiten an der Version der Ministerin kamen zutage. So stellte sie Miled zunächst als ein Opfer des diktatorischen Systems dar. Tatsächlich war er aber ein Geschäftspartner von führenden Mitgliedern des Ben-Ali-Clans und ein großzügiger finanzieller Förderer des Präsidenten – von Wahlkampfmitteln bis zu einem kostspieligen Feuerwerk zu Ehren Ben Alis, berichtet das Online-Magazin Mediapart. Dass sie sich zu einem Flug in dessen Privatjet einladen ließ, sei mehr oder weniger Zufall gewesen, erklärte sie. Was wenig glaubhaft klingt, wenn Miled kurz darauf ein Immobiliengeschäft mit ihrem hochbetagten Vater abschließt.

Zunächst behauptete sie auch, während ihrer Ferien sei sie schließlich nicht Ministerin – um sich kurz darauf zu korrigieren, dass sie natürlich rund um die Uhr im Amt sei.

Dann wiederum meinte sie, dass die Unruhen in Tunesien erst nach ihrer Abreise begonnen hätten. Allerdings hatte es bei einer Demonstration am 24. Dezember bereits den ersten Toten gegeben. Schließlich kam auch noch heraus, dass Alliot-Marie darüber sehr wohl informiert gewesen sein dürfte: Sie telefonierte nämlich noch während des Urlaubs mit Ben Ali. Kurz nach ihrer Rückkehr bot sie Tunesien dann Unterstützung an, um das Sicherheitsproblem in den Griff zu bekommen – was für heftige Empörung sorgte. Sie verteidigte sich später damit, dass sie nur Schlimmeres habe verhindern wollen.