Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland ist gestiegen – allerdings nicht die derjenigen aus Nordafrika. EU weist Italiens Kritik zurück.

Berlin/Brüssel/Rom. Die tunesische Übergangsregierung ist nach Ansicht von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in der Pflicht, den Flüchtlingsstrom nach Italien zu stoppen. „Tunesien befindet sich in einem Übergangsprozess. Die Konsequenz kann nicht heißen: Flucht. Wir wünschen uns, dass die Übergangsregierung den Menschen sagt: Wir brauchen Euch“, betonte de Maizière. Jedoch müssten auch die Tunesier selbst bereit sein, am Neuanfang ihres Landes mitzuarbeiten. „Die Menschen müssen erkennen: Sie gehören nach Tunesien, um dort ein anderes Tunesien aufzubauen.“ Italien verhalte sich richtig, indem das Lager auf der Mittelmeerinsel Lampedusa wieder geöffnet worden sei. Zudem wickle Italien selbst die entsprechenden Asylverfahren ab. Es sei auch wichtig, die Problematik in der EU zu erörtern und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, sagte de Maizière.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt die Aufnahme von Flüchtlingen aus Tunesien ab. Natürlich könnten nicht alle Menschen kommen, die jetzt über die italienische Insel Lampedusa nach Europa wollten, sagte die Kanzlerin. Europa könne aber beim Aufbau eines Rechtsstaates helfen. „Unser Ziel ist, die Probleme in den Heimatländern auch zu lösen, den Menschen dort eine Perspektive zu geben und ihnen damit auch eine Chance zu geben, in der eigenen Heimat leben zu können.“

Seit dem Sturz des tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali werden in dem nordafrikanischen Land kaum mehr die Grenzen kontrolliert. Die Folge ist ein stark anschwellender Flüchtlingsstrom nach Europa. In den vergangenen fünf Tagen waren mehr als 5000 Tunesier auf der Insel Lampedusa angekommen.

Auch in Deutschland bitten wieder deutlich mehr Menschen um Asyl – allerdings nicht aus den nordafrikanischen Staaten. Im Januar gingen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 3748 Asyl-Erstanträge ein. Das waren 41 Prozent mehr als im Januar vergangenen Jahres, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. Hauptherkunftsländer waren Afghanistan, Irak und Serbien. 530 Personen wurden im Januar als Flüchtling gemäß der Genfer Konvention anerkannt. Bei weiteren 181 Antragstellern wurde ein Abschiebungsverbot festgelegt. Anträge von 2448 Personen wurden abgelehnt. Ende Januar war über Anträge von 23.831 Asylbewerbern noch nicht entschieden.

Die EU ist derweil ernsthaft besorgt über den Flüchtlingsansturm aus Tunesien auf die italienische Insel Lampedusa und hat Rom Hilfe angeboten. Allerdings habe Italien noch keine Unterstützung aus Brüssel angefordert, sagte ein Sprecher von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. Bei einer Bitte aus Rom sei etwa eine rasche Entsendung von EU-Grenzschutzexperten möglich, sagte Michele Cercone. Er verwies auf Griechenland: Dort unterstützen EU-Experten unter anderem aus Deutschland die griechischen Grenzschützer bei der Sicherung der Grenze zur Türkei.

Ein Grund für den Flüchtlingsandrang auf Lampedusa ist, dass die tunesischen Behörden ihre Grenze nach dem Regimesturz nicht mehr so stark absichern. EU-Chefdiplomatin Cathrine Ashton reiste am Montag nach Tunis und wollte das Thema ansprechen.

Italien und die EU seien „mit nie da gewesenen Umständen konfrontiert“, sagte Kommissionssprecher Cercone. Brüssel sei sich des außergewöhnlichen Druckes auf Italien bewusst. Eine Weiterleitung der Flüchtlingsströme in andere EU-Staaten ist derzeit nicht möglich. Das sogenannte Dublin-II-Abkommen legt fest, dass Asylbewerber bis zur Prüfung ihrer Anträge in dem Land bleiben müssen, in dem sie europäischen Boden betreten haben.

Italiens Innenminister Roberto Maroni hatte am Sonntag in einem Fernsehinterview kritisiert: „Europa macht nichts.“ Er sei besorgt und habe schnelles Handeln der EU gefordert, da die nordafrikanischen Staaten „dabei sind, zu explodieren“, sagte Maroni. „Wie gewöhnlich werden wir alleine gelassen.“ Malmströms Sprecher wies diese Darstellung zurück. (dpa/dapd/rtr)