Kann Nicolas Sarkozy seine Pannen-Frau noch halten? Alliot-Marie hatte enge Kontakte zum dubiosen Ben-Ali-Clan und leugnete lange vergebens.

Paris. So streng und steif wie sie wirkt, hätte man ihr Mauscheleien und Lügengeschichten am wenigsten zugetraut: Doch Frankreichs Außenministerin Michèle Alliot-Marie verstrickt sich immer tiefer in eine Affäre, die mit einer Tunesien-Reise im Dezember begonnen hat. Die Kritik kommt längst nicht mehr nur von der Opposition. Die Zeitung „Le Monde“ forderte sie auf der Titelseite indirekt zum Rücktritt auf. „Ein solches Amt kann man nur ausüben, wenn man eine weiße Weste hat. Wer das nicht kapiert, untergräbt den Respekt gegenüber der staatlichen Autorität“, heißt es dort. Letztlich stehe die Glaubwürdigkeit Frankreichs auf dem Spiel.

Es war ein sonniger Kurzurlaub zwischen Weihnachten und Neujahr, den Alliot-Marie vermutlich längst bitter bereut. Sie reiste in Begleitung ihres Partners Patrick Ollier und ihrer Eltern, die beide über 90 Jahre alt sind. Die Familie ist mit dem tunesischen Geschäftsmann Aziz Miled befreundet. Während des Urlaubs unterzeichnete der Ministervater Bernard Marie einen Kaufvertrag: Miled überträgt ihm seine Anteile an einer Immobiliengesellschaft, an der Marie zuvor bereits 13 Prozent hielt. Alliot-Marie und ihre Familie waren in einem Hotel untergebracht, das Miled gehört. Dieser lud die ganze Gesellschaft zu mehreren Ausflügen ein, teils im Jeep, teils in seinem Privatjet.

Soweit, so gut. Warum sollen sich die Eltern einer Ministerin nicht eine Immobilie im zweieinhalb Flugstunden von Paris entfernten Tunesien gönnen? Und dass sich arabische Gastfreundschaft schlecht bremsen lässt, weiß jeder, der mal in der Region Urlaub gemacht hat. Problematisch ist aus Sicht vieler Franzosen aber, dass die Ministerin sich durch ihr Verhalten in die Nähe des gestürzten Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali gebracht hat.

Und je länger die Affäre sich hinzog, desto mehr Ungereimtheiten an der Version der Ministerin kamen zutage. So stellte sie Miled zunächst als ein Opfer des diktatorischen Systems dar. Tatsächlich war er aber ein Geschäftspartner von führenden Mitgliedern des Ben-Ali-Clans und ein großzügiger finanzieller Förderer des Präsidenten – von Wahlkampfmitteln bis zu einem kostspieligen Feuerwerk zu Ehren Ben Alis, berichtet das Online-Magazin Mediapart. Dass sie sich zu einem Flug in dessen Privatjet einladen ließ, sei mehr oder weniger Zufall gewesen, erklärte sie. Was wenig glaubhaft klingt, wenn Miled kurz darauf ein Immobiliengeschäft mit ihrem hochbetagten Vater abschließt.

Zunächst behauptete sie auch, während ihrer Ferien sei sie schließlich nicht Ministerin – um sich kurz darauf zu korrigieren, dass sie natürlich rund um die Uhr im Amt sei.

Dann wiederum meinte sie, dass die Unruhen in Tunesien erst nach ihrer Abreise begonnen hätten. Allerdings hatte es bei einer Demonstration am 24. Dezember bereits den ersten Toten gegeben. Schließlich kam auch noch heraus, dass Alliot-Marie darüber sehr wohl informiert gewesen sein dürfte: Sie telefonierte nämlich noch während des Urlaubs mit Ben Ali. Kurz nach ihrer Rückkehr bot sie Tunesien dann Unterstützung an, um das Sicherheitsproblem in den Griff zu bekommen – was für heftige Empörung sorgte. Sie verteidigte sich später damit, dass sie nur Schlimmeres habe verhindern wollen.

„Es ist völlig klar, dass Alliot-Marie jetzt gehen muss“, meint Sozialisten-Sprecher Benoît Hamon. „Wenn ihre Familie Geschäfte mit einem Vertrauten des Ben-Ali-Clans macht, dann kann sie kaum den klaren Blick behalten, den sie als Außenministerin nötig hat“, fügte er hinzu. „In jedem anderen europäischen Land hätte sie längst gehen müssen“, schimpfte der Grünen-Abgeordnete Noël Mamère.

Dass MAM, wie sie in Frankreich genannt wird, noch immer im Amt ist, verdankt sie vermutlich Premierminister François Fillon. Nicht, dass sich dieser explizit für sie eingesetzt hätte. Fillon ist vielmehr selber in die Kritik geraten, weil er eine private Urlaubseinladung vom ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak angenommen hatte. Dadurch geriet Präsident Nicolas Sarkozy in eine Zwickmühle: Er hätte schlecht die eine feuern und den anderen im Amt belassen können. So genießt MAM vorerst also den Schutz Sarkozys. Sollte die Ministerin im Amt bleiben und die Aufregung wieder abebben, hat Sarkozy immerhin eines erreicht: Sie wird ihm zum Dank verpflichtet sein und auf Kritik tunlichst verzichten. (dpa)