Der Präsident des nordafrikanischen Staates hat auf die Unruhen reagiert. Das Staatsfernsehen gab die Auflösung der Regierung bekannt.

Tunis. Der tunesische Präsident Zine el Abidine Ben Ali hat laut einem Bericht des staatlichen Fernsehens angesichts der anhaltenden Unruhen am Freitag die Regierung aufgelöst und Neuwahlen binnen sechs Monaten ausgerufen. Zuvor hatte die Polizei in der Hauptstadt Tunis Tränengras gegen mehrere tausend Demonstranten eingesetzt, die Ben Alis Rücktritt forderten. Sie skandierten Parolen wie „Ben Ali – raus“ oder „Ben Ali – Mörder“. Andere trugen Transparente mit der Aufschrift „Wir werden nicht vergessen“ und erinnerten damit an die zahlreichen Toten der vergangen Wochen. Die Demonstranten protestieren seit rund einem Monat gegen hohe Arbeitslosigkeit und die Politik des autokratisch regierenden Präsidenten. Laut offiziellen Angaben kamen bislang 23 Menschen ums Leben, die Opposition geht aber vom Dreifachen aus.

In den vergangenen Tagen war der Protest in Tunesien stetig zum Volksaufstand angewachsen. Am Donnerstag hatten Reiseveranstalter begonnen, deutsche Urlauber auszufliegen. Das Unternehmen Thomas Cook holt seine Kunden aus dem Mittelmeerland zurück und sagte neue Flüge ab. Die anderen großen Anbieter warten ab. In den Urlauber-Hotels blieb es zunächst ruhig. Dagegen forderten in der Hauptstadt Tunis am Freitag mehr als zehntausend Menschen den Rücktritt des 74 Jahre alten Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali. Bisher sollen rund 80 Menschen bei den Unruhen gestorben sein. Die Demonstranten in Tunis skandierten „Nein zu Ben Ali“ und nannten ihn einen „Lügner“. Die Menschen machen ihn und seinen Clan für die hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und Polizeigewalt verantwortlich. Am Nachmittag wurden Demonstranten vor dem Innenministerium von Polizisten mit Tränengas vertrieben. Zuvor hatte es Versuche gegeben, das Gebäude zu stürmen.

Bei Ausschreitungen hatten Sicherheitskräfte in den vergangenen Tagen mehrfach auf Demonstranten geschossen. Menschenrechtler nannten bis Donnerstag die Zahl von 66 Toten. Mindestens 13 weitere starben seitdem bei den Unruhen in der Hauptstadt Tunis, bestätigten Krankenhausmitarbeiter am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Der Botschafter des Landes bei der UN-Kulturorganisation Unesco in Paris, Mezri Hadded, gab im französischen Fernsehen wegen der Gewalt seinen Rücktritt bekannt.

Ben Ali hatte am Donnerstagabend Zugeständnisse gemacht und für 2014 das Ende seiner mittlerweile 23-jährigen Präsidentschaft in Aussicht gestellt. Sowohl die Bundesregierung wie auch die EU ermunterten ihn, diesen Kurs der Öffnung weiter zu verfolgen. Sprecher von Oppositionsparteien im Land kritisierten das Angebot jedoch als ungenügend. Menschenrechtsgruppen wie Reporter ohne Grenzen prangerten das brutale Vorgehen gegen die Protestbewegung an. In seiner dritten Fernsehansprache innerhalb weniger Wochen hatte Ben Ali sinkende Preise für Grundnahrungsmittel, mehr Demokratie und die Aufhebung der Internetzensur versprochen. Wenig später konnten zuvor gesperrte Onlineseiten wie YouTube wieder erreicht werden.

Nach der Präsidentenrede waren am Donnerstagabend trotz eines Ausgehverbots zahlreiche Menschen auf die Straßen gegangen, um die Ankündigungen zu feiern. Hupkonzerte und Freudenschreie hallten durch die Nacht. Regimekritiker vermuteten jedoch, dass es sich bei den Feiernden größtenteils um Mitglieder der Regierungspartei gehandelt haben könnte. Die Proteste, die sich ursprünglich gegen die hohe Arbeitslosigkeit richteten, zielten zuletzt immer mehr auf das Regime Ben Alis und hatten selbst Touristenorte erreicht. Am Donnerstag war der 60 Kilometer südlich von Tunis gelegene Badeort Hammamet betroffen. Läden wurden geplündert, eine Polizeiwache verwüstet. Wegen der Unruhen hat das Auswärtige Amt in Berlin von Reisen in das nordafrikanische Urlaubsland abgeraten. Reiseveranstalter schätzen, dass mit deutschen Anbietern etwa 7000 Touristen nach Tunesien geflogen sind. Neckermann-Reisende werden ausgeflogen. Tui, Rewe Touristik und auch Alltours sahen dagegen am Freitag keinen Grund, Urlauber gegen ihren Willen zurück in die Heimat zu bringen. (dapd/dpa)