Tunesien erlebt derzeit die schlimmsten Aufstände seit Mitte der 80er-Jahre. Vor allem junge Menschen sind im afrikanischen Land unzufrieden.

Tunis. Chaos in Tunesien: Bei neuen Unruhen sind am Montag mehr als zehn Menschen getötet worden. Nach Augenzeugenberichten eröffneten Polizisten in der Stadt Kasserine im Westen des Landes das Feuer auf Demonstranten und schossen ziellos in die Menge. Die Gesamtzahl der Toten bei den Unruhen in den vergangenen Tagen erhöht sich damit auf über 30. Die Regierung ließ bis auf weiteres alle Schulen und Universitäten des Landes schließen. Zahlreiche Jugendliche und Studenten hatten sich zuletzt an Demonstrationen und Ausschreitungen beteiligt

Als Hintergrund der schlimmsten Aufstände seit Mitte der 80er Jahre gelten die hohe Arbeitslosigkeit und der Frust vieler Tunesier, am Reichtum ihres Landes keinen Anteil zu haben. Vor allem junge Menschen sind betroffen. Die Regierung hat bislang lediglich 14 Todesopfer bei den Unruhen eingeräumt, Journalisten hatten aber bereits am Wochenende die Namen von 23 Opfern dokumentiert.

Die Europäische Union forderte am Montag "Zurückhaltung beim Einsatz von Gewalt und die Respektierung der Grundfreiheiten“. Blogger, Journalisten, Rechtsanwälte und andere festgenommene Personen, die friedlich demonstriert hätten, seien unverzüglich freizulassen, heißt es in einer Erklärung.

Ob die Demonstranten in Kasserine am Montag zunächst die Polizisten angegriffen hatten, war vorerst unklar. Zahlreiche Einwohner der Stadt versammelten sich nach den neuen Ausschreitungen zu Protesten auf den Straßen. "Wenn die Polizei weiter auf Demonstranten schießt, gibt es eine Katastrophe“, sagte eine Rechtsanwältin aus der Stadt am Telefon. Bereits am Wochenende waren in Kasserine nach Gewerkschaftsangaben fünf Menschen bei Ausschreitungen getötet worden.

Der tunesische Präsident Zine el Abidine Ben Ali versprach in einer Fernsehsprache, die Regierung werde in den nächsten zwei Jahren zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. In diesem und dem kommenden Jahr wolle er 300.000 Jobs schaffen, kündigte er an. Die Opposition warf der Regierung vor, die Armee einzusetzen und dadurch zur Eskalation beizutragen. Mindestens vier Menschen, unter ihnen zwei 17-Jährige und ein arbeitsloser Hochschulabsolvent, haben sich aus Protest öffentlich selbst in Flammen gesetzt. Zwei von ihnen starben an ihren Brandverletzungen.

Das Auswärtige Amt hatte bereits zum Wochenende seine Reisehinweise aktualisiert und riet zu "erhöhter Vorsicht“ in dem nordafrikanischen Land.