Zwar liegen sie klar in Führung. Die absolute Mehrheit der Sitze werden sie aber vermutlich verfehlen - und einen Koalitionspartner brauchen.

London. Endspurt im britischen Wahlkampf: Mit scharfen Angriffen auf die politische Konkurrenz haben alle drei Kandidaten für das Amt des Premierministers am Sonntag ihre Anhänger zu mobilisieren versucht. Jüngsten Umfragen zufolge liegen die oppositionellen Konservativen mit 35 bis 38 Prozent der Stimmen klar in Führung, wie die britische Nachrichtenagentur PA berichtete. Sie dürften die absolute Mehrheit der Sitze aber verfehlen, möglich wäre damit eine Koalition der bislang regierenden Labour Party mit den aufstrebenden Liberaldemokraten.

Der Spitzenkandidat der konservativen Tories, David Cameron, warb in einem Interview der „Sunday Times“ für ein klares Regierungsmandat für seine Partei. „Wir müssen sofort mit der Arbeit beginnen“, sagte der 43-jährige Oppositionsführer. Eine absolute Mehrheit für die Konservativen wird indes durch die Liberaldemokraten gefährdet, die in den Umfragen teilweise vor der Labour Party von Premierminister Gordon Brown liegen.

Rückenwind bekam Cameron von mehr als 100 Unternehmern, die in einem offenen Brief vor einer Koalition aus Liberaldemokraten und Labour warnten. Die Konservativen seien „die einzige Partei, die die Wirtschaft unterstützen will, anstatt sie zu behindern“, heißt es in dem bereits am Donnerstag veröffentlichten Schreiben, das laut PA bis Sonntag von 110 Unternehmern unterzeichnet wurde.

Liberalen-Chef Nick Clegg drang in einem Interview der Nachrichtenagentur AP am Samstag auf eine Reform des Wahlrechts in Großbritannien. Das Mehrheitswahlrecht habe die Labour Party und die Konservativen über Generationen hinweg an der Macht gehalten, kritisierte Clegg. Nach britischem Wahlrecht wird jeweils ein Mandat an denjenigen Kandidaten vergeben, der in einem Wahlkreis die einfache Mehrheit erringt. Die Stimmen für die übrigen Bewerber gehen verloren.

Beobachter rechnen damit, dass Clegg – sollte seiner Partei nach der Wahl am Donnerstag wie erwartet die Rolle des Königsmachers zukommen – sich seine Unterstützung bei der Bildung einer Regierungskoalition mit einer Änderung des Wahlsystems bezahlen lässt. Den am Sonntag veröffentlichten Umfragen zufolge haben die Liberaldemokraten zuletzt allerdings wieder an Zustimmung verloren. Laut einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts ICM im Auftrag des „Sunday Telegraph“ fielen sie sogar auf den dritten Platz hinter Labour zurück.

Liberalen-Chef Clegg appellierte an die Wähler, die Chance für einen echten Neustart in der seit Jahrzehnten von Labour und Tories dominierten britischen Politik nicht verstreichen zu lassen: „Lasst uns diese einzigartige Gelegenheit, die es für jede Generation nur einmal gibt, nicht vergeben“, sagte der 43-Jährige dem „Independent on Sunday“. Unterstützung erhielt Clegg überraschend von der Zeitung „The Guardian“, die traditionell Labour nahe steht. Auf seiner Website rief der „Guardian“ am Freitag zur Wahl der Liberaldemokraten auf.

Premierminister Brown griff Liberalen-Chef Clegg am Sonntag scharf an. Dem 43-Jährigen dürfe man nicht die Regierung anvertrauen, sagte der Labour-Vorsitzende der Zeitung „Observer“. „Wir reden hier über die Zukunft unseres Landes, nicht darüber, wer die nächste Game-Show im Fernsehen moderieren darf.“

+++ NICK CLEGG - VOM NOBODY ZUM HOFFNUNGSTRÄGER +++