Birmingham. Rund vier Wochen vor der britischen Parlamentswahl am 6. Mai hat Premierminister Gordon Brown das Wahlprogramm seiner Labour-Partei vorgestellt, mit dem die Wirtschaft des von der Finanzkrise schwer getroffenen Landes wieder belebt werden soll. Demnach soll das Rekorddefizit von derzeit geschätzten 190 Milliarden Euro verringert werden, ohne dass der öffentliche Dienst Einsparungen vornehmen muss.

Labour verspricht in dem Programm, das Brown in einem neuen Krankenhaus im zentralenglischen Birmingham vorstellte, dass die Einkommenssteuer nicht erhöht werden soll. Über eine mögliche Erhöhung der Mehrwertsteuer macht das Manifest dagegen keine Aussage. Die britische Infrastruktur soll demnach mit einem Netz von Hochgeschwindigkeitszügen und Breitband-Internetzugang vielerorts modernisiert werden. Investitionen in Hightech- und Umweltindustrien werden ebenso angekündigt wie eine Reform der Finanzwelt. Auf der politischen Agenda steht bei Labour unter anderem ein Referendum über die Einführung von Wahlen zum Oberhaus. Die wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens dürfte bei den Unterhauswahlen die zentrale Rolle spielen. Seit Beginn der Wirtschaftserholung im Januar steht Browns Labour-Partei in Umfragen wieder etwas besser da. Während die Tories des konservativen Oppositionsführers David Cameron einer von der Zeitung "Sun" veröffentlichten Umfrage zufolge um drei Punkte auf 37 Prozent fielen, verbesserte sich Labour um einen Punkt auf 31 Prozent.

Zum ersten Mal seit 1974 könnte es bei dieser Wahl passieren, dass keine der beiden großen Parteien eine absolute Mehrheit erreicht und eine Koalition erforderlich ist. Für das britische Mehrheitswahlsystem eine ungewohnte Konstellation. Wenn keine Koalition zustande kommt, könnte Brown auch weiterregieren, bis er im Unterhaus abgewählt wird. Der Chef der Liberaldemokraten, Nick Clegg, dessen Mitte-links-Partei das Zünglein an der Waage sein könnte, kritisierte, beide großen Parteien würden "alte" Politik machen. Er warf insbesondere der Labour-Partei vor, in 13 Jahren an der Regierung keinen Wandel zustande gebracht zu haben. "Sie haben versagt, es ist vorbei, es ist Zeit für einen Abschied", sagte Clegg im Unterhaus. Er hatte sich allerdings zugleich festgelegt, keine Koalition mit der nach der Wahl schwächeren der beiden großen Parteien eingehen zu wollen. Dies würde dem Wählerwillen widersprechen.

Die Tories wollen ihr Wahlprogramm heute vorstellen, die Liberaldemokraten folgen morgen. Am Donnerstag dann stehen sich die Spitzenkandidaten der drei Parteien, Brown, Cameron und Nick Clegg, in einer Fernsehdebatte nach US-Vorbild gegenüber. Brown hatte 2007 von dem seit 1997 regierenden Tony Blair das Amt des Premiers übernommen. Er muss sich nun zum ersten Mal einer Parlamentswahl stellen. Sollte er entgegen den bisherigen Prognosen gewinnen, wäre es der vierte Labour-Sieg in Folge.