Er bezeichnete die Frau, mit der er sich gerade unterhalten hatte, als “verbohrt“ - und merkte nicht, dass sein Mikrofon noch an war.

London. Mitten im Endspurt des Wahlkampfs hat sich der britische Premierminister Gordon Brown einen schweren Patzer erlaubt. Eine Woche vor der Wahl wurde er erwischt, wie er eine Wählerin nach einem Gespräch als verbohrt beschimpfte. Die Unterhaltung mit ihr sei „ein Desaster“ gewesen. Brown wetterte über die 65-Jährige, als er bei einer Wahlkampfveranstaltung zu seinem Wagen zurückging, aber nicht bemerkte, dass noch das Mikrofon eines Fernsehsenders an seinem Hemd steckte.

Der Ausrutscher könnte sowohl Brown als auch seiner Labour-Partei bei der Parlamentswahl am 6. Mai zum Verhängnis werden. Kommentatoren bezeichneten die Panne als „größtmöglichen Schaden“ für den Premier. Brown ist für sein aufbrausendes Temperament und seine Wutanfälle bekannt. Er bemüht sich seit langem, in der Öffentlichkeit nicht mürrisch aufzutreten und so sein Image zu verbessern.

Der Premier entschuldigte sich am Mittwoch zwar umgehend, dass er „etwas Verletzendes“ gesagt habe. Später ging er sogar persönlich zu der Witwe nach Hause in Rochdale bei Manchester, um die Wogen zu glätten. Er sei ein „reuiger Sünder“, sagte er nach dem Bittgang. Doch die konservativen Tories witterten eine Gelegenheit, Brown anzugreifen. Die verfängliche Passage:Brown hatte im Auto zu einem Mitarbeiter nach dem Gespräch gesagt:„Das war ein Desaster – sie hätten mich niemals mit dieser Frau zusammenbringen dürfen. Wessen Idee war das denn? Es ist lächerlich.“ Auf die Frage, was die Frau denn gesagt habe, murrte Brown nur:„Alles. Sie ist eine dieser verbohrten Frauen, die sagt, sie sei für Labour.“

Die Labour-Wählerin Gillian Duffy hatte Brown davor mit Fragen über Immigration, Steuern und die britische Verschuldung überschüttet. Duffy beklagte sich nach Browns Bemerkung bitter, sie sei „sehr aufgebracht“. Sie habe sonst immer Labour gewählt, das würde sie jetzt aber nicht mehr tun. „Ich bin empört. Er ist eine gebildete Person, warum benutzt er solche Worte?“ Brown hat vermutlich aber nicht nur Duffy als Wählerin verloren, sondern sich auch bei anderen unbeliebt gemacht.Denn der Wahlkampf wird vor allem in den Medien ausgefochten. Die Persönlichkeiten der Spitzenkandidaten stehen dabei seit Wochen im Zentrum der Debatte. Der Chefreporter der BBC, Nick Robinson, nannte den Vorfall eine Katastrophe für Brown. Dadurch werde die Kluft zwischen Browns öffentlichem Auftreten und seinem privaten Gesicht offenkundig.

Der Finanzexperte der konservativen Tories, George Osborne, sagte, die Worte Browns sprächen für sich selbst. „Das ist es mit den Wahlen, sie enthüllen den wahren Charakter der Menschen.“ Der Ausgang der Wahl ist bisher noch offen. Zwar liegen die Tories in Umfragen vorne, aber die Liberaldemokraten und auch Labour hatten zuletzt aufgeholt, so dass eine klare Mehrheit für eine Partei unwahrscheinlich ist. Brown kann sich immerhin mit einer Tatsache trösten: Er ist nicht der erste Politiker oder Prominente, dem ein vermeintlich abgeschaltetes Mikrofon zum Verhängnis geworden ist. Auch Tory- Premier John Major, US-Präsident Ronald Reagan und Prinz Charles sind schon in die Falle getappt.