Labour-Premier Gordon Brown muss sich erstmals einer Wahl stellen. In Meinungsumfragen liegen David Camerons Tories knapp vorn.

London. Nach einem 20-minütigem Treffen zwischen dem Staatsoberhaupt, der Queen und Ihrer Majestät Premierminister Gordon Brown war es gestern so weit: Die laufende Legislaturperiode des Parlaments in Westminster geht am 12. April zu Ende, und Brown konnte das "am wenigsten gut gehütete Geheimnis der letzten Jahre" bekannt geben - den Termin der Unterhauswahl am 6. Mai.

In der verbleibenden Woche werden die Parteien lediglich noch ausstehende Gesetzesvorhaben markieren, über die man sich einig ist. Das ist die sogenannte "Aufwasch-Woche", dann steht nur noch Wahlkampf auf dem Programm, in den die Anführer der drei Hauptparteien Labour, Konservative und Liberaldemokraten - Brown, David Cameron, Nick Clegg - gleich gestern abdampften.

Brown besuchte zusammen mit seiner Frau Sarah einen Supermarkt in der Grafschaft Kent und sprach dort mit den Mitarbeitern. Im Mittelpunkt des Wahlkampfs dürfte die Wirtschaftskrise stehen, die die Briten besonders hart getroffen hat. "Großbritannien ist auf dem Weg der Erholung, und wir dürfen diese Erholung auf keinen Fall riskieren", sagte Brown. Erst vor Kurzem war das Land aus der schwersten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg gekommen. "Es ist die wichtigste Wahl seit Generationen", erklärte Tory-Chef Cameron. "Ihr müsst Gordon Brown nicht fünf weitere Jahre ertragen." Es sei an der Zeit für "den Wandel und für einen Neustart".

Die Wahl steht diesmal unter einigen gänzlich neuen Vorzeichen. So werden sich zum ersten Mal überhaupt die genannten Parteichefs einer Serie von drei Fernsehdebatten unterziehen, und zwar jeweils an nachfolgenden Donnerstagen des laufenden Monats: dem 15., 22. und 29. April. Auch hat noch keiner von ihnen in eigener Verantwortung einen Wahlkampf angeführt, wobei Brown aufgrund seiner Unpopularität mit einem besonderen Handicap zu kämpfen hat: Die große Mehrheit unter den Kandidaten seiner eigenen Partei unterschlagen seinen Namen auf ihren örtlichen Wahlbroschüren, was eine kuriose Wiederholung der Situation von 2005 darstellt: Damals vermieden viele Labour-Abgeordnete den Namen Tony Blairs, aus Unmut über die umstrittene Invasion im Irak.

Vor Brown holte Tony Blair für Labour drei Wahlsiege in Folge - Brown selbst musste sich dem Votum der Wähler bisher nicht stellen, da er 2007 nach Blairs Rücktritt das Amt direkt übernommen hatte.

650 Unterhaussitze stehen zur Wahl; zur absoluten Mehrheit einer Partei über alle übrigen - wozu auch schottische und walisische Nationalisten, nordirische Unionisten und Unabhängige zählen - werden also 326 benötigt. Die letzten Umfragen sehen zwar die Tories vor Labour in der Führung, doch in schwankenden Bandbreiten von vier bis zehn Punkten.

Das könnte zu einem knappen Wahlausgang führen, möglicherweise zu einem Patt, nach dem keine Partei allein regieren kann und entweder als Minderheitsregierung toleriert werden oder eine Koalition einzugehen versuchen müsste. Eine solche Situation gab es zuletzt im Februar 1974, als Premierminister Edward Heath die absolute Mehrheit um vier Stimmen verpasste und eine Koalition mit den Liberalen anstrebte, die aber nicht zustande kam. Daraufhin kam Labour-Chef Harold Wilson zum Zuge, der aber bereits im Oktober des gleichen Jahres erneut wählen ließ, mit dem Resultat einer komfortableren Mehrheit für sich. Gegen eine zweite Wahl so kurz nach einem Patt könnte die Queen im Einklang mit ihren Rechten jedoch Einspruch erheben und die Parteien auffordern, auf einen Kompromiss auf der Basis geteilter Macht hinzuarbeiten. Sie darf sich dabei auf das "Lascelles-Prinzip" berufen, benannt nach Sir Alan Lascelles, dem Privatsekretär ihres Vaters, König Georgs VI., wonach eine Bitte um nochmalige Auflösung des Parlaments in kurzer Folge dann abgeschlagen werden kann, wenn dies "für die Wirtschaft des Landes schädlich" wäre. Ein sehr aktuelles Szenario, da die Märkte auf ein politisches Durcheinander nach dem 6. Mai äußerst negativ reagieren dürften.