Hamburg. Auch in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde wird die Technik eingesetzt. Dr. Hartmut Koch erklärt, wie der Eingriff abläuft.

Eingriffe mit einem Roboter? Ja, der technische Fortschritt hat längst auch die Krankenhäuser erreicht. Immer mehr Operateure setzen auf die Hilfe von „Dr. da Vinci“, wie das weltweit am häufigsten eingesetzte Modell heißt. Wurde der Roboter zunächst vor allem von den Bauchchirurgen und Urologen genutzt, operiert Dr. Hartmut Koch, Leitender Oberarzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Plastische Operationen und Allergologie an der Asklepios Klinik Altona, auch seit Herbst 2019 mit dem besonderen „Kollegen“.

Tumore lassen sich durch die Mundöffnung erreichen

„Der Vorteil ist, dass wir mit den feinen Instrumenten des Roboters Tumore im Kopf-Hals-Bereich jetzt über die Mundöffnung erreichen können – und zwar noch besser und präziser als mit der herkömmlichen Methode“, erklärt der Mediziner in einer neuen Folge der „Digitalen Sprechstunde“, dem Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios.

Operiert würden mit dieser Technik vor allem Patienten mit bösartigen Veränderungen im Mund-Rachen-Raum, also vornehmlich Patienten, bei denen durch starkes Rauchen und erhöhten Alkoholkonsum mit den Jahren Schlund- oder Mundhöhlenkrebs entstanden ist. Pro Woche hat der Leitende Oberarzt seit September des vergangenen Jahres einen dieser Eingriffe durchgeführt, sein Ziel sind rund 40 Operationen pro Jahr.

Der Operateur sitzt in einer Art Telefonzelle

Doch wie läuft so ein Eingriff genau ab? „Zunächst setzen wir dem Patienten eine sogenannte Mundsperre ein, um für uns den größtmöglichen Zugang zu erreichen“, so der Experte, der nach dem Zivildienst in einem Altenpflegeheim an der Universität Hamburg studiert hat. Der Roboter verfüge über vier Greifarme, von denen im Bereich der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde aber grundsätzlich nur drei zum Einsatz kämen. Diese drei Arme würden in Position gebracht, und man schaue, ob man den zu entfernenden Tumor damit auch wirklich gut erreiche.

„Dann ziehe ich mich als Operateur in eine Art Telefonzelle zurück“, so der zweifache Vater. „Über zwei Okulare sehe ich dann alles – und zwar in zehnfacher Vergrößerung in 3-D-Qualität. Dann stelle ich mir quasi die Geschwulst richtig ein und entferne sie.“ Eine gute Viertelstunde dauere die Vorbereitung, also die exakte Einstellung des da Vinci. Für die Entfernung des Tumors benötige er je nach Art und Lage zwischen anderthalb und zwei Stunden.

Roboter für Tumore am Kehlkopf nicht geeignet

Vor dem Eingriff kläre er den Patienten selbstverständlich ausführlich auf – auch darüber, dass mit einem Roboter operiert werde. „Erst sagen dann alle erstaunt: Wirklich, mit einem Roboter? Aber bisher hat kein Patient gesagt, dass er diese Technik ablehnt.“ Zu groß seien auch die Vorteile für die Patienten: Die Roboter-Eingriffe seien in der Regel blutungsärmer, und durch die winkelbaren Greifarme seien auch Geschwulste, die sich in tieferem Gewebe befänden, leichter zu entfernen. Ein Schnitt von außen sei zwar nicht immer zu vermeiden. „Aber wir müssen nicht den ganzen Hals öffnen, um den Schlund zu erreichen. Das bedeutet: Das, was wir Mediziner oft als Zugangstrauma bezeichnen, fällt für den Patienten geringer aus.“

Doch längst nicht bei jedem Tumor im Kopf-Hals-Bereich arbeite man mit dem da-Vinci-Roboter. „Für Tumore am Kehlkopf ist das nicht geeignet. Das ist wegen der Stimmbänder ein äußerst sensibler Bereich, die zwar feinen Instrumente des Roboters sind dafür noch zu grob.“ Grundsätzlich sei ihm ein Anliegen zu betonen, dass jetzt nicht jede Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde dringend einen der in Anschaffung und Wartung extrem teuren Roboter benötige. „Man kann auch mit der herkömmlichen Methode sehr erfolgreich operieren.“

In einer Schulung lernt der Arzt Umgang mit dem Roboter

Man habe Glück, dass es an der As­klepios Altona ein solches Gerät gebe, das sich Viszeralchirurgen, Urologen und HNO-Ärzte teilen. „Klar, die Nachfrage ist groß, der Vorlauf wird länger und länger. Künftig sollen auch die Gynäkologen mit dem Gerät arbeiten. Ich glaube, dann müssen wir knobeln“, sagt der Mediziner, dessen Schwester ebenfalls Ärztin ist und der sich für den Fachbereich der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde entschieden hat, weil er als kleiner Junge so oft an Mittelohrentzündungen litt. „Als Kind habe ich unfreiwillig schon so viel Zeit in der Abteilung verbracht. Das war wohl irgendwie prägend.“

Dass das Operieren mit dem Roboter für den Arzt weniger anstrengend sei, glaubt Dr. Hartmut Koch nicht. „Der Roboter tut ja nur, was wir ihm sagen. Aber natürlich ist es so, dass die Anspannung nach einer gewissen Lernkurve nachlässt.“ Um den da-Vinci-Roboter bedienen zu dürfen, müsse man zunächst ein strenges Schulungsprogramm durchlaufen. „Man macht Trockenübungen in einem Simulationsprogramm und lernt, wie man die Arme korrekt einstellt und bedient. Anschließend wird an einem Kadaver geübt.“ Auch die Assistenzärzte würden einbezogen. „Es gibt bei jeder OP einen sogenannten ersten Assistenten, der mein Mann am Patienten ist. Der Assistent saugt und nimmt Gewebe entgegen.“ Denn der Operateur selbst sitze ja in einigem Abstand zum Patienten. „Gefühlt sind wir aber natürlich bei jedem Eingriff trotzdem nah dran.“