Hamburg. Die Heilungschancen liegen bei bis zu 80 Prozent. Chefärztin spricht im Podcast über Risikofaktoren, wie etwa die Antibabypille.

Vor wenigen Wochen erst hat Manuela Schwesig, SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, öffentlich bekannt, dass die Diagnose Brustkrebs bei ihr „eine Riesenangst“ ausgelöst habe. Und die Politikerin ist damit nicht allein: Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 70.000 Frauen neu – damit ist Brustkrebs die mit Abstand häufigste Krebsart unter Frauen. Doch was ist die Ursache?

Für die Erkrankung an Brustkrebs gibt es mehrere Risikofaktoren

„Es ist ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren“, sagt Dr. Ursula Scholz, Chefärztin des Asklepios-Brustzentrums mit Hauptsitz in Barmbek, in einer neuen Folge der „Digitalen Sprechstunde“, dem Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Man wisse, dass unausgewogene Ernährung, zu wenig Bewegung, Rauchen und erhöhter Alkoholkonsum das Risiko einer Erkrankung steigerten. „Präventiv wäre es schon gut, es abends bei einem Glas Wein zu belassen. Mehr als 0,2 Liter sind nicht ratsam.“

Doch die renommierte Expertin, die sieben Jahre lang an der Medizinischen Hochschule Hannover geforscht und dort einst auch die chemotherapeutische Ambulanz mitaufgebaut hat, sagt auch: „Ich beschäftige mich seit 26 Jahren mit Brustkrebs. Und in dieser Zeit saßen viele Frauen vor mir, die sich immer gesund ernährt, nie geraucht, regelmäßig Sport getrieben haben und leider trotzdem erkrankt sind.“ Mittlerweile sei bestätigt, dass die Einnahme der Antibabypille über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren das Risiko erhöhe – ebenso wie Hormonsubstitutionen während der Wechseljahre. Frühe Menstruation und/oder späte Schwangerschaften spielten dagegen eine untergeordnete Rolle. „Man hat ja auch lange geglaubt, Stillen schütze vor Brustkrebs. Das ist nicht der Fall“, so die Chefärztin.

Leider gehe nur jede zweite Hamburgerin zum Screening

Eine erbliche Belastung, konkret: ein nachgewiesener Gen-Defekt, müsse natürlich unbedingt berücksichtigt werden. „Für Frauen mit einer solchen familiären Disposition gibt es intensivierte Früherkennungsprogramme.“ Doch der Medizinerin ist es wichtig, keine Panik zu schüren: „Auch wenn die Mutter erkrankt war, ist die Tochter nicht automatisch besonders gefährdet.“ Es komme immer darauf an, ob die Mutter beispielsweise die Erste in der Familie mit der Erkrankung sei und welche Form von Brustkrebs genau vorliege.

Grundsätzlich rät Dr. Ursula Scholz dazu, die jährliche Vorsorge beim Gynäkologen unbedingt wahrzunehmen und sich regelmäßig – immer kurz nach der Monatsblutung – selbst abzutasten. „Man sollte sich dafür Zeit nehmen und in Ruhe mit Zeige-, Mittel- und Ringfinger im Uhrzeigersinn von außen nach innen zu tasten. Erst mit minimalem Druck, in einer zweiten Runde dann etwas fester, um Veränderungen tief im Gewebe zu erspüren.“ Auch die Achselhöhlen sollte man beachten und die Lymphknoten kontrollieren. Frauen zwischen 50 und 69 Jahren – diese Altersspanne gilt als „Gipfel“ der Erkrankungen – werden zum Mammographie-Screening eingeladen. „Leider nimmt das in Hamburg trotz großer Werbung nur jede zweite Frau in Anspruch. Das ist schade. Denn gerade falls dabei Vorstufen, also Mikroverkalkungen, festgestellt werden, sind sie zu 100 Prozent heilbar.“

Scholz: „In 80 Prozent der Fälle wird brusterhaltend operiert“

Doch was sind die Symptome bei Brustkrebs? Neben Knoten seien Rötungen im Bereich der Brust ein Warnsignal. „Und wenn aus den Brustwarzen blutiges Sekret austritt, dann muss das dringend abgeklärt werden“, so die Ärztin, die von 2010 bis 2013 das Brustzentrum am UKE leitete und anschließend am Mammazentrum des Jerusalem Krankenhauses wirkte. Die Erkrankung könne – mit eben diesen Symptomen – auch Männer treffen. „Das kommt sehr selten vor, aber 2019 hatten wir sechs Fälle.“

Wie läuft die Therapie ab? „In 80 Prozent der Fälle wird brusterhaltend operiert“, so die Chefärztin. „Denn natürlich ist eine der ersten Fragen: Kann ich meine Brust behalten?“ Manchmal erlebe sie jedoch sogar Patientinnen, die darum bitten, beide Brüste zu entfernen, um den Krebs für immer los zu sein. „Allerdings haben Studien bewiesen, dass dieser Schritt nicht gleichbedeutend mit Heilung ist und auch keine Garantie dafür, dass der Krebs nie wiederkehrt. Brustkrebs ist eine systemische Erkrankung, das heißt, der ganze Körper muss behandelt werden.“

Heilungschancen liegen heute bei bis zu 80 Prozent

Häufig, insbesondere bei aggressivem Wachstum, werde der Operation eine 20- bis 24-wöchige Chemotherapie vorgeschaltet, um den Tumor zu verkleinern. Nach dem Eingriff und der Bestätigung der Pathologen, dass eine „Komplett-Remission“ vorliege, also alles entfernt werden konnte, folgt eine vier- bis sechswöchige Bestrahlung. Die Heilungschancen lägen heute bei bis zu 80 Prozent. Und in der Forschung tue sich weiterhin viel. „Ob wir Brustkrebs irgendwann ganz heilen können? Hoffentlich. Aber ich denke, wir können ihn zumindest weiter chronifizieren, so dass man die Situation für die Patientinnen über Jahre stabil hält.“

Die Digitale Sprechstunde

„Die digitale Sprechstunde“ ist die Gesundheits-Gesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Jede Woche erklärt ein Experte im Gespräch mit Vanessa Seifert ein Krankheitsbild und gibt Auskunft über Möglichkeiten der Therapie. Diese Folge und alle bisherigen Episoden hören Sie auf www.abendblatt.de/ digitale-sprechstunde/

In der nächsten Folge spricht Dr. Hartmut Koch, HNO-Oberarzt an der Asklepios Klinik Altona, über Eingriffe mit dem OP-Roboter bei Tumoren im Halsbereich.