Hamburg. Privatdozent Dr. Oliver Niggemeyer spricht im Podcast über den Eingriff, die richtige Reha und die Haltbarkeit künstlicher Gelenke.

Wenn der Verschleiß der Gelenke so weit fortgeschritten ist, dass Knochen auf Knochen reibt und der Schmerz unerträglich wird, dann entscheiden sich viele Betroffene für eine neue Hüfte. „Manche Patienten leiden auch nachts so stark, dass sie nicht mehr schlafen können“, sagt Privatdozent Dr. Oliver Niggemeyer in einer neuen Folge der „Digitalen Sprechstunde“, dem Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios. „Andere können keine Treppenstufen mehr hochsteigen oder kommen nicht mehr allein vom Stuhl hoch.“ Wenn der Alltag so enorm beeinträchtigt sei, könne ein künstliches Hüftgelenk die Lösung sein, so der Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie am Asklepios Westklinikum.

In der Regel seien die Patienten, denen ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt werde – allein 300.000-mal wird der Eingriff in Deutschland jedes Jahr vorgenommen – älter als 70 Jahre. „Das mag vor 20 Jahren noch anders gewesen sein, aber heutzutage haben ältere Menschen völlig zu Recht einen hohen Anspruch an die eigene Mobilität und sind aktiver als Generationen vor ihnen in dem Alter“, so der habilitierte Mediziner. Insofern gebe es, anders als beispielsweise in Großbritannien, hierzulande keine Altersbegrenzung. „In England würde einem 85-Jährigen kein neues Hüftgelenk eingesetzt. Bei uns ist das möglich. Es hängt weniger vom Alter als von der Konstitution des Einzelnen ab.“

Auch jüngere Menschen sind von Arthrose betroffen

Immer wieder seien auch deutlich jüngere Menschen betroffen, man denke nur an Tennislegende Boris Becker. „Extreme sportliche Belastung führt natürlich auch zu Verschleißerscheinungen“, so der Experte. Grundsätzlich verlaufe eine Arthrose, deren Ursache in etwa 50 Prozent der Fälle nicht erklärbar ist, in Schüben. „Es ist ein wellenhafter Verlauf mit Höhen und Tiefen. Da kann eine konservative Behandlung, zum Beispiel Physiotherapie, oft helfen.“ Eine dringende Indikation nach dem Motto „Wir müssen gleich morgen operieren“ liege so gut wie nie vor. „Wenn der Leidensdruck zu groß ist, dann kann der Patient entscheiden, wann der Eingriff vorgenommen werden soll – nächste Woche, nächsten Monat oder in drei Monaten.“

Zunächst werde die Operation, die im Schnitt rund eine Stunde dauert, auf Basis eines Röntgenbildes am Computer genau geplant. Bei dem Eingriff werde dann eine „Pfanne“ aus Metall in den Beckenknochen eingepresst, in die eine Innenschale auf Hartkunststoff oder Keramik eingesetzt werde. In den Oberschenkelknochen komme ein Kraftträger aus Metall, der sogenannte „Pfannenstiel“. Ob mit Zement oder ohne gearbeitet werde, hänge von der Knochenqualität des einzelnen Patienten ab. „Die Mehrheit wird mit zementfreien Hüftschäften versorgt“, so der Experte.

Der Gelenkersatz hält im Schnitt 15 Jahre

Wie lange halten die künstlichen Gelenke? „Natürlich altern auch die Implantate. Die einzelnen Komponenten produzieren Abrieb. Der ist zwar sehr gering, liegt bei weniger als 0,1 Millimetern pro Jahr, aber nach etwa 15 Jahren ist auch der Gelenkersatz austauschwürdig.“

Um sich optimal auf den Eingriff, der von den Krankenkassen übernommen wird und inklusive des etwa einwöchigen stationären Aufenthalts in der Klinik 7500 Euro kostet, vorzubereiten, empfiehlt der Orthopäde eine „Vor-Reha“, wie sie unter anderem die Asklepios Klinik in St. Georg anbietet. „Wer sich da schon mal drei bis vier Wochen Zeit nimmt, um beispielsweise das Gehen an Stöcken zu üben, tut sich nachher leichter.“ Die mindestens dreiwöchige Reha, die sich an den Eingriff anschließt, solle man am besten schon mit der OP planen. „Sonst ist der Platz in der Wunschklinik mit großer Sicherheit nicht mehr da.“

Ziel sei es, die Lebensqualität der Patienten wiederherzustellen und auch Sport wieder zu ermöglichen. „Wer vorher jahrelang Tennis gespielt hat oder Rad gefahren ist, der sollte das auch mit der neuen Hüfte tun können“, sagt der Chefarzt, der im Endoprothetik-Zentrum in Rissen natürlich auch Knie und Schultern operiert und selbst leidenschaftlicher Radsportler ist. Manchmal vermisse er in Hamburg die Berge. „Aber wie heißt es so schön: Der Wind, das sind die Berge des Nordens!“

In der nächsten Folge spricht Professor Dr. Claas-Hinrich Lammers, Ärztlicher Direktor der Psychiatrie an der Asklepios Klinik Nord, über "Winterblues" und Depressionen.