Linke stürmen ehemaliges Altonaer Finanzamt und kündigen weitere Aktionen an. Die Polizei erwartet ein arbeitsreiches Wochenende.

Hamburg. Bereits seit Tagen hatten Gerüchte kursiert: Im Vorfeld der rund um den Mai-Feiertag angemeldeten Demonstrationen für den Erhalt der Roten Flora werde ein Haus besetzt und zu einem selbst verwalteten Stadtteilzentrum umfunktioniert. Der Ort selbst solle "eine Überraschung" sein, hieß es auf Plakaten, die etwa in Bahrenfeld angeklebt worden waren.

Und die Überraschung blieb nicht aus, als sich am Ostersonnabend knapp 40 zumeist weibliche linke Aktivisten vor dem ehemaligen Altonaer Finanzamt an der Großen Bergstraße versammelten. Als sie die Türen aufbrachen, das fünfstöckige Haus kurzerhand besetzten und ein Plakat mit der Aufschrift "Autonomes Centrum Altona Bahnhof" aus den Fenstern hängten.

Damit traf es ausgerechnet ein Gebäude, das seit Jahren leer steht und von der Sprinkenhof AG verwaltet wird - einer Aktiengesellschaft in städtischer Hand, die sich um "die Bewirtschaftung aller staatseigenen bebauten und überwiegend gewerblich genutzten Mietobjekte" kümmert, wie es auf der Internetseite des Unternehmens heißt.

Eine Pressemitteilung der Besetzer, unter denen auch Aktivisten der Initiative "Recht auf Stadt" gewesen sein sollen, folgte prompt: Hintergrund der Aktion sei der weit verbreitete Leerstand und die zunehmende Verdrängung von Anwohnern aus ihren Stadtteilen. In Zeiten, in denen unter anderem die Rote Flora von Räumung bedroht sei, gelte es, autonome Projekte zu erkämpfen und zu verteidigen, heißt es in dem verfasserlosen Schreiben. Das ehemalige Finanzamt diene der Stadt vor dem Hintergrund des kommenden Ikea-Kaufhauses und der daraus folgenden Immobilienwertsteigerung als Spekulationsobjekt.

Die Besetzung, von knapp 250 Sympathisanten vor dem Haus bejubelt, blieb nicht lange unbemerkt. Bereits gegen 17.30 Uhr bezogen Polizisten Stellung an der Großen Bergstraße. Gegen Mitternacht dann, die Sprinkenhof AG hatte längst Strafantrag gestellt, räumten die knapp 200 Beamten den Platz vor dem Haus, entfernten die Blockaden, durchsuchten alle Stockwerke und kontrollierten die zumeist maskierten Besetzer. Bis auf vereinzelte Flaschenwürfe blieb es friedlich. Eine Person wurde festgenommen, die ihre Sitzblockade im Haus nicht beenden wollte und herausgetragen werden musste.

Im Internet sind weitere spontane Aktionen der Stadtteilaktivisten angekündigt. Zudem werden am kommenden Sonnabend Anhänger der Roten Flora gegen einen möglichen Verkauf des besetzten Gebäudes am Schulterblatt sowie den Erhalt eines Bauwagenplatzes in Wilhelmsburg demonstrieren. 1900 Teilnehmer sind in der Walpurgisnacht angemeldet. Ab 15 Uhr wollen sie von der Roten Flora über St. Pauli zur Neuen Großen Bergstraße an die Ikea-Baustelle ziehen.

Offiziell prüft die Polizei noch, ob die Gegendemonstration zum NPD-Aufmarsch in Bremen möglicherweise Teilnehmer aus dem linken Spektrum abhält, in Hamburg zu demonstrieren. Intern ist allerdings klar, dass sich die Akteure "nicht weglocken" lassen. Dafür sei die Rote Flora ein "viel zu wichtiges Symbol für die linksextremistische Szene". Im Zweifel würden die Teilnehmer nach der Bremer Demonstration, die bereits um elf Uhr beginnt, wieder nach Hamburg zurückkehren.

Tagsüber werden keine Gewalttaten erwartet. Allerdings müsse "im Anschluss der Demonstrationen im Schanzenviertel mit Ausschreitungen gerechnet werden", so der Staatsschutz. Zur Kundgebung am 1. Mai sind 1000 Demonstranten angemeldet. Polizeiintern wird eine Zahl von mehr als doppelt so viel für möglich gehalten. Sie treffen sich um 17.30 Uhr an der Max-Brauer-Allee/Ecke Große Bergstraße. Ab 19 Uhr geht es in Richtung Schanzenviertel. Gegen 21 Uhr soll es zu einer Abschlusskundgebung in Höhe Kleiner Schäferkamp/Beim Schlump kommen.

Noch gibt die Polizei keine Lageeinschätzung ab. DPolG-Chef Joachim Lenders dagegen erwartet bereits jetzt ein arbeitsreiches Wochenende. "Wir bereiten uns auf einen personalintensiven Einsatz mit möglichen Ausschreitungen vor."

Bereits jetzt ist klar, dass die Polizei mit 1500 Beamten ein zu kleines Kräfteaufgebot haben wird. Der Hansestadt wurde signalisiert, dass sie nicht mit Unterstützung anderer Länderpolizeien rechnen kann.