CDU-Fraktion ist empört. Umweltsenatorin Anja Hajduk hatte das Papier gegen längere Laufzeiten ohne Rücksprache unterschrieben.

Hamburg. Die Diskussion um Atomkraft und längere Laufzeiten für Kernkraftwerke spaltet die schwarz-grüne Koalition. Kern des politischen Anstoßes ist die Unterschrift von Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL) unter ein Zehn-Punkte-Papier zur Energiepolitik. Das hatte Hajduk am Freitag gemeinsam mit den Umweltsenatoren und -ministern aus Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen unterschrieben (wir berichteten). Dies tat sie, ohne vorher mit der CDU-Fraktion oder den Senatskollegen zu sprechen.

Mit dieser Vorgehensweise hat sie sich beim Koalitionspartner keine Freunde gemacht. Viele CDU-Fraktionsmitglieder sind schlichtweg sauer, dass sie aus der Zeitung von Hajduks öffentlichem Bekenntnis erfahren haben. Im Gespräch mit dem Abendblatt fallen Worte wie "politischer Affront". Schließlich wisse die GAL genau, dass die CDU beim Thema Atomkraft eine komplett andere Meinung vertrete. "Es ist schade, dass Frau Hajduk einen politischen Freund so brüskiert", heißt es. Die Auffassung in der Fraktion: Wenn die Senatorin ein offizielles Papier unterschreibt, eine offizielle Willenserklärung, müsse dies mit dem Koalitionspartner abgestimmt werden.

Das sei nicht notwendig, weil Hajduk die Unterschrift nicht für Hamburg gegeben habe, heißt es hingegen aus der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU). Auch Hajduk selbst betonte gestern noch einmal, sie habe als "Fachsenatorin" unterschrieben. Nur für eine Entscheidung für Hamburg bräuchte es eine Senatsabsprache. Die CDU-Fraktionsspitze wollte sich zu dem bisher noch nicht öffentlich ausgetragenen Disput nicht äußern.

Dafür der ehemalige umweltpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Heiko Hecht. Der fordert, die "Sachfrage von der politischen Kernfrage zu trennen" und weniger aufgeregt zu diskutieren. In der Fraktion sehe man es vielmehr "kritisch, dass von der GAL mit dem Thema Atomkraft regelmäßig die gleiche Sau durchs Dorf getrieben" werde, so Hecht. Die Frage nach einer sicheren und wirtschaftlichen Energieversorgung sei vor allem für einen Industriestandort wie Hamburg, mit energieintensiven Unternehmen wie Airbus, den Stahlwerken oder der Kupferhütte, sehr wichtig. Zudem habe es in der vergangenen Woche eine ausführliche Bürgerschaftsdebatte und einen gemeinsamen Beschluss der Koalition zum Thema gegeben.

Auf den verweist auch GAL-Fraktionschef Jens Kerstan, der die Aufregung des Koalitionspartners nicht ganz nachvollziehen kann: "Jeder weiß, dass wir und die CDU beim Thema Atomkraft keine übereinstimmende Meinung haben. Sollte es im Bundesrat zu einer Abstimmung über längere Laufzeiten kommen, wird Hamburg sich enthalten."

Gemäß Beschluss werde sich die Koalition gemeinsam dafür einsetzen, dass es für die Siedewasserreaktoren der Baureihe 69 keine Verlängerung gebe. Dazu gehören auch Krümmel, Brunsbüttel sowie Philippsburg-1 und Isar-1. Kerstan betonte aber noch einmal: "Wir Grüne lehnen jede Laufzeitverlängerung ab." Eine Position, die auch die SPD und die Linke-Fraktion vertreten. Fachsprecherin Monika Schaal (SPD) hält eine Laufzeitverlängerung für "unnötig und schädlich". Eine solche Verlängerung mache den Strom nicht billiger - sie behindere lediglich den "dringend nötigen Ausbau der erneuerbaren Energien".

Aus Sicht der Linken-Fraktionsvorsitzenden Dora Heyenn ist bei der Laufzeitverlängerung bundesweit ein "absurder Bieterwettbewerb" ausgebrochen. Die Höchstgebote reichten bis zu 28 Jahren oder sogar unbegrenzten Laufzeiten. "Und Hamburg schweigt zu diesem gruseligen, bundesweiten Atompoker", so Heyenn. Nicht ganz. Das Papier, das Senatorin Hajduk mit unterschrieben hat, fordert für den Fall, dass die Bundesregierung über die Laufzeitverlängerung ohne den Bundesrat entscheidet, die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts . Wollte Hamburg diesen Weg mitgehen, wäre spätestens dafür eine Entscheidung des gesamten Senats notwendig.