Interview mit dem früheren Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins und Ex-Chef bei Aurubis über die Zukunft des Hamburger Hafens.

Harburg. Wirtschaftssenator Frank Horch weilt in St. Petersburg und referiert über Hafenentwicklung - der ehemalige Schleswig-Holsteinische Wirtschaftsminister und Ex-Chef der Norddeutschen Affinerie, heute Aurubis, Werner Marnette, war zu Gast beim Wirtschaftsverein im Hamburger Süden und hielt einen Vortrag über die Hafenentwicklung. Im früheren Palmspeicher, nun das "Schwerelos und zeitlos". Dazu hatten sich 100 Gäste eingefunden. Es geht Marnette im Wesentlichen um die Zukunft des Containerumschlags im Hafen, des wirtschaftlichen Herzstücks der Hansestadt. Das sieht er gefährdet, wenn die Politik nicht handelt. Mit der Regionalausgabe Harburg des Abendblatts sprach Marnette über Handlungsoptionen.

Hamburger Abendblatt: Herr Marnette, das Verkehrskonzept Süd, auf das man im Hamburger Süden schon jahrelang wartet, ist schon wieder auf Eis gelegt worden. In Sachen Hafenquerspange wird ebenfalls nichts unternommen, weil das Geld fehlt. Was sind die Konsequenzen?

Werner Marnette: Wir alle haben unter den Folgen Tag für Tag zu leiden. Heute Abend habe ich von Hollenstedt bis in den Binnenhafen anderthalb Stunden gebraucht, weil sich der Verkehr mal wieder gestaut hat. Für Wirtschaftsunternehmen, die mit ihren Speditionen auf Lieferungen just in time angewiesen sind, ist die mangelnde Infrastruktur eine Katastrophe. Dabei ist der Hafen das Herzstück der Region - und befindet sich seit Jahren im Investitionsstau. In dem Moment, in dem im Hafen noch mehr Güter umgeschlagen werden - was alles andere als abwegig ist - wird es hier im Süden zum Verkehrskollaps kommen.

Die veraltete Hafenbahn benötigt etwa eine Milliarde Euro, um à jour zu sein. Es ist absurd, andere Ballungszentren befassen sich längst mit Konzepten, wie der Lkw-Verkehr aus der Stadt herausgeleitet wird. Auch hier brauchen wir schnellere und planbare Verbindungen aus der Stadt. Ich erwarte von Bürgermeister Olaf Scholz schnelles Handeln.

Vor dem Hintergrund leerer Haushaltskassen und dem Zögern des Bundes, im Norden in Infrastrukturmaßnahmen zu investieren, erscheint Politik hilflos, oder?

Die Situation erfordert eine gemeinsame Innovationsoffensive von Staat und Wirtschaft. Man darf nicht mehr so kleinteilig denken. Weshalb kein norddeutsches Gesamtverkehrskonzept aufstellen und auch in anderen Bereichen an einem Strang ziehen? Denn bislang weist der Norden ein unterdurchschnittliches Bildungs- und Wissenschaftsniveau sowie eine geringe Innovationskraft auf. Der Wachstumsdruck ist also sehr hoch.

Auch in diesen Punkten stellt sich die Finanzierungsfrage.

Stimmt, es fließen wesentlich mehr Gelder vom Bund in den Süden. Die haben allerdings auch ein Finanzverteilungskonzept. So lassen sich wichtige Projekte für die Regionen besser koordinieren. Das fehlt uns hier.

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Kommen wir noch mal zur Verkehrssituation im Süden zurück. Sie haben da eine Idee, um die Situation zu entspannen. Eine Art Container-Untergrund-Beförderungssystem, mit dessen Hilfe der Verkehr drastisch entlastet werden könnte. Das klingt allerdings wie Science Fiktion.

Oh nein, für bevölkerungsreiche Städte wie unter anderem Bangkok und Shanghai, in denen der Fahrzeugverkehr schon fast kollabiert ist, existieren schon entsprechende Pläne. Für den Hamburger Süden würde ein Tunnelsystem, in dem die Container aus dem Hafen direkt zu einem Transportknoten nach Maschen befördert werden, viele Probleme auf einen Schlag lösen. Sie müssen sich das als großes Rohrpost-System vorstellen. Die Container werden auf etwa 21 Meter lange Elektrocarrier geladen und dann geht es los. Man rechnet für eine Strecke vom Hafen nach Maschen, also 22 Kilometer, 37 Minuten. Das ist unschlagbar schnell und gleichzeitig umweltfreundlich. Die Lärm- und Abgasemissionen durch den Lkw- und Güterverkehr, unter denen viele Harburger leiden, würden weniger werden, da sich der Transport unterirdisch abspielt.

Klingt interessant. Und vor allem, es klingt teuer.

Ja, das kostet etwas. Ich rechne mit etwa 1,7 Milliarden Euro. Das unterirdische Konzept ist wahrscheinlich sogar sehr wirtschaftlich und kann, wenn man auf das Engagement der wirtschaft setzt, privat finanziert werden, man braucht kein Geld vom Staat. Ich kenne meine Kritiker. Die kommen mir immer damit, dass Hamburg sich ja schon mit der Elbphilharmonie vergaloppiert hat. So eine Pleite würde mir aber niemals passieren.

Sie setzen für die wirtschaftliche Zukunft auf eine Kooperation der norddeutschen Bundesländer. Haben Sie noch guten Kontakt zu Peter Harry Carstensen?

Ja, ich treffe ihn ab und zu. Er ist halt ein Volkstribun und tut sich mit Wirtschaftsthemen recht schwer. Ansonsten muss ich als CDU-Mann leider sage, dass ich befürchte, dass Schleswig-Holsteins SPD bei den Wahlen das Rennen machen wird - weil die Christdemokraten eine schlechte, wenig vorausschauende Politik gemacht haben. SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig hat bewiesen, dass er mit Sachverstand an Themen herangeht. Ich traue ihm viel zu.

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