Der Senat will Staus, Lärm und Unfallgefahren vorerst nur mit Einzelmaßnahmen begegnen. Für Gesamtkonzept fehlt Personal.

Hamburg. Die Hamburger und die Pendler stehen fast täglich im Stau , Busse des öffentlichen Nahverkehrs platzen aus allen Nähten, der Lastenverkehr im Hafen nimmt stetig zu. Und die Metropole soll weiter wachsen. Will die Stadt einen Verkehrskollaps vermeiden, muss sich der Senat Gedanken über die Zukunft und die Entwicklung des Verkehrs machen. Eine systematische Verkehrsentwicklungsplanung gab es zuletzt im Jahr 2000. Und obwohl Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im Wahlkampf eine neue Planung angekündigt hatte, wird es - zumindest bis zur nächsten Wahl - keine Neuauflage geben. Das bestätigte Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhoff dem Abendblatt.

Dies teilte er sinngemäß auch den Abgeordneten im Verkehrsausschuss der Bürgerschaft mit. Lediglich einen sogenannten Maßnahmenkatalog, den es zuletzt 2004 gab, könne die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation noch in dieser Legislaturperiode vorlegen.

Anlass für die GAL-Fraktion, per Antrag eine "aktualisierte Verkehrsentwicklungsplanung" zu fordern. Diese würde "alle wesentlichen Verkehrswege und Planungen in ihrer Gesamtheit betrachten und Lösungen aufzeigen". Till Steffen, verkehrspolitischer Sprecher der GAL wirft dem Senat "Kurzsichtigkeit" vor. "Es wird zunehmend Kapazitätsprobleme geben. Der Verkehr nimmt zu, die Nutzerzahlen im öffentlichen Nahverkehr steigen. Es wird mehr Staus, mehr Lärm und mehr Unfälle geben. Hamburg muss sich dieser Situation stellen", sagt Steffen. Seine Vermutung: Wenn klare Zahlen, Analysen und Prognosen in einer Verkehrsentwicklungsplanung vorlägen, "müsste der Senat eingestehen, dass grundlegende Veränderungen im Hamburger Verkehr notwendig sind". Und genau die wolle die SPD vermeiden.

+++ Autofahrer genervt - Kein Ende der Staus in Sicht +++

+++ Mehr Sonderspuren für Busse gefordert +++

+++ Bilanz: längster Stau zwischen Hamburg und Flensburg +++

Vorwürfe, die Martina Koeppen, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, von sich weist. Dennoch hat auch die SPD-Bürgerschaftsfraktion einen Antrag gestellt mit dem Titel: "Hamburg braucht eine aktualisierte Verkehrsentwicklungsplanung". Darin fordern die SPD-Abgeordneten den SPD-Senat auf, "einen abgestimmten Maßnahmeplan (Verkehrskonzept) bis zum 31.12.2012 vorzulegen und darauf aufbauend mittelfristig einen umfassenden Verkehrsentwicklungsplan aufzustellen". Wegen "mangelnder Aktualität und Wirklichkeitsorientierung" könnten die Pläne aus den Jahren 2000 und 2004 weder als "Arbeits- noch als Entscheidungsgrundlage" dienen. Das Parlament hat diesen Antrag in seiner jüngsten Sitzung beschlossen.

Für Staatsrat Rieckhoff sind Fragen nach Verkehrsplanung, Verkehrskonzept und einem Maßnahmenkatalog "Wortklauberei". Denn natürlich gebe es Datengrundlagen. So werde derzeit unter anderem an einem Verkehrsmanagement für die Stadt gearbeitet und ein Betriebskonzept für die Hafenbahn erstellt. Diese Einzelplanungen und Konzepte werden aber zurzeit nicht zu einem großen Ganzen zusammengefügt.

"Die zentrale Herausforderung ist nicht der innerstädtische Verkehr, sondern die Güterverkehre stadtverträglich aus dem Hafen zu bekommen", sagte Rieckhoff dem Abendblatt. Deshalb seien die überregionalen und die Güterverkehre auf der einen Seite und der öffentliche Nahverkehr auf der anderen Seite die verkehrlichen Prioritäten des Senats.

Für eine komplette Verkehrsentwicklungsplanung, die nach Behördenangaben einige Millionen Euro kosten würde, sind laut Rieckhoff 30 Mitarbeiter notwendig. Das passt aber mit den Planungen des Bürgermeisters, Personal zu reduzieren, nicht zusammen. "Sinnvoll und wünschenswert wäre eine solche Planung", sagt auch Rieckhoff. Die Priorität des Senats liege derzeit aber woanders. "Unser grundlegendes Interesse liegt zurzeit daran, mit den norddeutschen Ländern an einem Strang zu ziehen und die Verkehre zu steuern. Und die gehen im Wesentlichen nach Süden." Auch deshalb ist Rieckhoff ein Verkehrskonzept für den Süderelbe-Raum wichtig, das der Verkehrsausschuss der Bürgerschaft in dieser Woche beraten hat. Am 22. Oktober gibt es dazu eine Expertenbefragung.

Klaus-Peter Hesse (CDU) unterstützt zwar grundsätzlich die Forderung nach einer Verkehrsplanung, weiß aber auch, warum die schwarz-grüne Regierung dieses nicht angefasst hat. "Es war uns wichtiger, die Kapazitäten in die Planung konkreter Projekte, wie den A-7-Deckel oder die Wilhelmsburger Reichsstraße, zu stecken", sagte er. Nicht ohne Erfolg: Für die Reichsstraße hat der Bund jetzt seine Finanzierungszusage gegeben.