Wirtschaftssenator Horch entwickelt Ideen, mit denen auch die Köhlbrandbrücke entlastet würde. Es gibt sogar schon konkrete Umsetzungspläne.

Hamburg. Seit Jahren klagen Spediteure und Terminalbetreiber über Verkehrsprobleme im Hafen. Jetzt überraschte Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) die versammelte Hafenwirtschaft mit revolutionären Ideen für das Jahr 2025. "Umfuhren für Container im Hafen könnten künftig per Seilbahn oder durch ein Tunnelsystem erfolgen", sagte Horch vor dem hochkarätigen Managerkreis, dem er damit seine Vision für den künftigen Containertransport präsentierte. Im nächsten Jahrzehnt müssen nach den aktuellen Prognosen 25 Millionen Container bewältigt werden, immerhin mehr als dreimal so viele wie im vergangenen Jahr.

Horch macht mit seinem Vorstoß deutlich, wo die Probleme im Hafen liegen - auch wenn die neuen Varianten vorerst nicht für die Gespräche über den Hafenentwicklungsplan vorgesehen sind. In dem stadtnahen Areal fassen die Straßen schon heute kaum mehr die Lkw, die die Container zu den Terminals der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und Eurogate transportieren. Dazu kommt die Belastung durch CO2, die durch neue Transportsysteme begrenzt werden könnte.

Schon jetzt ist der Druck zum Ausbau der Infrastruktur im Hamburger Hafen hoch. Das zeigen neue Erkenntnisse der Hamburg Port Authority (HPA) an der Köhlbrandbrücke. Dort hat die Hafenverwaltung im April unter dem Titel "Weigh in motion" auf beiden Fahrbahnen in den Boden integrierte Waagen in Betrieb genommen. Sie messen die Zahl der Fahrzeuge und deren jeweiliges Gewicht. Damit bekommt die HPA erstmals präzise und aktuelle Daten über die Belastungen auf der wichtigsten Hamburger Hafenbrücke.

So rollten von April bis Juni insgesamt 13 Millionen Tonnen Gewicht über die Brücke. "Der Schwerlastverkehr ist mit gut 40 Prozent etwas höher als wir erwartet haben", sagt HPA-Sprecherin Karin Lengenfelder. "Und die Lastwagen wiegen mehr als bisher angenommen wurde. Das heißt aber nicht, dass die Lkw unzulässigerweise überladen sind, sondern wir mehr Schwertransporte haben als gedacht."

Konsequenzen für die künftige Nutzung der Brücke hat die Stadt anhand der neuen Zahlen noch nicht gezogen. "Wir wollen erst einmal ein Jahr lang Daten erheben, bevor wir Rückschlüsse auf die Lebensdauer der Brücke und auf die Wartungsintervalle ziehen", sagt Lengenfelder. "Die Situation mit der Baustelle ist obendrein untypisch für den Verkehrsfluss auf der Brücke." Derzeit wird die Köhlbrandbrücke auf den Fahrbahnen und im Brückenkörper an mehreren Stellen renoviert.

Klar ist aber, dass die Belastung der Brücke weiterhin kontinuierlich wachsen wird, solange zwischen dem Ost- und dem Westteil des Hafens keine entlastenden Verkehrswege erschlossen sind. Das könnte auch zum vorzeitigen Verschleiß des 1974 eingeweihten Hamburger Wahrzeichens führen, das nach bisherigen Erkenntnissen um das Jahr 2030 herum ersetzt werden müsste.

Entlastung für das prägnante Bauwerk über den Köhlbrand könnten nun Tunnel für den Containertransport bringen. Und diese sieht der ehemalige Topmanager Werner Marnette, der über Jahre hinweg die Hamburger Kupferhütte Aurubis führte, im Gegensatz zu Horch nicht als Vision. Schon in sechs bis sieben Jahren könnte nach den Planungen seiner Unternehmensberatung Marnette Consulting ein 75 Kilometer langes System entstehen, über das Container von allen Hafenterminals bis vor die Stadt transportiert werden sollen. Als Endpunkte sind Terminals in Maschen und Rade geplant, die direkt an Gleise und Autobahnen angebunden sind. "Nachdem Senator Horch über diese Möglichkeit gesprochen hat, haben wir uns entschlossen, unsere Planungen vorzustellen", sagte Marnette-Mitarbeiter Thomas Böwer dem Abendblatt. Böwer saß noch bis Ende Februar als SPD-Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft. Demnächst soll er mit Marnette dem Wirtschaftssenator die schon weit ausgefeilten Pläne vorstellen. "Wir werden einen Termin verabreden", sagte die Sprecherin der Wirtschaftsbehörde, Susanne Meinecke dem Abendblatt.

Das auf 1,6 Milliarden Euro veranschlagte Projekt will Marnette jedoch nicht der Stadt antragen. Vielmehr ist vorgesehen, unter dem Namen Container & Underground Hamburg eine Projektgesellschaft zu gründen und den Bau der Tunnel privat zu finanzieren. Die Investoren sollen dann für den Containertransport auf den elektronisch gesteuerten, bis zu 36 km/h schnellen Waggons eine Gebühr nehmen. "Wir gehen davon aus, dass Hafenfirmen das System betreiben würden", sagte Böwer. Darüber, sowie mit möglichen Investoren, gebe es bereits Gespräche. Künftig soll zudem ein Tunnelexperte aus Österreich die Initiatoren beraten.

"Die gewachsene Infrastruktur kann in Ballungszentren den ökologischen Anforderungen nicht gerecht werden, die Straßen haben in Hamburg und dem direkten Umfeld ihre Leistungsgrenzen erreicht und bei der Schiene besteht Sanierungsbedarf", begründen Marnette und Böwer ihr Konzept. Als Antwort darauf würden die Tunnel die Wettbewerbsfähigkeit des Hafens erhöhen, weil Tausende Boxen rascher und planmäßiger abgefertigt werden könnten. Dazu würden bis zu zwei Milliarden Euro für die Infrastruktur und zwei Millionen Lkw-Fahrten pro Jahr eingespart. "Von dem Projekt würden sowohl die Hamburger als auch Terminals, Reeder und Logistikfirmen profitieren", so Böwer.

Ihren Ursprung hat die Idee für die neue Transportvariante dabei in China. Sie kam Marnette, als er für einen Schweizer Investor ein Projekt im Hafen von Shanghai vorbereitete. Dabei ging es um den unterirdischen Transport von Paletten. Dem bekennenden Lokalpatrioten Marnette war dann rasch klar: "Dieses System ist auch etwas für Hamburg."