700 Menschen kamen am Sonnabend zu einer Gedenkfeier für die Opfer des schweren Unfalls in Eppendorf. Das Ereignis zu vergessen, wird schwer.

Hamburg. Für 20 Minuten stand auf der Kreuzung Eppendorfer Baum/Lehmweg alles still. Etwa 700 Hamburger waren am Sonnabend zu der Gedenkfeier an den Ort gekommen, an dem zwei Wochen zuvor vier Menschen bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Wegen des großen Andrangs sperrte die Polizei den gesamten Kreuzungsbereich. Zu Beginn der Feier war nur das Läuten der nahe gelegenen Kirchen und manchmal ein entferntes Hupen zu hören. Dann spielte ein Posaunenchor.

"Die Lücken, die Menschen hinterlassen, spüren wir ja immer erst, wenn sie nicht mehr da sind", sagte Bezirksamtsleiter Wolfgang Kopitzsch (SPD) in seiner Ansprache. Der ganze Stadtteil sei tief getroffen. Dann würdigte er jeden der Verstorbenen einzeln.

Der Soziologe Günter Amendt sei fest in Eppendorf verwurzelt gewesen, wohnte hier bereits seit 1973. "Er hat Bob Dylan lange Zeit begleitet. Es ist sehr traurig, dass er das Konzert des Musikers im Sommer in Hamburg nun nicht mehr miterleben kann." Sibylle Mues bezeichnete Kopitzsch als hervorragende Pädagogin. Viele ihrer ehemaligen Schüler waren anwesend und trauerten um ihre geliebte Grundschullehrerin. "Ihr Mann, Dietmar Mues, wurde mit seiner geradlinigen Persönlichkeit hier sehr geschätzt", sagt Kopitzsch über den Schauspieler. Auch Angela K., das vierte Todesopfer, werde fehlen.

Propst Johann Hinrich Claussen sah die Gedenkfeier als Chance, um "gemeinsam etwas Ruhe zu finden". Seine Gedanken richteten sich an alle Betroffenen - auch an die Angehörigen der Toten, die Rettungskräfte, die Augenzeugen. "Viele sind heute bewusst nicht gekommen, sind aber in Gedanken bei uns." So habe das Ehepaar Striebeck, das in den Unfall verwickelt war und verletzt wurde, ihn angerufen. "Ich soll Ihnen allen ausrichten, wie dankbar die beiden für Ihre Anteilnahme sind", sagte Claussen.

Die Eppendorfer - aber auch viele Hamburger aus anderen Stadtteilen - werden dieses einschneidende Erlebnis noch lange in den Köpfen und Herzen mit sich tragen. Doch die Trauer wird allmählich von Tatendrang überlagert. Die Menschen suchen nach einem Mittel gegen das Gefühl der Machtlosigkeit.

"Ich weiß nicht, ob ich Erfolg haben werde, aber ich muss es einfach versuchen", sagte Martina John, 41. Seit Donnerstag sammelt die Eppendorferin Unterschriften für eine Verkehrsberuhigung rund um die Kreuzung. "Am besten einen Kreisverkehr", sagte sie. Deswegen nennt sich ihre Bürgerinitiative auch "Eppendorfer Kreisverkehr". Die Listen liegen auch in einigen Geschäften rund um die Unfallkreuzung aus.

Marie Schülert sammelt ebenfalls Unterschriften. "Wir fordern eine härtere Bestrafung für Verkehrssünder und mehr Kontrollen an der Kreuzung", sagte sie. Ständig würden hier Verkehrsregeln missachtet. Der Unfall sei nur der traurige Höhepunkt gewesen. "Meine größte Sorge ist, dass der Unfallverursacher mit einer Bewährungsstrafe davonkommt." 50 Personen haben schon unterschrieben. "Irgendetwas müssen wir doch tun."

Auch offizielle Stellen beobachten in der Bevölkerung den Drang zu reagieren. "Wir haben wahrgenommen, dass es bei vielen hier ein großes Bedürfnis gab, der Opfer noch einmal in würdiger Form zu gedenken", sagte Bezirksamtsleiter Wolfgang Kopitzsch. Deswegen habe er gemeinsam mit dem Bürgerverein, dem Kulturhaus und der Kirche des Viertels diese Veranstaltung organisiert.

Kopitzschs tief betroffener Ausdruck während seiner Ansprache zeigte, dass auch ihm der Umgang mit dem Unglück schwerfiel. "Ich habe versucht, meine persönliche Wahrnehmung in Worte zu fassen", sagte er. Nicht nur als Bezirksleiter, sondern auch als Privatperson. Einige der Getöteten kannte er persönlich. "Auch mir fällt es schwer, hier täglich vorbeizukommen."

Wird Eppendorf jemals über diesen Vorfall hinwegkommen? "Niemals, solche Dinge sind über Jahrzehnte hinweg prägend", sagte Kopitzsch. Deswegen wird im Regionalausschuss auch bald darüber entschieden, wie eine bleibende Erinnerung wie etwa ein Mahnmal geschaffen werden kann. "Das wäre ein wichtiger Bezugspunkt im Viertel." Denn bei aller Tragik, einen Hoffnung bringenden Aspekt habe das Unglück doch. "Ich bin beeindruckt von der Anteilnahme der Menschen", sagte Kopitzsch. Rentner, Kinder, junge Familien und Studenten - alle standen sie Seite an Seite im Gedenken an alle direkten und indirekten Opfer des Unfalls, der von nun an ein Teil der Viertels ist.