Das Hamburger Abendblatt dokumentiert: Auch nach der Tragödie von Eppendorf mit vier Toten werden Verkehrsregeln hier immer wieder missachtet.

Eppendorf. Noch immer wirkt der schreckliche Unfall an der Kreuzung Eppendorfer Baum/Lehmweg, bei dem am Sonnabend vier Menschen ums Leben gekommen sind, in den Herzen und Köpfen der Menschen nach. Aber nicht alle hat das tragische Ereignis überrascht. "Es war nur eine Frage der Zeit, bis hier einmal ein schwerer Unfall passiert", sagt Anwohner Michael Koglin, 55. Oft genug gebe es an der Kreuzung leichtere oder Beinahe-Unfälle. Auch umgefahrene Straßenschilder und Werbetafeln kämen überverhältnismäßig häufig vor. "Die Kreuzung ist äußerst gefährlich."

+++ Opfer Striebeck: In Gedanken bei dem Unfallverursacher +++

Alexander S., der Verursacher des jüngsten Unfalls hier, soll unter Drogeneinfluss gefahren sein. Eine derzeit oft verwendete Erklärung, warum er mit hohem Tempo eine rote Ampel missachtet hat. Aber auch an einem ganz normalen Tag wie gestern ist dies keine Seltenheit an dieser Kreuzung, wie eine einstündige Beobachtung durch das Hamburger Abendblatt zeigt:

12.10 Uhr: Ein aus Richtung Eppendorfer Baum kommender schwarzer BMW Mini biegt trotz Verbots nach links in den Lehmweg ab.

12.11 Uhr: Ein die Lenhartzstraße entlangkommendes Taxi überquert die Kreuzung trotz roter Ampel.

12.14 Uhr: Ebenso ein schwarzer Audi.

12.16 Uhr: Ein Geländewagen biegt trotz roter Ampel vom Lehmweg in den Eppendorfer Weg ab.

12.21 Uhr: Ebenso ein schwarzer BMW.

12.26 Uhr: Ein die Lenhartzstraße entlangkommender Jaguar überquert die Kreuzung trotz roter Ampel.

12.27 Uhr: Ein Radfahrer überquert trotz roter Ampel die Eppendorfer Landstraße, ein abbiegender BMW Mini aus Richtung Eppendorfer Baum muss deshalb stark bremsen.

12.30 Uhr: Ein roter Beetle biegt vom Lehmweg kommend trotz Verbots nach rechts in Richtung Eppendorfer Baum ab.

12.36 Uhr: Ebenso ein Lieferwagen.

12.39 Uhr: Ein Fußgänger überquert trotz roter Ampel die Eppendorfer Landstraße.

12.42 Uhr: Ein aus Richtung Eppendorfer Baum kommender silberfarbener Toyota biegt trotz Verbots nach links in den Lehmweg ab.

12.45 Uhr: Ein schwarzer Geländewagen biegt vom Lehmweg kommend trotz Verbots nach rechts in Richtung Eppendorfer Baum ab.

12.47 Uhr: Ein schwarzer Volvo biegt trotz roter Ampel vom Lehmweg in den Eppendorfer Weg ab.

12.48 Uhr: Ein roter Polo biegt vom Lehmweg kommend trotz Verbots nach rechts in Richtung Eppendorfer Baum ab.

12.49 Uhr Ein die Lenhartzstraße entlangkommender Volvo überquert die Kreuzung trotz roter Ampel.

12.50 Uhr Ein Lkw biegt vom Lehmweg kommend trotz Verbots nach rechts in Richtung Eppendorfer Baum ab

12.53 Uhr Ein roter Lieferwagen biegt trotz roter Ampel vom Lehmweg in den Eppendorfer Weg ab.

Ein beeindruckendes und beängstigendes Protokoll. Dabei sind Fahrer, die kurz vor der Ampel noch einmal stark beschleunigen, um dann ganz knapp bei Gelb noch "rüberzukommen", noch nicht einmal aufgelistet. Hinzu kommen zahlreiche sogenannte U-Turns, die zwar nicht verboten sind, die Verkehrssituation aber zusätzlich belasten.

Vier Krisenherde werden deutlich:

1. Aus Richtung Lenhartzstraße kommende Fahrzeuge passieren häufig die rote Ampel.

2. Oft biegen vom Eppendorfer Baum kommende Wagen trotz Verbots nach links ab und blockieren so die gesamte Kreuzung.

3. Das Rechtsabbiegeverbot im Lehmweg wird immer wieder missachtet.

4. Ebenso wird die Ampel Richtung Eppendorfer Weg oft nicht beachtet.

Nach Angaben der Polizei, des Bezirks Nord und der Behörde für Stadtentwicklung gibt es hier aber kein erhöhtes Unfallaufkommen. "Wenn die grundlegenden Regeln im Straßenverkehr missachtet werden, kann es überall zur Tragödie kommen", sagt Behördensprecherin Helma Krstanoski.

Auch der ADAC kann keine Unfallhäufung an dieser Stelle erkennen. Ein "Rotlichttest" zeigte aber, dass viele Hamburger bei roter Ampel weiterfahren. "In der Gesellschaft findet eine Bagatellisierung dieses Problems statt", sagt ADAC-Sprecher Matthias Schmitting. Auch unerlaubtes Abbiegen nehme in Großstädten stark zu. "Das halte ich für sehr gefährlich."