Wer will schon fliegen, nur weil er Segelechse heißt? Vor allem, wenn man dann noch so gut schwimmen kann wie das stattliche Männchen Ikarus.

Stellingen. Da sitzt er nun, der Ikarus, im Wasser. Nichts ist mit Fliegen, trotz des schicken Hautsegels. Die Strafe der alten Griechen? Ikarus zuckt mit dem Kopf, ganz Reptil, und sieht so gar nicht bestraft aus. Wer will schon fliegen, nur weil er Segelechse heißt? Vor allem, wenn man so gut klettern, laufen, schwimmen und tauchen kann wie das stattliche Männchen in Hagenbecks Tropenaquarium.

Der Wasserdrache - die Gattung der Segelechsen heißt auf Lateinisch Hydrosaurus - ist ein echter Hingucker im Asienteil des hagenbeckschen Bachlaufs. "Mit seinen goldenen Sprenkeln ist er doch echt schick", sagt Tierpflegerin Marion Minde. Aufgewachsen in einem holländischen Privatzoo kam Ikarus bereits ausgewachsen 2007 nach Hamburg. Minde schätzt das rund 80 Zentimeter lange Tier, wovon zwei Drittel der Schwanz ausmacht, heute auf fünf bis acht Jahre.

Segelechsen gehören zu den größten Vertretern der Agamen und besiedeln verschiedene pazifische Inselgruppen, nach denen die drei verschiedenen Arten auch benannt sind: Die Philippinische Segelechse findet man auf den Philippinen, die Molukkensegelechse auf den Molukken und die Ambon-Segelechse auf Ambon, Buru und Ceram. Ikarus ist wahrscheinlich eine Philippinische Segelechse (Hydrosaurus pustulatus) und damit der Größte der drei Vettern. Doch ganz genau kann Minde das nicht sagen: "Sie sehen sich alle sehr ähnlich." Vielleicht, weil so viel an ihnen dran ist (Exemplare bis 120 Zentimeter Länge sind im Freiland angeblich keine Seltenheit), werden Segeldrachen auf den Philippinen auch für den Verzehr gefangen.

Bei Hagenbeck hat das Reptil diesbezüglich nichts zu fürchten. Auch nicht von seinen Mitbewohnern, verschiedenen Schildkrötenarten und den australischen Wasseragamen: "Ikarus ist eindeutig der Stärkste im Gehege", sagt Marion Minde. "Er ist der Chef, und das macht er den Agamen-Männchen auch immer wieder deutlich." Ein Feuer speiender Drache also? Minde lacht. "Männliche Echsen sind generell nicht umgänglich", sagt die Reptilien-Kennerin.

Den Namen Segelechse haben die Tiere von einem großen Hautsegel auf dem Schwanz. Es wird bei erwachsenen Männchen bis zu sieben Zentimeter hoch und ist der Ausläufer eines Stachelkamms, der sich vom Hinterkopf über den Rücken bis zum Schwanzansatz zieht. Bei Weibchen sind Kamm und Segel wesentlich kleiner ausgebildet, sagt Minde. Das sei aber nicht der Grund, warum der Tierpark nur ein Männchen der Tiere habe, die im Freiland in kleinen Gruppen aus einem erwachsenen Männchen, mehreren Weibchen und Jungtieren zusammenleben: "Weil wir die Unterart nicht genau kennen, können wir Ikarus nicht einfach ein Weibchen dazusetzen."

Beim Füttern ist Ikarus nicht wählerisch, nur manchmal räuberisch veranlagt

Das Thema Futter ist da weitaus unkomplizierter: Die Tiere, die im Freiland in unmittelbarer Nähe von Gewässern im dichten Uferbewuchs leben, ernähren sich von Fischen, Muscheln, Schnecken, Insekten, Eiern, aber auch von pflanzlicher Kost. Minde: "Ikarus liebt Obst und Gemüse. Aber wenn wir die Schildkröten mit Fischen füttern, schnappt er sich auch immer einmal wieder einen Fisch von unserer langen Pinzette weg."

Dabei stellt er sich cleverer an, als er es beim Erkennen seiner Reviergrenzen getan hat: Eine Zeit lang hat sich Ikarus nämlich seine Nase an dem Gitter aufgerieben, das die verschiedenen Gehege entlang des Bachlaufs voneinander trennt. Marion Minde: "Dabei sind die Segelechsen eigentlich ziemlich standorttreu - aber irgendetwas scheint ihn auf der anderen Seite gelockt oder gereizt zu haben." Ein locker hängendes Netz, vor dem Gitter, löste das Problem. Und ließ Ikarus' Gesichtsschuppen schnell wieder heilen.

Anfassen lässt er sich von den Tierpflegern übrigens freiwillig nicht: "So zutraulich ist er nicht. Er flieht eher vor uns", sagt Minde. Und dafür ist das Reptil auch bestens gerüstet: Er kann exzellent schwimmen, ist ein hervorragender Taucher, kann, wenn er will, recht schnell laufen und erweist sich als versierter Kletterer. "Auch springen kann er super", sagt Marion Minde. "Nur Fliegen hat eben nicht geklappt."

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