Eine ganz besondere Qualle: Seine ungewöhnliche Vorliebe für einsame Abenteuer handelte Robinson seinen Namen ein.

Robinson besteht zu 99 Prozent aus Wasser. Mit dem Restprozent bewegt, empfindet, frisst, verdaut und vermehrt er sich. Ganz Mann also, mag Frau jetzt seufzen. Obwohl: Bei Quallen spielt die Frage "Er, sie oder es?" eher eine untergeordnete Rolle. Doch dazu später mehr. Robinson ist auch so nicht irgendeine Qualle, sondern ein äußerst ansehnliches Exemplar einer Gepunkteten Wurzelmundqualle. Seine Vorliebe für einsame Abenteuer (nicht gerade das, wofür Quallen bekannt sind) handelte ihm seinen Namen ein:

"Wir hatten längst alle Quallen vom Aufzuchtbecken hinter den Kulissen in unser Quallenbecken in der Ausstellung gesetzt", sagt Reiner Reusch (45), Tierpfleger in Hagenbecks Tropenaquarium. Als das Aufzuchtbecken für eine neue Ladung Quallennachwuchs gesäubert wurde, entdeckten sie ihn: Robinson. Einsam. Im Filter des Beckens. "Da muss er wohl über das Ansaugrohr reingekommen sein", sagt Reusch und grinst. Der unfreiwillige Aussiedler war etwas kleiner und blasser als seine Kompagnons, ansonsten aber in guter Verfassung. Er wurde umgehend ins Schau-Aquarium "nachgeliefert". "Aber fragen Sie jetzt nicht, welcher der 40 Tiere es ist - das kann man bei aller Liebe nicht mehr sagen", nimmt Reusch die Antwort der nächsten Frage vorweg. Schade eigentlich -, aber hübsch sind sie ja alle.

Die aparten Schirmquallen kommen ursprünglich aus dem Pazifischen und dem Indischen Ozean, haben sich aber in den letzten Jahrzehnten auch im Golf von Mexiko angesiedelt. Ihr Schirm, der bis zu 35 Zentimeter Durchmesser misst und in Ausnahmefällen sogar doppelt so groß werden kann, macht sie zu einer der größten Quallen der Erde. Dass der Schirm mit seinen weißen, lichtreflektierenden Punkten bräunlich schimmert, liegt an den Zooxanthellen. Das sind Algen, die im Körper eines Wirtes leben und ihn - quasi als Miete - mit Zucker, Stärke und anderen Produkten versorgen.

Bei Hagenbeck geht es für die schwebenden Schönheiten rund - im Quallenkreisel, einem Becken mit spezieller Strömung. Karussellfahren für Nesseltiere, zwölf Monate lang: "Das ist die Lebenserwartung der Quallen", sagt Reusch.

Obwohl sie Sensibelchen sind, die einen täglichen Wasserwechsel brauchen, es nicht wärmer als 23 Grad mögen und ständig nach kleinen Krebstierchen gieren, gehören sie zu Reuschs Lieblingen. Deshalb war er auch glücklich, als die ersten im August aus dem Wiener Tiergarten Schönbrunn bei Hagenbeck eintrafen. Fortan will man hier selbst züchten. Spannend - schließlich wechseln die Tiere von Generation zu Generation von einer geschlechtlichen zu einer ungeschlechtlichen Vermehrung und von einem Stadium als Meduse (landläufig als Qualle bezeichnet) zu einem fest sitzenden Polypen. Und sollten ihnen die Gepunkteten Wurzelmundquallen noch immer nicht ans Herz gewachsen sein, merken Sie sich diese aus praktischen Gründen: fürs nächste Scrabble-Turnier.

Nächsten Mittwoch: Jerry, das Minipig