Im Tierpark Hagenbeck leben drei erwachsene Jemenchamäleons: Männchen Fiddy teilt sich das Gehege mit zwei Damen.

Hamburg. Der Blick wirr, der Gang taumelig, und von Koordination keine Spur. Noch keinen Tag alt - und schon sturztrunken? Nur gut, dass Mama das nicht gesehen hat ... Wer vor Kurzem den Schlupf der acht Chamäleon-Babys in Hagenbecks Tropen-Aquarium beobachtet hat, der konnte nicht anders, als wilde Mutmaßungen über den Zustand der Lütten zu hegen. Zu drollig sah es aus, wie die fünf bis sieben Zentimeter langen Reptilien aus ihren Eiern krochen, mit ihren Greiffüßen Halt an einem Nachbar-Ei suchten - und dabei nur zu gerne abrutschten und auf die Nase fielen. Auch ein Chamäleon, später Meister in so virtuosen Disziplinen wie Im-Blätterdach-Tarnen und Zunge-Schleudern, fängt mal klein an.

Die ersten Gehversuche ihres Nachwuchses hat das Jemenchamäleon-Weibchen Sanaa nicht mitbekommen. Die Tierpfleger hatten die Eier aus dem Gelege frühzeitig in eine Brutmaschine überführt, da der Boden und das Klima im Hamburger Echsengehege dann doch nicht ganz den Freilandbedingungen entsprechen. "Unsere beiden Weibchen waren irgendwann auf dem Boden unterwegs, was sie sonst nicht tun. Da wussten wir dann, dass die Eiablage bevorsteht", verrät Tierpfleger Florian Ploetz. Der 23-Jährige ist ein großer Chamäleon-Fan und hält sich auch privat etliche der "angenehmen Mitbewohner", an denen er besonders ihr Aussehen, Verhalten und das spezielle Wesen schätzt.

Tatsächlich war es ein untrügerisches Zeichen, als Sanaa von ihrem angestammten Baum herabstieg. Jemenchamäleons, die im Süden der arabischen Halbinsel beheimatet sind, leben dort auf Sträuchern und Bäumen, bevorzugt in einer Höhe von einem bis drei Meter. Nur zur Eiablage kommen die Weibchen auf den Boden, um hier ihre Eier in einer selbst gegrabenen, tunnelförmigen Höhle zu verstecken. Höhle zuschaufeln, Mama zurück auf den Baum - und fünf bis neun Monate später schlüpfen die Jungtiere.

Bei Hagenbeck leben drei erwachsene Jemenchamäleons: Männchen Fiddy teilt sich das Gehege mit zwei Damen. "Zwei Männchen funktioniert nicht, die Tiere sind Einzelgänger", sagt Florian Ploetz. Bei Revierkämpfen flachen die Männchen ihre Körper ab, blähen den Kehlsack auf, nicken mit dem Kopf, fauchen und schwanken mit dem Körper hin und her, der dabei in den grellsten Farben leuchtet. Gibt keiner der Kontrahenten nach, können sich die Reptilien auch schon einmal ernsthaft verletzen. Nur Weibchen gegenüber sind die Kavaliere zahm: Wirbt ein Jemenchamäleon-Mann um eine Holde, setzt während dieser Zeit eine Beißhemmung bei ihm ein.

Unterscheiden kann man Männchen und Weibchen der Art übrigens gut: Fiddy hat einen Fersensporn , der den Weibchen fehlt und mit bis zu acht Zentimetern Höhe ist sein Helm (Fachleute sagen Paritalkamm dazu) deutlich größer als bei seinen Weibchen. Dazu zeigt sich Sanaa vorwiegend in hellgrünen und gelblichen Tönen, wogegen Fiddy auch schon einmal die volle Klaviatur auf dem Regenboden spielt. Ploetz: "Die Färbung dient der Tarnung, aber sie zeigt auch den Gemütszustand der Tiere an." Tarnung ist übrigens auch der eigentümliche Fortbewegungsstil: Das Schaukeln soll ein schwankendes Blatt im Wind imitieren, sagt Ploetz.

Mit eineinhalb Jahren ist Sanaa, die noch kein Jahr bei Hagenbeck ist, ausgewachsen. Gerade als Jungtiere wachsen Jemenchamäleons, die bis zu 60 Zentimeter lang werden, extrem schnell und müssen sich deshalb sehr häufig häuten. Die Frequenz lässt später nach. Trotz ihrer Größe sind die Tiere nicht immer auf den ersten Blick zu sehen: "Tarnung halt", sagt Ploetz und lacht. Wenn man ihre Lieblingsplätze kenne und sich ein wenig Zeit nehme, würde man aber immer fündig, versichert der Tierpfleger.

Dabei sehen die Reptilien einen mit ihrem "Rundumblick" definitiv zuerst: Die Augen können um 360 Grad gedreht und unabhängig voneinander bewegt werden. So wird die Insektenbeute sicher entdeckt und mit der Klebezunge in den Mund transportiert. Für die extreme Sehschärfe hat die Evolution übrigens das Hörvermögen der Chamäleons vernachlässigt. Aber man kann ja nicht alles haben - auch nicht als besonderes Kriechtier.

Lesen Sie nächsten Mittwoch: Cubaflamingo Che