Der Chinesische Muntjak hat eine Schulterhöhe von nur 45 Zentimetern, wiegt 20 Kilogramm. Vom Auftreten her ist er ein ganz Großer.

Hamburg. Die Kinder kreischen los: "Mama! Da! Ein Tier!" Vielleicht ein etwas unspezifischer Ausruf in einem Zoo ... Doch in Hagenbecks Tierpark hört man ihn meistens dann, wenn einer der frei lebenden, vierbeinigen Bewohner den Weg quert. So einer wie Hirschi. Hirschi ist, wenig überraschend, ein Hirsch. Allerdings einer im Taschenformat: Der Chinesische Muntjak, beheimatet in China und Taiwan, hat eine Schulterhöhe von nur 45 Zentimetern und ein Gewicht von gerade einmal 20 Kilogramm. Doch vom Auftreten her ist er ein ganz Großer.

"Hirschi ist unser ältester, größter frei laufender Muntjak-Mann", sagt Tierpfleger Roy Schulz (33). "Als wir die Muntjaks bekamen, waren sie anfänglich unglaublich scheu. Aber mittlerweile fressen sie den Besuchern sogar aus der Hand." Allen voran Hirschi: Er ist gern am Vogelhaus, zu dessen Revier die frei laufenden Muntjaks und die acht Tiere, die sich ein Gehege mit den Mandschurenkranichen teilen, gehören. Wenn Schulz morgens kommt, steht Hirschi schon vor der Tür. Schulz: "Er weiß, dass er immer eine Kleinigkeit von mir bekommt." Die reinen Pflanzenfresser werden im Tierpark mit Luzerne, Buschwerk, Wurzeln und Roter Bete gefüttert. Als "absolutes Bonbon" hat Schulz aber auch manchmal ein Stückchen Banane für den kleinen Hirsch parat.

In ihren Herkunftsländern müssen Muntjaks aufpassen, nicht selbst als Delikatesse auf dem Teller zu landen: Ihr Fleisch gilt als zart und schmackhaft. Wobei der Chinesische Muntjak die kleinste Art seiner Gattung ist. Fünf andere Arten, darunter der Riesenmuntjak, wurden erst in den 90er-Jahren entdeckt - für Säugetiere ein spektakulärer Fund. Ihre heimliche Lebensweise im dichten Unterholz hatte sie bis dahin vor den Augen der Forscher verborgen. Auch bei uns streiften Muntjaks einst durch die Wälder: Fossile Funde belegen, dass sie im Tertiär auch in Europa verbreitet waren. In England und Wales hat man die Tiere im vergangenen Jahrhundert eingeführt, wo sie inzwischen recht häufig geworden sind.

Bei Hagenbeck hat der zehnjährige Hirschi gut damit zu tun, sein Revier gegen die anderen Männchen zu verteidigen. Muntjak-Hirsche haben feste Reviere, und wenn ein anderes Männchen in dieses eindringt, kommt es zu erbitterten Kämpfen. Dazu nutzen die Hirsche ihr Geweih mit den 15 Zentimeter langen Enden und ihre zu Hauern verlängerte Eckzähne des Oberkiefers, was beides nur die Männchen haben. Und was auch eine deutliche Unterscheidung zu den Maras (oder auch Pampashasen) darstellt, die zweite frei laufende Säugetierart im Tierpark. Außerdem geben Muntjak-Hirsche im Zustand der Erregung Laute von sich, die dem Bellen eines Hundes ähneln. Bello heißt aber keiner von ihnen ...

Hirschi ist ein fleißiger Revierverteidiger - das kommt bei den Weibchen gut an. Schulz: "Er ist der Vater von allen Jungtieren." Ginge es nach Roy Schulz, könnte Hirschi noch für viele weitere Nachkommen sorgen: "Ich finde die Tiere mit ihren großen, schwarzen Augen und dem glänzenden, braunen Fell einfach hübsch." Vielleicht weiß Hirschi das - und wartet deshalb morgens auch immer auf ihn.

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