Das Hamburger Abendblatt hat sie bei ihrem Tagesablauf begleitet. Die 19-Jährige ist Azubi zur Köchin im Vitalia Seehotel in Bad Segeberg.

Bad Segeberg. Die Schlagzahl erhöht sich minütlich. Jannicke Bredendieck wuselt mit jedem Arbeitsschritt etwas schneller, die Ansprache des Küchenchefs wird hektischer, die Lärmkulisse steigt. Es ist kurz vor 17 Uhr im Vitalia Seehotel in Bad Segeberg, als die Rushhour ihren Anfang nimmt. Es zeigt sich: Wer das Kochen zur Berufung erhebt, der lernt nicht nur die fachgerechte und gerne auch kreative Zubereitung von Lebensmitteln, sondern muss auch ein Handwerker sein, der einen Auftrag pünktlich erledigt.

Das rustikale Abendbüfett bereitet Jannicke Bredendieck alleine zu

Gefühlt hat seit einigen Jahren jeder bekannte Koch in Deutschland mindestens eine eigene Fernsehsendung. Es wäre leicht zu vermuten, dass Jannicke Bredendieck von der inflationären medialen Präsenz eines Tim Mälzer, Christian Rach oder Johann Lafer gelockt wurde zu ihrer Ausbildung. Weit gefehlt. Locker erzählt sie, dass sie kurz davor war, ihrem Leben eine komplett andere Richtung zu geben: "Das Praktikum beim Bestatter hat mir damals auch ganz gut gefallen."

Soweit kam es dann doch nicht. Mittlerweile läuft bereits das zweite Lehrjahr für die 19-Jährige - sie weiß, was zu tun ist. An diesem Tag ist sie für die Spätschicht von 14 bis 22.30 Uhr eingeteilt und soll ein "rustikales Abendbüfett" in Eigenverantwortung zubereiten. "Ein bisschen gehobenere Küche", sagt Jannicke. Dies wird mit 90 Portionen multipliziert - und fertig ist der Plan für die nächsten Stunden.

Die Deadline steht bereits. "Um 17.30 Uhr muss alles stehen, damit wir es rausschicken können. Aber wie ich das zeitlich mache, kann ich mir schon selbst einteilen", sagt sie. Neben ihr im XXL-Topf köcheln um 14.11 Uhr bereits acht Liter Gorgonzolasoße - als nächstes ist der Seehecht an der Reihe. "Er wird portioniert und dann gleich angebraten", sagt Jannicke Bredendieck. Eine Blechform mit mehreren Kilogramm Fisch erledigt sie in fünf Minuten - Akkord ist Standard in einer Großküche.

Das Klischee vom Kasernenton in der Küche ist längst überholt

Das Büfett für die Tagungsgäste und einige Halbpensionen sieht vier Gänge vor: Geflügelsamtsuppe, Seehechtfilet, Roastbeef und Rote-Bete-Bratlinge für die Vegetarier. Dazu wird natürlich täglich à la carte zubereitet. "Wenn es ein Gast vorbestellt, machen wir auch eine Tiefkühlpizza warm. Aber das Menü besprechen wir immer schon am Vortag. Unser Küchenchef bestimmt dann, wer an welchem Platz arbeiten wird", sagt die Auszubildende. Eines ist klar: "Bei 90 Personen stehen wir schon unter Strom."

Es ist ein junges Team, das unter der Aufsicht von Küchenchef Heiko Zimmat am Werk ist. Vier Lehrlinge und drei Gesellen, das muss und wird genug sein. Jeder Arbeitsschritt sollte sitzen, betont Jannicke. "Auch wenn man mal einen schlechten Tag hat - wir müssen sofort da sein." Doch sie ist ausgeruht. Tags zuvor, die acht Stunden Unterricht an der Gewerbeschule für Nahrung und Gastronomie in Lübeck, waren anstrengender. "Ich kann nicht lange sitzen bleiben. Ein Bürojob wäre auch nichts für mich", sagt sie. Gleichwohl muss auch Jannicke Theorie büffeln. "Das mache ich in Ruhe. Also zwischen Tür und Angel. Wenn ich Zeit habe", sagt sie grinsend.

Die Unterstützung im Hotel ist ihr gewiss. Küchenchef Heiko Zimmat, der zudem Prüfer an der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck ist, schätzt seine Auszubildende und geht gerne auf Wünsche ein, wenn diese der Lehre zugutekommen. "Sie ist zuverlässig und pflichtbewusst. Ich gebe zwar zu 80 Prozent die Speisen vor, aber wenn Jannicke mich fragt, ob sie eine Minestrone machen darf, dann erwarte ich eben, dass sie das gut macht und natürlich kartengerecht."

Im Vergleich zu seiner Ausbildung sei der Umgangston allerdings von Grund auf harmonischer. Im Vitalia Seehotel schreit niemand cholerisch durch die Gänge. "Das ist Klischee. So kann keiner mehr agieren", sagt Zimmat. "Wir haben damals noch Tag und Nacht geschuftet. Das würde ich heute aber niemandem mehr zumuten."

Jannicke Bredendieck hat derweil den Fisch abgehakt. Um 15.15 Uhr verschwinden die Steckrüben im Ofen und werden bei 100 Grad sieben Minuten lang vorblanchiert, die Bratlinge frittiert sie, die Austernpilze werden für später vorbereitet. "Das Ratatouille braucht mehr Pepp" - also Pfeffer -, konstatiert sie und dreht kräftig an der Mühle. Die Geflügelsuppe wird mit einigen Löffeln roter Currypaste verfeinert. "Aber bloß nicht zu viel, sonst beschweren sich die Gäste womöglich über die Schärfe."

Die Ostangler Brandgilde aus Kappeln würde sich wohl eher beschweren bei Fleischknappheit. Zwölf mächtige Scheiben Roastbeef sollen dies verhindern. Unterdessen warnt Heiko Zimmat schon einmal vor für das nahende Wochenende, wenn die Feuerwehr Bad Segeberg an den Tischen sitzen wird. "Wir machen dann 505 Eisbeine, das ist ein neuer Rekord!"

Es ist schon fast 17 Uhr, als Jannicke Bredendieck erstmals einen Schluck Wasser trinkt. Sie ist selbst überrascht, dass sie nicht vorher daran gedacht hatte. "Jetzt ist Pause für alle", diese Ansage geht nun durch die Küche. Aber das Roastbeef geht vor - erst als dies eine Viertelstunde später im Ofen ist, stellt sich Jannicke Bredendieck auf die Schnelle einen Teller zusammen vom kleinen Büfett für das Personal. Es ist der Rest vom großen Mittagstisch - Farfalle, Fisch, Gemüse, Kalbsbraten. Dann setzt sich die Auszubildende in den Aufenthaltsraum im Keller, plaudert ein wenig mit einigen Kolleginnen vom Service, bevor es wieder ernst wird.

Sie hat sich den Einstieg in den Familienbetrieb fest vorgenommen

Zurück in der Küche. 17.52 Uhr. Es brummt. "Die Suppe muss raus!", ist das Kommando des Chefs. Im Speisesaal finden sich sogar schon die ersten Gäste ein, obwohl das Abendessen offiziell erst um 18.30 Uhr eröffnet wird. Aber Hunger hält sich nie an feste Zeiten. "Wenn später die große Tagungsgruppe kommt, muss es zack, zack, zack gehen", sagt Jannicke Bredendieck. "Die wollen alle auf einmal essen."

Von nun an obliegt es ihr, für den Nachschub zu sorgen, damit die Büfettreihen nicht leer stehen. Die Brandgilde stellt sie im Verlaufe des Abends auf die Probe. "Das war total Action. Die haben ganz schön gegessen, es hat von der Menge gerade noch gereicht", sagt Jannicke Bredendieck, als sie später die Schicht Revue passieren lässt.

Sie hat sich entschieden, dass ihr Leben künftig nach diesem Muster ablaufen soll. Ihr fester Wunsch ist, früher oder später das "Landhaus Hentschel", das Hotel und Restaurant ihrer Mutter in Owschlag (Kreis Rendsburg-Eckernförde), zu übernehmen. Schließlich stand sie dort schon als kleines Mädchen in der Küche. Aber vorerst fährt sie nur nach Hause. In Neverstaven, einem 30-Seelen-Dörfchen in der Nähe von Groß Niendorf, wohnt sie mit ihrem Freund. "Ich brauche dann aber um 23 Uhr mindestens noch eine Stunde, bis mein Körper wieder herunterfährt", sagt sie. Nur eines fällt als Mittel zur Zerstreuung daheim definitiv aus: "Jetzt wird nichts mehr gekocht!"