Elbcampus und Arbeitsagentur testen künftige Windanlagen-Techniker. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei, schwindelfrei zu sein.

Hamburg. Hartmut Behr hat es geschafft. Mehr als 180 Stufen, insgesamt 65 Höhenmeter musste der Hamburger überwinden, um auf die Gondel der Windkraftanlage von Obstbauer Peter Stehr in Francop zu gelangen. Der 43-jährige Elektriker war tapfer, wagte sogar einen Blick über Stehrs Plantage, als er endlich oben war. "Ich bin schwindelfrei", sagte Behr. Damit hat er eine wichtige Hürde für seinen neuen Traumberuf als Wind-Servicetechniker genommen. Die Chancen stehen für ihn und seine 13 Kollegen gut, die sich vom Elbcampus, dem Kompetenzzentrum der Handwerkskammer, für einen Job in der Windindustrie weiterbilden lassen wollen. "Wer die Prüfung schafft, findet garantiert eine Stelle", sagt Gunter Scholz, Leiter für technische Angebote beim Elbcampus, dem Abendblatt.

Der Bedarf an Technikern, die Windräder bundesweit warten können, ist groß. Allein in der Hansestadt sind derzeit nach Angaben von Sönke Fock, dem Chef der Hamburger Arbeitsagentur, 70 Stellen für Wind-Servicekräfte offen. Die Nachfrage in der Stadt ist dauerhaft so groß, dass die Agentur nicht nur mit ihrem Bildungsschein die jetzt schon 17. Ausbildungsrunde am Elbcampus finanziert, sondern gemeinsam mit Hamburger Unternehmen auch Fortbildungen anbietet.

"Das ist ein Riesenspielplatz für Männer", sagt Richard Meier, der sich ebenfalls für den Beruf des Wind-Servicetechnikers interessiert. Der Auf- und Abstieg ist äußerst kräftezehrend, denn die Probanden müssen mit schwerem Outfit wie Helm, Sicherheits- und Handschuhen auf die Anlage. Hinzu kommt ein Auffanggurt samt Schieber, der zuschnappt, sollte ein Teilnehmer stolpern. Die beiden Höhenrettungsspezialisten der Feuerwehr, Mirco Feldmann und Ralf Hein, kontrollierten das Sicherheitsgeschirr eines jeden Teilnehmers.

Für Hartmut Behr ist die Weiterbildung als Wind-Servicekraft nicht nur eine berufliche Chance, sondern fast schon eine Passion. "Ich würde gerne quer durch Deutschland und andere Länder reisen, um Windräder zu warten. Bei diesem Job bekommt man etwas von der Welt zu sehen", sagt er. Flexibel bei der Ortswahl sei er ohnehin.

Josè Noval ist gelernter Kupferschmied und arbeitete zuletzt als Heizungstechniker. Wie Behr hat auch er erst vor Kurzem seinen Job verloren. Beide sind nun zuversichtlich, den neuen Arbeitsplatz hoch oben über der Erde zu bekommen. Nicht nur in Hamburg, wo mit Siemens, General Electric, Repower, Vestas, Vattenfall, RWE Innogy und Nordex die großen Hersteller der Branche präsent sind, werden Servicekräfte gesucht. Bundesweit sind insgesamt Hunderte von Stellen für die Spezialisten ausgeschrieben.

Der Bedarf werde infolge der Energiewende weiter wachsen, sind sich Branchenexperten sicher. Schließlich muss jede neue Windkraftanlage, die an Land oder auf dem Meer in Betrieb geht, gewartet werden. Bedarf gibt es vor allem im Offshore-Bereich. Laut dem Branchenverband Windenergie stehen 28 weitere Parks auf hoher See vor der Inbetriebnahme. Hinzu kommen zusätzliche Anlagen an Land.

Der Harburger Elbcampus organisiert bereits seit fünf Jahren Fortbildungsveranstaltungen für Techniker. Pro Jahr hat man 330 unterschiedliche Lehrgänge im Programm. So wird neben dem jetzigen Wind-Kursus auch eine Weiterbildung zum Service-Techniker für Offshore-Anlagen angeboten. Ein Zukunftskonzept: "Denn wir decken viele Branchen im Bereich der regenerativen Energien ab", sagt Scholz.