Gesichter der Wissenschaft: An der Universität Hamburg arbeiten junge Forscher an spannenden Projekten. Katja Deutsch und Marlies Fischer stellen drei von ihnen vor

Die Prozesse gegen die RAF entfachten bei vielen Schülern Interesse an Politik und Strafverfolgung – bei Professor Florian Jeßberger legten sie einen Grundstein zu seiner beruflichen Laufbahn. Diese verlief äußerst erfolgreich im akademischen Dienst: Der promovierte Jurist ist seit vergangenem Jahr Prodekan der Fakultät für Rechtswissenschaft und Leiter des Prüfungsamtes der Universität Hamburg. Ganz nebenbei leitet er als Geschäftsführender Direktor das Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Hamburg, ist Mitglied des Rates zu Fragen der Wissenschaftsethik des Akademischen Senats der Uni Hamburg und Mitglied des Justizprüfungsamtes beim Hanseatischen Oberlandesgericht.

„Mein normaler Job sind jedoch mein Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Juristische Zeitgeschichte sowie meine Tätigkeit als Leiter der Abteilung Internationales Strafrecht und Strafrechtsvergleichung“, sagt der 43 Jahre alte Jeßberger.

Internationales Strafrecht ist seine besondere Leidenschaft. Darüber hält er Vorlesungen für die ungefähr 80 Studierenden der höheren Semester, die diese Vertiefung pro Jahr wählen. Auch korrigiert Jeßberger deren Examenshausarbeiten. Doch erwartet wird von ihm auch freiwilliger Einsatz bei der Korrektur der Klausuren aus dem Staatsteil des Juraexamens.

Bei diesen Prüfungen, die am Oberlandesgericht stattfinden, prüfen Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und eben auch Hochschullehrer – denn sie bilden die Schnittstelle zur Ausbildung der zukünftigen Juristen. Dieser „freiwillige“ Stapel an handgeschriebenen Prüfungen ist ganz schön hoch: Rund 30 Klausuren mit bis zu 50 Seiten Inhalt müssen durchgearbeitet werden – Wort für Wort.

Gerade die internationalen Bezüge des Strafrechts und die Regeln des Völkerrechts, bei denen es um die Verantwortlichkeit von Einzelpersonen geht, beschäftigen Jeßberger. Das betrifft den Internationalen Strafgerichtshof und die UN-Kriegsverbrechertribunale wie auch die strafrechtliche Verfolgung von Whistleblowern und die Fragen zu deren möglicher Auslieferung – wie zum Beispiel bei Julian Assange und Edward Snowden. Gelegentlich wird Prof. Jeßberger mit diesen sehr aktuellen Fragestellungen am European Center for Human and Constitutional Rights (ECCHR) konfrontiert, wo er als Beiratsmitglied tätig ist. Diese Nicht-Regierungsorganisation setzt sich für die Durchsetzung der Menschenrechte ein.

Der internationale Strafgerichtshof steht in letzter Zeit in der Kritik, weil er sich überwiegend mit afrikanischen Konflikten beschäftigt. Das ECCHR wird deshalb inzwischen selbst aktiv und reicht eigene Strafanträge ein. Im Januar beispielsweise forderte das Zentrum die Aufnahme von Ermittlungen gegen das britische Militär und den ehemaligen britischen Verteidigungsminister Geoff Hoon wegen systematischer Folter Gefangener im Irak.

Die hohe administrative Verantwortung durch seine Tätigkeit als Prodekan nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, aktuell besonders durch die Einführung einer neuen Studienordnung. Als Kompensation dafür hält er nur halb so viele der Grundvorlesungen im Strafrecht für die 300 bis 400 Erstsemestler als üblich. „Ich bin äußerst dankbar für meinen Job, auch wenn ich gerne mehr Zeit zum Forschen hätte. Aber es ist wunderbar, dass ich Seminare über Themen geben kann, die mir gerade besonders am Herzen liegen.“ Im Sommer dürfen sich seine Studenten über das Seminar „Kultur – Strafrecht – Religion“ freuen, dessen Fragen sich aktuell mit neuer Dringlichkeit stellen.

Doch jetzt steht eine Zugfahrt nach Berlin an, wo er ein zweites Büro hat – und wo der Vater von drei kleinen Kindern mit seiner Frau, einer promovierten Völkerrechtlerin, lebt. „Meine Arbeit ist äußerst familienkompatibel.“