Die Datenbank efoto eröffnet völlig neue Möglichkeiten für Bürger, die kulturelle Vielfalt Hamburgs zu erleben und aktiv mitzuprägen

Die Studentin Maria geht jeden Morgen an einem alten, efeuumrankten herrschaftlichen Gebäude vorbei. Wann wurde es gebaut, und was ist wohl seine Geschichte? Maria öffnet auf ihrem Smartphone die efoto-hamburg- App und macht ein Foto von dem Gebäude, das automatisch auf den Server geladen wird. Anhand spezieller Geo-Daten und Algorithmen verknüpft der Server Marias Foto mit allen relevanten Informationen in seiner Datenbank und bietet der Studentin dann verschiedene Einstiegspfade an, um mehr über das Gebäude zu erfahren.

Diese Möglichkeiten reichen von einer Textdatei zur Geschichte des Gebäudes über einen Stadtrundgang, eine Audiodatei der Polizei zu einem Leichenfund in der Nähe des Gebäudes bis zu Verlinkungen mit anderen Archiven. So kann Maria zum Archiv des Magazins „Der Spiegel“ wechseln oder ihr Foto und weiteres Material vernetzen. Indem sie gefundene Daten kommentiert, ergänzt und korrigiert, kann sie Kultur in Hamburg mitgestalten. Zudem kann Maria mit anderen Usern der App, die sich für das Gebäude interessieren, chatten oder im Forum diskutieren und deren Beiträge kommentieren.

Noch ist dieses Szenario eine Vision, an deren Realisierung allerdings mit Hochdruck gearbeitet wird. Das Projekt efoto wurde von der Kulturbehörde der Hansestadt Hamburg initiiert und gefördert. Es ist eines von mehreren Projekten, die im Rahmen der eCulture Agenda 2020 konzipiert wurden. Das Vorhaben, das zum Ziel hat, die größte öffentliche Bilddatenbank Hamburgs aufzubauen, wird im Auftrag der Kulturbehörde von Professor Jan Christoph Meister wissenschaftlich geleitet, der am Institut für Germanistik arbeitet. Dort ist ebenfalls Projektmitarbeiterin Mareike Höckendorff tätig.

„Mit dem Projekt efoto soll gezeigt werden, wie die interaktive Nutzung digitaler Medien und Services dazu beitragen kann, dass eine kulturelle Identität der Bewohner Hamburgs entsteht“, sagt Prof. Meister. „Fotos der Stadt und ihrer Sehenswürdigkeiten wie auch Alltagsszenen sollen für die Bürger Hamburgs zu einem Anlass werden, die kulturelle Vielfalt der Metropole zu erleben und diese selbst aktiv mitzuprägen.“ Außer an Privatpersonen richte sich das Projekt an öffentliche Projektpartner wie auch kommerzielle Partner insbesondere aus der Medienbranche.

Derzeit befindet sich das Projekt in der Planungsphase, und es gibt noch keine efoto-Datenbank, sondern Einzeldatenbanken, die zunächst systematisch vernetzt und erweitert werden müssen. „Die Daten liegen alle noch auf den Servern unserer Projektpartner“, sagt Mareike Höckendorff, die den Kontakt zu den Partnern hält, zu Kulturbehörde, Denkmalschutzamt, Staatsarchiv, Geschichtswerkstätten und mehreren Museen. Ferner bearbeitet Höckendorff Rechercheaufträge, Bedarfsanalysen, macht Bestandsaufnahmen und erstellt Best-Practice-Modelle. „Außerdem betreue ich den efoto-Blog auf unserer Webseite, der demnächst freigeschaltet wird. Darin berichten wir von der Arbeit an der Konzeption von efoto.“

Die Datenbank efoto wird so konzipiert, dass sie einerseits den Ansprüchen professioneller Nutzer entspricht und andererseits möglichst vielfältige neue Nutzergruppen dazu anregt, sich Fotos zu eigen zu machen. Dabei soll diese Aneignung nicht nur auf das bloße Anschauen beschränkt bleiben. „efoto möchte die Nutzer motivieren, erstens dem vorhandenen Bildmaterial eigenes neues hinzuzufügen und zweitens den Materialfundus durch Geschichten, Zusatzinformationen und Beschreibungen anzureichern“, sagt Meister. „Dies ist ein neuartiger Umgang mit Bildern und kulturellen Artefakten, der mit dem Stichwort Social Tagging bezeichnet wird.“ Dem Projekt liegt das Luhmannsche Kulturverständnis zugrunde. „Das bedeutet, wir begreifen Kultur als einen Themenvorrat, der zur Kommunikation anregt und zur Interaktion auf einer reflexiven Ebene motiviert“, sagt Meister. Eines der Hauptziele sei daher, von der Ebene der rein visuellen Stadtansichten zu einem Austausch darüber zu gelangen, was die Stadt Hamburg kulturell ausmacht.

Die Idee eines zentralen Ortes für die historischen Fotografiebestände der Stadt gab es seit vielen Jahren. Konkret entstand die Idee einer digitalen Bilddatenbank in der Kulturbehörde im Laufe des Jahres 2011 im Zusammenhang mit der für 2012 bis 2014 geplanten und zurzeit laufenden Digitalisierung des Bildarchivs des Denkmalschutzamtes. „Das Konzept wurde dann Teil der eCulture Agenda 2020, mit der die Kulturbehörde den digitalen Zugang zum kulturellen Erbe der Stadt ermöglichen will“, sagt Gesamtprojektleiter Dr. Horst Scholz, der zugleich Referatsleiter für Informationstechnologie und digitale Projekte in der Kulturbehörde ist.

„Wir haben das Glück, dass wir zurzeit in einer sehr visionären Phase des Projektes sind. Alle Projektpartner sind höchst motiviert, an der efoto-Plattform mitzuarbeiten und diese nach den eigenen Bedürfnissen mitzugestalten“, sagt Mareike Höckendorff. Sie spricht jedoch auch eine Schwierigkeit an, die für viele Projektpartner in der noch undurchsichtigen Rechtslage zur Publikation von Bildmaterial im Internet liegt. „An der Überwindung dieser Hürde arbeiten wir gerade.“ Hierbei geht es um Urheber- und Verwertungsrechte, um Datenschutz, Medienrecht und Persönlichkeitsrechte. In der Praxis sei es häufig schwierig, so Höckendorff, die rechtliche Situation für konkrete Bilder zu klären. Manchmal sei zudem der Urheber unbekannt oder nicht mehr ermittelbar. Überdies müssen erkennbar abgebildete Personen ihre Zustimmung zu einer Veröffentlichung geben.

Und wie sieht die zeitliche Abfolge für das ambitionierte Projekt aus? „Kurzfristig wollen wir eine Methode zur digitalen Erschließung und Vermittlung kultureller Inhalte entwickeln“, sagt Scholz. „Hierzu wurde Prof. Meister von der Universität Hamburg beauftragt, Erkenntnisse, die sich seit Jahren im Bereich der digitalen Geisteswissenschaften (Digital Humanities) ergeben haben, auf den Gegenstandsbereich historische Fotografie anzuwenden. Darüber hinaus sollen digitale Zugangswege geschaffen werden, die nicht nur Experten in die Lage versetzen, sich mit ihrem Wissen den riesigen Datenbestand zugänglich zu machen. Also intuitive, assoziative vielleicht spielerische Zugangswege, die Unschärfen einschließen. Langfristig planen wir den Aufbau eines großen Bildspeichers für ganz unterschiedliche Nutzer: für Bildwissenschaftler, die sich mit der Macht von Bildern und deren Wirkungsweisen beschäftigen, für den Einsatz in Schulen und Museen, zur Sicherung der Bildinformationen, da das analoge Bild und die Negative – zum Teil noch Glasnegative – in ihrer Substanz häufig bedroht sind. Ebenso als Anreiz für soziale Kommunikation, denn relevant ist, worüber kommuniziert wird.“ Fotografie eigne sich wie kein zweites Medium dafür, sagt Scholz, „da wir alle selbst Fotografen sind. Und wir wollen digitale Produkte entstehen lassen, zum Beispiel thematische Websites, Apps für mobile Endgeräte, historische Stadtteilrundgänge, die mithilfe historischer Bilder Gegenwart und Vergangenes zusammenführen.“

Alle Features werden so entwickelt, dass sie sowohl als Webapplikation als auch auf mobilen Geräten im Rahmen der efoto-App betrieben werden können. Wie lange wird das Projekt laufen, und wann können die Bürger efoto nutzen? „Bislang ist das Projekt bis Ende 2016 angelegt, aber wir haben das Ziel, ein längerfristiges Geschäftsmodell zu entwickeln, das nach Auslaufen der Anschubfinanzierung durch die Kulturbehörde die nachhaltige Finanzierung sichern könnte. Sobald wir einen ersten Prototypen für eine mobile Applikation und eine Demoanwendung haben, planen wir eine Auftaktveranstaltung an der Universität“, sagt Meister.

Weitere Informationen auf www.efoto-hamburg.de