Beim Azubi Speed Dating in der Handwerkskammer können Bewerber ganz schnell eine Lehrstelle ergattern. Muhammed Uludag sagt, worauf es bei der Vorbereitung ankommt

Die erste Speed-Dating-Runde ist durch. „Jackpot“, ruft ein 17-Jähriger und reckt die Faust in die Höhe, als er aus dem großen Saal der Handwerkskammer kommt. „Ich hab ’nen Praktikumsplatz!“ Er wird nicht der einzige bleiben. Ein Großteil der 22 teilnehmenden Unternehmen möchte den ersten Eindruck durch einen Praxistest bestätigen, denn die sieben Minuten zum gegenseitigen Kennenlernen sind schnell vorüber.

Ein Gong signalisiert den Start, die Bewerber strömen auf die nummerierten Tische zu, wo sie auf Vertreter der Betriebe treffen, mit denen sie zuvor einen Termin vereinbart haben. Mehr als 200 Ausbildungsplätze in 35 Berufen sind zu vergeben, vom Bäcker über den Kfz-Mechatroniker bis zum Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer. Je nach Beliebtheit der Branche bleiben in einigen Runden auch Tische unbesetzt. Nicht so bei Wolfgang Teetz von Sager & Deus, einem Unternehmen für Umwelttechnik: Von Runde zu Runde sitzt ihm ein neues Gesicht gegenüber. Eine kurze Begrüßung, ein erster prüfender Blick bei der Übergabe der Bewerbungsmappe und schon ist das Blitz-Vorstellungsgespräch in vollem Gange.

„Kennen Sie unser Unternehmen?“, fragt Teetz. „Ich habe mich darüber im Internet informiert“ – eine Antwort, die er an diesem Tag noch oft zu hören bekommt, sie ist Standard. „Warum interessieren Sie sich für den Beruf des Anlagenmechanikers?“, lautet seine nächste Frage. „Wegen eines Praktikums, das ich gemacht habe“. Das bringt Pluspunkte: Wer bereits erste Berufserfahrungen mitbringt, ist immer gern gesehen. „Wie steht es mit den schulischen Leistungen?“, möchte Teetz weiter wissen. „Steht doch alles in meinen Unterlagen“, bekommt er zu hören und ist damit nicht wirklich glücklich. Statt nun Zeit auf das Blättern in Zeugnissen verwenden zu müssen, hätte er lieber im persönlichen Austausch sein Gegenüber besser kennengelernt. Aber er weiß auch, dass Aufregung im Spiel ist, und so fragt er freundlich weiter: „Wie ist es zum Beispiel mit Mathematik? Sie wissen, dass Sie Räume ausrechnen können müssen und räumliches Denken wichtig ist?“ Das schließlich entstehende Gespräch über die Praktikumserfahrungen seines Bewerbers stellt Teetz zufrieden, und er bietet ein Praktikum an. Da aus seiner Sicht alles geklärt ist, fragt er noch: „Haben Sie vielleicht Fragen?“ „Ja! Wie steht es mit den Arbeitszeiten?“ Eine durchaus berechtigte Frage – nur sollte sie vielleicht nicht beim allerersten Vorstellungsgespräch gestellt werden. Teetz jedenfalls erklärt im Anschluss: „Besser wären Fragen nach Arbeitsabläufen und alles, was mir zeigt, dass der Bewerber echtes Interesse mitbringt.“ Fragen zu Arbeitszeit oder Gehalt seien besser in einem zweiten Gespräch aufgehoben.

Wer im Gespräch mit Thomas Breitenmoser von der Essanelle Hair Group bestehen will, sollte sein Interesse am besten gleich ungefragt mitteilen. „Im Speed Dating geht es mir um die Kommunikationsfähigkeit. Denn in unserer Branche müssen wir angstfrei auf andere Menschen zugehen.“ Wer das nicht kann, ist im Friseurberuf eher nicht so gut aufgehoben. Ob dann auch noch Talent für die fachspezifischen Tätigkeiten vorhanden ist, prüfen Breitenmoser und seine Kollegen im Praktikum vor Beginn der eigentlichen Ausbildung. „Da schauen wir, ob sie die Schere halten können und wie sie sich mit dem Kamm anstellen.“

Muhammed Akif Uludag konnte bei beiden Gelegenheiten überzeugen. Der 18-Jährige hat am 1. August seine Friseurlehre im Essanelle-Salon an der Osterstraße begonnen. „Ich war beim Speed Dating schon ziemlich nervös“, erzählt er. „Aber ich fand es eine tolle Bewerbungsmöglichkeit. Anders als der herkömmliche Weg, bei dem man eine Bewerbung schickt, auf Antwort wartet und nur vielleicht zum Gespräch eingeladen wird.“ Auf das Speed Dating hat er sich intensiv vorbereitet. „Sich vorher Antworten auf mögliche Fragen zu überlegen, das hilft gegen die Aufregung“, findet Muhammed. Außerdem hatte er sich schick gemacht – ganz im Sinne von Thomas Breitenmoser. „Wir verkaufen Aussehen und erwarten ein entsprechendes Erscheinungsbild.“

Ein gepflegtes Äußeres ist wichtig – aber auch die Körpersprache zählt

Martin Peetz, Ausbildungsleiter bei Auto Wichert, achtet zwar auch auf das Äußere – „dem ersten Eindruck kann sich niemand entziehen“ –, wesentlich mehr Aufmerksamkeit widmet er jedoch der Mimik und Gestik der Bewerber. „Körpersprache verrät uns viel über die Bewerber. Ich versuche einen möglichst authentischen Eindruck zu gewinnen. Das geht am besten, wenn sich der Bewerber im Gespräch öffnet, womit die oft nervösen Interessenten allerdings so ihre Schwierigkeiten haben.“ Aber Peetz weiß, wie er den Bewerbern die Nervosität nimmt, das bestätigt auch Maciej Makowski. „Beim Speed Dating hatte ich meine ersten Vorstellungsgespräche überhaupt. Klar war ich aufgeregt“, sagt er. Doch dann sei das Gespräch mit Martin Peetz ganz natürlich verlaufen, und er habe in Ruhe erklären können, warum sich in seinem Lebenslauf eine einjährige Lücke befinde. „Autos waren schon immer mein Hobby, und seit einem Praktikum wusste ich ganz genau, dass Kraftfahrzeugmechatroniker mein Wunschberuf ist. Nur konnte ich direkt nach dem Realschulabschluss keinen Ausbildungsplatz finden“, sagt der 20-Jährige.

Bei Auto Wichert hat es geklappt. „Im Praktikum konnte ich zeigen, was ich kann“, sagt Maciej. Am 1. August ist der angehende Kfz-Mechatroniker in die Ausbildung gestartet. Jedem, der nicht mit Noten oder Lebenslauf punkten kann, rät er zum Speed Dating im kommenden Jahr. „Hier hat jeder die Chance, persönlich zu überzeugen.“