Dirk Dobke leitet die Griffelkunst-Vereinigung. Offen sein für Neues, Chancen ergreifen ist sein Credo. Und immer das Netzwerk pflegen.

In einem großen, karg eingerichteten Büro sitzt Dirk Dobke hinter einem schlichten Holzschreibtisch, offener schwarzer Kragen, schwarzes Sakko, das Haar zum Zopf gebunden. Seit 2010 leitet der 45-Jährige die Griffelkunst-Vereinigung, einen Verein, der seit 1925 "Kunst für Jedermann" produziert, ansässig auf St. Pauli. Das Konzept: Jedes der 4500 Mitglieder bekommt für einen Jahresbeitrag von 132 Euro vier Werke zeitgenössischer Künstler. Darunter sind auch schon einmal Bilder von Stars wie Sigmar Polke, Jonathan Meese und Stephan Balkenhol.

Zudem ist Dobke Kurator des Dieter-Roth-Museums. "Die Dynamik der Kunst macht den besonderen Reiz dieses Metiers aus", sagt Dobke. Der quecksilbrige Markt sei auf der ständigen Suche nach dem Einzigartigen, dem Revolutionären, dem bahnbrechenden Geist. Gleichzeitig müsse man in diesem oft überreizten Umfeld fortdauernde Begabung erkennen können. "Bei der Griffelkunst-Vereinigung hecheln wir nicht kurzfristigen Trends hinterher", sagt Dobke, ein sorgfältiger und gründlicher Typ: "Kunst hat nichts mit getriebener Mode zu tun, sondern mit beständigem Talent und beharrlicher Aufbauarbeit."

Schon als Schüler fühlte Dobke sich von der Branche angezogen. Während Klassenkameraden Fußball spielten, ging der Hannoveraner ins Sprengel-Museum. Regelmäßig zog er sich zwischen die Werke von Paul Klee, Emil Nolde und Max Beckmann zurück. Das sei für ihn "eine Art fantastische Parallelwelt zum Abtauchen" gewesen, sagt Dobke. Lange wollte er selbst Künstler werden. Er malte und fotografierte, einige der Werke stehen heute bei seinen Eltern, die ihn damals in seinem Entschluss bestärkten. Nach dem Abitur ging er 1987 nach Hamburg, um Kunstgeschichte und klassische Archäologie zu studieren.

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Während des Studiums arbeitete Dobke in der renommierten Galerie Renate Kammer. Als diese eine neue Dependance am Münzplatz eröffnete, setzte sie dort den damals 24 Jahre alten Studenten ein. "Ich stand vom ersten Tag an allein in der Galerie und war für alles verantwortlich", erinnert sich Dobke. Angst, die Aufgabe nicht zu schaffen, hatte er nicht: "Mit der Haltung 'einfach machen und dabei lernen' bin ich immer gut gefahren."

Als Künstler allerdings fühlte er sich nicht gut genug. Sein Fokus verlagerte sich auf die Theorie. "Auch wenn ich damals keine konkrete Idee hatte, was ich später mal machen würde, war die Richtung doch klar", sagt Dobke. Ein Lebenslauf sei ja ohnehin nur bedingt planbar, findet er. Wichtiger sei es, aufmerksam und offen Chancen gegenüber zu sein - und diese auch zu ergreifen.

Eine solche bot sich mit der Doktorarbeit, die er 1994 über den Grafiker, Aktions- und Objektkünstler Dieter Roth begann. "Ich kannte seine Werke durch den Handel, in der Kunstgeschichte tauchten sie aber nicht auf", sagt Dobke. Kurzentschlossen schreibt er dem Künstler nach Basel. Roth sagt seine Unterstützung zu, die Doktorarbeit versieht er mit Anmerkungen und Skizzen.

"Der direkte Kontakt hat mir oft geholfen", sagt Dobke. Ohne die Offenheit, sich auf neue Positionen und Gedanken einzulassen, komme man im Kunstbetrieb nicht weit. "Netzwerken ist extrem wichtig." Schließlich sei das eine relativ geschlossene Szene. Nur wer Kontakte zu Sammlern, Sponsoren, Verlegern und Künstlern zu bündeln und neu zu verknüpfen wisse, könne sich durchsetzen. Kontakte knüpft er auch auf Kunstmessen wie der Art Basel oder der Art Cologne, von denen Dobke jährlich drei bis vier besucht. Für mehr fehlt dem Vater zweier Kinder die Zeit.

Nach Abschluss der Doktorarbeit und einem Zwischenspiel in einer Werbeagentur - "die drei schlimmsten Monate meines Lebens" - kommt 1998 ein überraschender Anruf vom Aktionskünstler Roth. Gerade in Hamburg, lädt er ihn zu einem spontanen Treffen in das Haus des befreundeten Rechtsanwalts Philipp Buse in Harvestehude ein, der in seiner Privatsammlung mehr als 3000 Objekte von Roth verwahrt. Die Werke sollten inventarisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. "Gerade von der Uni, war das eine Riesenchance, alle Belange eines Museums bespielen zu können", sagt Dobke. Wieder heißt es "machen und lernen": Voller Energie wirft er sich in die Aufgabe und wird später Kurator des Dieter-Roth-Museums. Was wie geschenkt anmutet, ist mit Unsicherheiten und viel Eigeninitiative verbunden: "Ich musste meine Bereiche immer wieder neu abstecken, es gab ja nicht Fertiges."

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Er baut in der Villa des Sammlers Buse ein Museum auf, organisiert Ausstellungen, schreibt Werksverzeichnisse und Bücher, schiebt Ideen an - arbeitet von Projekt zu Projekt, ohne verbindlichen Vertrag. Das Vertrauen von Roth und Buse habe ihm in dieser Zeit den Rücken gestärkt.

Um ein zweites Standbein zu haben, steigt er in den Kunsthandel ein und bahnt als Vermittler zwischen Sammler und Händler oder Museen Käufe an. Gemeinsam mit einem Freund gründet er eine Galerie, Artfinder, aus der er später wieder aussteigt: "Alle sechs Wochen begeistert andere Werke anzupreisen, die sich nicht immer mit den eigenen Überzeugungen decken, ging irgendwann nicht mehr."

In seiner heutigen Position als Geschäftsführer der Griffelkunst-Vereinigung vereint er seine beiden Pole: das Künstlerisch-Kreative und das Betriebswirtschaftliche. Das sei nicht jedermanns Sache, sagt Dirk Dobke. "Die Verantwortung für die wirtschaftliche Seite übernehmen nur wenige aus dem Kunstbetrieb gerne." Dobke hingegen empfindet diese Aufgabe als eine spannende Herausforderung.

Viel umkrempeln will er bei der Griffelkunst nicht. Es gelte das hohe Niveau zu halten und weiterhin wichtige zeitgenössische Künstler vorzustellen und zu fördern. Kamen diese bisher zum großen Teil aus Deutschland, will Dirk Dobke verstärkt auch internationale Künstler für die Griffelkunst anwerben.

Ein weiterer von Dobkes Schwerpunkten: alternative Medien. Statt den Mitgliedern für ihren Jahresbeitrag nur gedruckte Grafiken anzubieten, gab es jüngst diverse Filmszenen des experimentellen Filmemachers Romeo Grünfelder - gedruckt wie Briefmarken auf einem Briefmarkenblock. Ein nebenstehender QR-Code ermöglicht es Smartphone-Nutzern, zu den dazugehörigen Filmsequenzen zu surfen. "Ich möchte die Griffelkunst für unsere Zeit inhaltlich und technisch öffnen und gleichzeitig die traditionelle Linie beibehalten", sagt Dobke.