Belegschaften altern. Unternehmen, die das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten mit Kursen und Wertschätzung fördern, senken den Krankenstand und erhöhen die Motivation.

Bis zum Jahr 2030 wird es in Deutschland voraussichtlich 6,3 Millionen weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter geben, meldet das Bundesarbeitsministerium. Gleichzeitig werden die Belegschaften älter: Die Zahl der 20- bis 59-Jährigen wird voraussichtlich um fast acht Millionen zurückgehen, während die der 60- bis 64-Jährigen um 1,6 Millionen zunimmt.

"Es besteht Handlungsbedarf, damit die Mitarbeiter leistungsstark bleiben", sagt Susanne Wehowsky von der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung (HAG). Viele Firmen seien sich dessen auch schon bewusst, hat sie festgestellt. Allein: "Im Tagesgeschäft stehen immer noch zu oft andere Aufgaben im Vordergrund."

Bei Niederegger heißt das Programm "Fit in die zweite Halbzeit"

Ein Unternehmen, das das Thema angepackt hat, ist der Lübecker Marzipanhersteller Niederegger. Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter liegt bei 47 Jahren. "Unsere Produkte sollen größtmögliche Frische und Qualität haben", sagt Personalchef Klaus Puschaddel. "Das gilt für unsere Mitarbeiter genauso." Der ersten Aktion "Rauchfrei" im Jahr 2007 folgte "Fit in die zweite Halbzeit". Das erklärte Ziel von Geschäftsführung und Betriebsrat: ein "Beitrag zum Erreichen des Rentenalters bei guter Gesundheit durch rechtzeitige Vorsorge".

Ernährung, Entspannung und Bewegung seien die drei Aspekte gewesen, die die Mitarbeiter in einer Befragung als wichtig nannten, sagt Puschaddel. Daraufhin wurden unter anderem Schulungen zum Heben und Tragen angeboten, eine Trainerin zeigte Ausgleichsübungen bei langem Stehen, die Mitarbeiter konnten Schnupperkurse in Entspannungstechniken besuchen, es gab Ernährungsberatung, und die Kantine modifizierte ihr Angebot. Umrüstzeiten der Maschinen werden nun für eine Aktiv-Pause mit Gymnastik genutzt. "Das Ergebnis der Evaluation hat mich wirklich überrascht", sagt Klaus Puschaddel. "Die Mitarbeiter fühlen sich nach solchen Maßnahmen um 40 Prozent wohler."

Doch es sind nicht nur die konkreten Maßnahmen, die wirken. Unternehmen, die älteren Mitarbeitern Angebote in Weiterbildung und Gesundheitsförderung machen, zeigen ihnen damit Wertschätzung. "Es ist nicht die Quantität der Arbeit, die belastet, sondern die Qualität", sagt Andrea Gensel, Inhaberin des Coaching- und Beratungsunternehmens CarpeDiem24. Führungskräfte, die nicht genug mit ihren Mitarbeitern reden, kaum Info, was die Ziele des Unternehmens sind und was vom Mitarbeiter erwartet wird - fehlende Anerkennung prägt sich vielfältig aus. "Und Mitarbeiter 55plus sind keinesfalls dickfelliger als 25-Jährige", sagt Gensel. Wer glaubt, sie bräuchten kein explizites Feedback mehr auf ihre Leistung, liege damit falsch.

+++Mehr Wertschätzung!+++

"Ältere Mitarbeiter darf man bei der Fortbildung nicht abhängen", sagt Julia Scharnhorst, Psychologin und Inhaberin der Beratung Health Professional Plus. Wer sie von Seminaren und Workshops ausschließe, manövriere die Mitarbeiter ins fachliche Aus. Folge: Sie arbeiten nur noch Routineaufgaben ab. "Doch es ist nicht gut für die Gesundheit, wenn man immer das Gleiche tut."

Gesundheitsmanagement für Mitarbeiter über 50 falle auf fruchtbaren Boden, sagt Jürgen Wurm, Trainer und Berater rund um das Thema Work-Life-Balance. "Ältere Mitarbeiter haben durchaus Interesse, lange zu arbeiten - wenn sie von ihrem Unternehmen unterstützt werden." Unterstützung zum Beispiel in der Form, dass Beschäftigte mitbestimmen können, wie ihre Arbeitszeit aussieht. "Man sollte etwa Nachtschichten reduzieren, sie stören den Biorhythmus", sagt Andrea Gensel von CarpeDiem24. Gut sei auch, die Möglichkeit zur Heimarbeit zu bieten, wenn das praktikabel sei. "Bei älteren Mitarbeitern wird auch das Thema Pflege von Angehörigen wichtiger", sagt Psychologin Julia Scharnhorst. Mit Langzeitarbeitszeitkonten könne ein Unternehmen dem Mitarbeiter viel zusätzlichen Stress ersparen.

Großunternehmen sind in der Regel ein paar Schritte weiter als kleinere Firmen, was Angebote an ältere Mitarbeiter betrifft. "Da ist der Handlungsbedarf größer, und die Gelder sind vorhanden", sagt Torben Breuker, der bei der Handelskammer Hamburg das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement betreut. Für die ersten Schritte braucht es indes gar nicht so viel Geld: "Altersgemischte Teams einzuführen ist relativ kostenneutral", sagt Susanne Wehowsky von der HAG. "Das ist eine Sache der Personalentwicklung." Ähnlich, Mentorenpaare einzuführen: "Der Ältere gibt sein Know-how, der Jüngere seine Kraft." Das Beste und Einfachste sei, seine Mitarbeiter zu fragen, was sie brauchen, rät Julia Scharnhorst. "Viele Unternehmen haben Angst, dass da furchtbar teure Wünsche geäußert werden", sagt sie. "Aber nach meiner Erfahrung ist das überhaupt nicht so. Die Mitarbeiter haben meist sehr realistische und auch günstige Ideen." Dann geht es zum Beispiel darum, eine störende Lärmquelle abzuschalten. Oder es werde eine technische Hilfe beim Heben gebraucht. "Mitunter geht es aber auch um die Frage, wie eine Führungskraft mit den Mitarbeitern umgeht."

Sich in der Gesundheitsförderung zu engagieren, zahlt sich für Unternehmen aus - in mehr Motivation der Mitarbeiter, weniger Krankentagen, höherer Produktivität. "Man bekommt langfristig das Doppelte bis Zehnfache dessen heraus, was man investiert hat", sagt Julia Scharnhorst. Und nicht zuletzt steige das "Wir-Gefühl" im Unternehmen, sagt Trainer Jürgen Wurm. "Das lässt sich zwar schwer in Zahlen messen, ist aber für jeden spürbar."