Korruption ist ein großes unternehmerisches Risiko. Bei einem Verdacht können sich Mitarbeiter an den Verein Pro Honore wenden.

Die Regeln im Geschäftsverkehr sind streng, auch zu Weihnachten. "Es ist ein großer Unterschied, ob Sie zum Beispiel eine Flasche Wein an einen Amtsträger oder an eine Person der freien Wirtschaft schicken", sagt Korruptionsermittler Marius Richter. Denn die Grenzen für Beamte und Beschäftige in der öffentlichen Verwaltung sind viel niedriger. Mehr als ein kleines Präsent, etwa ein Werbeartikel, ist nicht erlaubt. Bis zu zehn Euro - einen höheren Wert darf es nicht haben. Wer mehr schenkt, riskiert Ärger und setzt sich unter Umständen dem Verdacht der Bestechung aus. Auf den ersten Blick scheint das vielleicht überzogen. Doch dienen diese strikten Regeln dem Ziel, den öffentlichen Dienst korruptionsfrei zu halten.

Im Amt geht es um Unabhängigkeit, bei Firmen um fairen Wettbewerb

Korruption ist auch in der Wirtschaft geächtet. Doch die Rechtslage ist eine andere. Bei den Amtsträgern und in der Verwaltung geht es darum, deren Unabhängigkeit zu garantieren. In der Wirtschaft richtet sich korruptes Verhalten gegen den Wettbewerb, also gegen andere Marktteilnehmer, die nicht zum Zuge kommen. Außerdem entsteht dem Unternehmen ein Schaden, welches wegen der Bestechungsgelder quasi überhöhte Preise zahlt.

Behördenmitarbeitern werden Amtsdelikte zur Last gelegt, Täter aus der Wirtschaft stehen wegen Bestechung, Untreue und Betrug vor Gericht. Da Korruptionsgelder nicht deklariert werden, kommt immer auch noch Steuerhinterziehung dazu. Die Karriere und häufig auch die bürgerliche Existenz sind dann futsch. "Anfüttern" nennen die Buchautoren Marius Richter und Norbert Naulin den Vorgang, jemanden peu a peu in Abhängigkeit zu bringen.

"Anfüttern bedeutet, mit kleinen unverfänglichen Dingen eine gewisse Verbindung herzustellen. Gemeinsam Kaffee zu trinken ist sicher unproblematisch. Aber die Häufigkeit und die Gewöhnung machen den Unterschied", sagt Richter. "Wenn durch Einseitigkeit in einem schleichenden Prozess eine Verpflichtung entsteht, dann spricht man von Anfüttern." Die meisten Menschen verfügen über ein intaktes Bauchgefühl. Darauf sollte man dann tunlichst hören und mit einem "Nein" für Klarheit sorgen, rät er.

Die Grenzen für Geschenke und Zuwendungen zwischen abhängig beschäftigten Geschäftspartnern fallen in der freien Wirtschaft großzügiger aus. Auch wenn nicht genau festgelegt, gilt ein Gegenwert von 30 bis 40 Euro als unproblematisch. Sollte man sich als Begünstigter unwohl fühlen, raten Richter und Naulin zu einem Perspektivwechsel. Wie würde man selbst über eine Zuwendung denken, wenn man davon erfahren würde, dass ein anderer sie erhalten hat? Gegebenenfalls sollte man von der Zuwendung Abstand nehmen. Mit Kollegen und dem Vorgesetzten darüber zu reden, sichert den Betroffenen zusätzlich ab.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Korruption aufgedeckt wird, liegt nur bei etwa fünf Prozent. Der Schaden, der dadurch jedes Jahr entsteht, geht in die Milliarden. Doch in den Unternehmen hat ein Umdenken eingesetzt, sagt Rechtsanwalt Otto D. Dobbeck. Er betreibt für den Verein Pro Honore die Vertrauensstelle der Hamburger Wirtschaft gegen Korruption. Diese steht allen Hamburgern offen, die von kriminellen Praktiken in ihrem Unternehmen Kenntnis haben und unsicher sind, wie sie sich verhalten sollen. "Es ist doch einfach nicht wahr, dass niemand im Unternehmen von Korruption und deren Auswirkungen etwas mitbekommt. Doch die etwas beobachten, wissen oft nicht, an wen sie sich wenden können", sagt Dobbeck. Er behandelt alle, die zu ihm kommen, wie Mandanten. Das heißt, sie genießen volle Vertraulichkeit. So sollen persönliche Nachteile für den Tippgeber auf jeden Fall verhindert werden.

Dobbeck sieht die Hamburger Wirtschaft insgesamt auf einem guten Weg. Diese Einschätzung teilt Joachim Schwanke, Leiter der Dienststelle Interne Ermittlungen der Innenbehörde. Kritisch merkt er jedoch an, dass Unternehmen aus Furcht vor einem Reputationsschaden Korruptionsfälle in aller Stille regeln. Auch Rechtsanwalt Dobbeck plädiert für einen professionellen Umgang mit dem Thema: "Korruption ist ein massives unternehmerisches Risiko. Als solches sollte man es behandeln und qualifizierte Prävention betreiben. Kommt es dennoch zu einem Korruptionsfall, rate ich zu einem offenen Umgang mit dem Thema."

Tatsächlich können Unternehmen durch organisatorische Maßnahmen und konsequente Kontrollen Korruptionsrisiken wirksam begegnen. Haben sie die gefährdeten Bereiche identifiziert, helfen zum Beispiel Jobrotation, das Vier-Augen-Prinzip oder die Trennung von Vergabe und Abnahme von Aufträgen. Zu den gefährdeten Bereichen gehören auch die höheren Ebenen in der Führungshierarchie. Nach einer Studie der Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers aus dem Jahr 2009 stammen ein Viertel der Täter aus dem Top-Management.

Korruptionsermittler Marius Richter: "Nehmen ist vielleicht Sache des Angestellten, aber Geben ist Chefsache. Bestechung kann nicht am Chef vorbeigehen. Kein Vertriebler wird ein größeres Präsent offerieren, ohne das mit seinem Vorgesetzten abzustimmen. Insofern ist Bestechung immer Chefsache."