Die Entscheidung für das eine oder andere wird leichter, wenn Abiturienten sich klarmachen, dass kein Weg endgültig ist

Trotz aller Informationsangebote sind Jugendliche auch heute noch oft überfordert, wenn es um die Berufswahl geht. Die Eltern – wichtiger Einfluss hierbei – können kaum helfen. „Sie kennen die Vielfalt der Studiengänge und Ausbildungsberufe in der Regel gar nicht mehr“, sagt Anne Rehmet, Leiterin des Career Office an der Kühne Logistics University (KLU). Und bei Jugendlichen selbst hapere es oft daran, das, was sie täglich erleben oder was ihre Hobbys sind, mit einem Beruf zu verknüpfen. „Warum berücksichtigt zum Beispiel ein Schüler, der sich für Gaming oder Mode interessiert, nicht die Vielzahl der Designberufe? Warum berücksichtigt der Mathe-Crack mit Spaß am Internationalen nicht die Logistik?“, fragt Rehmet. Stattdessen interessieren sie sich für die Klassiker der Ausbildungsberufe oder entscheiden sich erst einmal für „was Sicheres“ wie ein Jura- oder BWL-Studium.

Kein guter Ansatz, findet Karriereexpertin Rehmet. „Denn am erfolgreichsten sind immer diejenigen, die verstehen, dass es um ihre eigene Zukunft, um ihr eigenes Leben geht.“ Sich für eine Ausbildung zu entscheiden, weil man keine Lust mehr aufs verschulte Lernen hat, sei genauso fragwürdig, wie ein Studium zu wählen, weil einem nichts anderes einfällt. Was also spricht für das eine oder das andere?

Relevant bei der Frage, ob Studium oder Lehrstelle, ist auch die eigene Reife

Zunächst einmal die eigenen Neigungen und Fähigkeiten, sagt Garvin Vollmer, Leiter der Mitarbeiterentwicklung bei der Drogerie-Kette Budni. „Wer es liebt, Wissen aufzusaugen, und in der Lage ist, sich selbst zu strukturieren, ohne sich allein gelassen zu fühlen, der kann im Studium erfolgreich sein“, erklärt er. „Wer nach der Schule endlich praktisch arbeiten möchte und sich beim Lernen Orientierung und Begleitung wünscht, für den ist eine Ausbildung wahrscheinlich das Richtige.“ Uve Samuels, Geschäftsführer der Hamburg School of Business Administration (HSBA) – Hochschule der Wirtschaft, schaut in dieser Frage immer auch auf den Entwicklungsstand des Schulabgängers. „Wer erst einmal vorrangig noch in seiner Persönlichkeit reifen will, für den kann der Schritt in die Berufsausbildung am sinnvollsten sein.“

Zumal der Weg ins Studium auch später noch offensteht. „Der einmal eingeschlagene Weg muss nicht der endgültige sein“, sagt Garvin Vollmer. „Der eine bildet sich bei internen Weiterbildungsprogrammen fach- oder auch führungsorientiert weiter, der andere studiert – dual oder extern.“ Eines müsse man aber bedenken, warnt Anne Rehmet von der KLU: „Wer einmal aus dem Lernen raus ist, dem fällt es oft schwer, wieder damit anzufangen.“

Erst Ausbildung, dann Studium hält Ute Gietzen-Wieland, Karriereberaterin beim Consultingunternehmen von Rundstedt, dennoch für eine gute Idee. „Die Ausbildung ist eine hervorragende Grundlage, insbesondere bei technischen Berufen“, sagt sie. Wer ausgelernt hat und dann studiert, habe ein sehr gutes Verständnis für die praktische Bedeutung dessen, was er an der Hochschule lernt. „Außerdem hat man, gerade wenn man später eine Führungsaufgabe innehat, eine ganz andere Akzeptanz im Unternehmen.“

Dass die Hochschulabsolventen mit vorheriger Ausbildung relativ alt sind im Vergleich zu denen, die gleich ein Bachelorstudium absolvieren, stört Unternehmen nicht, so die Erfahrung von Gietzen-Wieland. „Wichtig ist vielmehr, dass der junge Mensch erklären kann, warum er diesen Weg gewählt hat, und nicht der Eindruck entsteht, er sei zufällig oder aus Mangel an Alternativen dorthin geraten.“ Das Thema Alter treibt vor allem die Absolventen selbst um, sagt Anne Rehmet. Ablehnung seitens der Arbeitgeber sieht auch sie nicht. „Sie wissen, dass Studenten, die schon Berufserfahrung haben, ihr Studium viel zielorientierter gestalten als andere.“ Außerdem punkten die jungen Akademiker mit Reife: „So kann man diese Absolventen zum Beispiel schnell und gut im Kundenkontakt einsetzen.“

Startbedingungen für Absolventen dualer Studiengänge sind sehr gut

Dafür, Ausbildung und Studium gleich in einem dualen Studiengang zu verbinden, spricht auch vieles. „Die Startbedingungen für diese Absolventen sind ziemlich gut“, sagt Uve Samuels von der HSBA. Mehr als 80 Prozent bekommen von ihren Ausbildungsunternehmen ein Übernahmeangebot.

Ute Gietzen-Wieland sieht das ähnlich. Allerdings hält die Beraterin Karriereaussichten von Uni-Absolventen für teils besser. „Ein Universitätsstudium hat in der Wahrnehmung einen höheren Stellenwert als die Fachhochschule oder das duale Studium.“ Wer etwa in einer renommierten Unternehmensberatung oder Kanzlei arbeiten wolle, sollte sich fürs Studium entscheiden. Allerdings gibt es Anzeichen, dass sich in der freien Wirtschaft ein Umdenken anbahnt. „Es fällt auf, dass infolge des Fachkräftemangels Unternehmen von ihren bisherigen Standards abweichen“, sagt Ute Gietzen-Wieland.