Ende November und Dezember endet für viele Auszubildende die Probezeit – ein Moment, um die Berufswahl noch einmal auf den Prüfstand zu stellen

Der Ausbilder ist nicht so toll und die Arbeit ganz anders als gedacht: Ein paar Monate nach Ausbildungsbeginn ist bei einigen Anfängern Ernüchterung eingetreten. Während die Freunde von ihrer Lehre schwärmen, glaubt sich manch anderer im falschen Betrieb oder im falschen Job. Für Letztere stellt sich nun die Frage: gehen oder bleiben?

Die Probezeit für Azubis dauert in der Regel vier Monate: Wer im August angefangen hat, für den läuft sie Ende November aus; bei denen, die im September gestartet sind, zum 31. Dezember. Dann kann sowohl der Azubi als auch der Betrieb den Arbeitsvertrag ohne Folgen beenden. Wenn es nicht passt, sollte man diese Gelegenheit auch nutzen, sagt Fin Mohaupt, Leiter der Aus- und Weiterbildungsberatung bei der Handelskammer Hamburg. „Dafür ist die Probezeit ja da.“

Gebäudereiniger schmeißen oft hin, Bankkaufleute dagegen eher selten

Von allen Ausbildungsverträgen wurde 2013 jeder Vierte (25 Prozent) vorzeitig gelöst, berichtet Alexandra Uhly vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Rund ein Drittel (33,6 Prozent) der Vertragslösungen geschieht schon in der Probezeit. Besonders hoch sei die Lösungsquote bei den Gebäudereinigern (50,7 Prozent), Friseuren (49 Prozent) und bei Köchen (48 Prozent). Eine geringe Quote an Vertragslösungen gibt es dagegen in den Ausbildungsberufen im öffentlichen Dienst (6,4 Prozent) oder bei Bankkaufleuten (5,8 Prozent).

Pauschal von „Abbrechern“ zu sprechen wäre allerdings nicht richtig. „Die meisten Azubis sehen es auch gar nicht als Abbruch“, erklärt Fin Mohaupt. „Sie sagen, sie wollen wechseln.“ Die Quote nach oben treiben darüber hinaus diejenigen, die den Vertrag wieder lösen, noch bevor sie ihren ersten Arbeitstag hatten. „Jugendliche haben inzwischend eine zunehmend große Auswahl an Ausbildungsplätzen“, sagt Mohaupt. Und schwenken dann eben auch kurzfristig noch einmal um, weil sie darin ein „Upgrade“ sehen, in Bezug auf Ausbildungsbetrieb oder Beruf.

Katharina Schumann, Leiterin der Bildungsberatung bei der Handwerkskammer Berlin, sagt, dass viele Jugendliche trotz Praktika erst am Beginn der Lehre feststellen, dass der Beruf ganz anders ist, als sie erwartet haben. Zum Beispiel begreifen sie erst jetzt, was Arbeitsbedingungen wie Schicht- oder Wochenenddienst tatsächlich bedeuten: etwa der Friseurlehrling, der realisiert, dass er tatsächlich regelmäßig am Sonnabend arbeiten muss, der Einzelhandelskaufmann, der nicht mit Überstunden gerechnet hat, oder die Restaurantfachfrau, der angekündigt wird, dass Weihnachten Hauptgeschäfts- und keine Urlaubszeit ist.

Am Informationsangebot liegt das sicher nicht, sagt Fin Mohaupt und verweist auf das Aktionsbündnis für Bildung und Beschäftigung, in dem Hamburger Schulen, Kammern, Betriebe und weitere Institutionen auf Initiative der Stadt zusammenarbeiten. „Wer ein bisschen Interesse zeigt, findet auf allen Kanälen Infos“, sagt der Ausbildungsberater.

„Doch es sind eben Jugendliche“, ergänzt er. „Man kann nur immer wieder an sie appellieren, sich auch mal für andere Berufe zu interessieren als die Top Ten, die immer wieder gewählt werden.“ Kfz-Mechatroniker, Verkäufer, Friseurin – sie gehören Jahr für Jahr wieder zu den Favoriten.

Im Wesentlichen sind es drei Gründe, aufgrund derer Azubis in ihrem Ausbildungsbetrieb Schwierigkeiten haben: Zum einen, „weil es nicht so kuschelig ist wie in der Schule“, sagt Fin Mohaupt. „Doch da muss man einfach durch. Lehrjahre sind keine Herrenjahre, der Spruch gilt auch heute noch.“ Zum anderen gibt es eine große Gruppe, die Probleme hat, die eigentlich außerhalb des Betriebs liegen – psychische Beeinträchtigungen, familiäre Schwierigkeiten, Kauf- oder PC-Spielsucht –, die aber auf den Arbeitsplatz durchschlagen. „Die dritte Gruppe bilden diejenigen, bei denen tatsächlich etwas nicht in Ordnung läuft“, sagt der Ausbildungsberater. „Die sollen zu uns kommen, dafür sind wir da.“ Mitunter werde die Ausbildungsordnung nicht eingehalten, erzählt Mohaupt. Die Lehrlinge dürften etwa die Berufsschule nicht besuchen. „Dann nehmen wir Kontakt zum Ausbildungsbetrieb auf.“ Mohaupt weist aber auch darauf hin, dass zunächst der Azubi in der Pflicht ist. „Als Allererstes muss er natürlich selbst das Gespräch mit dem Ausbilder oder der Auszubildendenvertretung suchen.“

Was aber, wenn sich nichts mehr richten lässt und ein Lehrling wirklich „rauswill"? Das Wichtigste sei, nicht ohne Plan B abzubrechen, sagt Jürgen Wursthorn, Ausbildungsexperte von der Bundesarbeitsagentur. Wer mangels einer Alternative längere Zeit zu Hause herumsitzt, nichts macht und so eine Lücke im Lebenslauf entstehen lässt, läuft Gefahr, diesen Makel nicht mehr wegzubekommen. Denn ein Abbruch ohne Plan B ist künftigen Arbeitgebern nur schwer vermittelbar.

Ein Wechsel der Ausbildung muss gut durchdacht und geplant sein

Ein geplanter Wechsel aus vernünftigen Gründen sei für Arbeitgeber dagegen meist kein Problem, sagt Wursthorn. Es dürfe nur nicht der Eindruck entstehen, dass Jugendliche leichtfertig hingeschmissen haben, weil sie keine Lust mehr haben. Dann sei schnell der Gedanke da: „Wenn der erneut keine Lust mehr hat, schmeißt er wieder hin.“ Jugendliche sollten sich beim Plan B außerdem sicher sein, dass sie ihn dann bis zum Ende durchziehen. Wer zwei- oder dreimal eine Ausbildung abgebrochen hat, findet nur schwer einen neuen Arbeitgeber, warnt Katharina Schumann von der Handwerkskammer.

In vielen Fällen hilft es, wenn sich der Jugendliche, der Ausbildungsbetrieb und ein Berater von der Arbeitsagentur oder den Kammern zusammensetzen. „In circa 50 Prozent der Fälle verhindert so ein Gespräch den Abbruch“, schätzt Wursthorn. Es könne dazu beitragen, Missverständnisse auszuräumen. Viele Jugendliche hätten zum Beispiel die Illusion, dass sie von Beginn an selbstständig anspruchsvolle Aufgaben bearbeiten dürfen. Mancher ist dann enttäuscht, wenn er zunächst Hilfstätigkeiten wie Kopieren übernehmen soll. Viele Jugendliche sind schon beruhigt, wenn sie wissen, dass die interessanteren Aufgaben später kommen.