Die Studentin Katrin Jankovicz arbeitet beim Gabelstaplerunternehmen Jungheinrich und schreibt ihre Thesis

Ihre Abschlussarbeit für die Schublade schreiben? Das kam für Katrin Jankovicz nicht infrage. Die 27-Jährige studiert Internationales Management in einem trinationalen Studiengang in Dresden, Moskau und Paris und wünschte sich für ihre Masterarbeit ein relevantes Praxisprojekt. „Ich wollte etwas Handfestes machen“, sagt Jankovicz, die ursprünglich aus Kiel stammt und ihre Thesis an einem konkreten Beispiel über Prozessmanagement im Unternehmen schreibt.

Und sie wurde fündig: Seit April arbeitet die Studentin beim Gabelstaplerunternehmen Jungheinrich, investiert dort drei Tage pro Woche in ein unternehmenseigenes Projekt und zwei weitere in ihre Masterarbeit. Und bekommt dafür neben Praxiserfahrung auch noch ein monatliches Gehalt.

Die Vorteile sind ein Netzwerk, Gehalt und Berufseinstieg

„Die Abschlussarbeit in einem Unternehmen zu schreiben kann Vorteile haben“, sagt Anne Rose Sanderink. Die Diplom-Psychologin arbeitet bei der Zentralen Studienberatung an der Technischen Uni Hamburg-Harburg, betreut dort im Rahmen des Programms Finishing vor allem Hochschulabsolventen. Sie weiß: „Die Studenten lernen das jeweilige Unternehmen kennen, bauen sich dort ein Netzwerk auf, bekommen ihre Abschlussarbeit auch noch finanziert und können – wenn alles gut läuft – im Anschluss an das Studium dort einsteigen.“

Möglich ist eine solche Kooperation mit einem Unternehmen vor allem für Absolventen der technischen, zum Teil auch der wirtschaftswissenschaftlichen Fächer, aufgrund der Dauer der Abschlussarbeit und ihrer Tiefe im Master eher als im Bachelor.

Katrin Jankovicz ist über eine Anzeige auf das Unternehmen Jungheinrich aufmerksam geworden, bewarb sich dort direkt für die Abschlussarbeit. „In der Regel absolvieren alle Studenten bei uns zunächst ein mindestens dreimonatiges Praktikum“, erklärt Liv Langmaack, die das Personalmarketing und das Praktikantenmanagement bei Jungheinrich betreut. Dieses diene einerseits der Bereichs- und Themenfindung, andererseits der beidseitigen Prüfung, ob Student und Unternehmen überhaupt zusammenpassen.

Denn auch die Konzerne profitieren stark von den Arbeiten der Studenten. „Die Forschungsergebnisse der Masterabsolventen, die noch nicht die interne Unternehmensbrille aufhaben, sind für uns besonders spannend”, sagt Langmaack. Außerdem: „Für viele technische Simulationen wären die Kapazitäten im Berufsalltag sonst gar nicht vorhanden.”

„Für Studenten sehr positiv und deshalb so beliebt ist die Abschlussarbeit im Unternehmen auch deshalb, weil sie erleben, dass ihre Ergebnisse in der Praxis Relevanz haben“, sagt Sanderink. Dennoch: Es gibt auch Nachteile, und die betreffen eben jene Forschungsresultate. „Die wissenschaftlichen Ansprüche an eine Abschlussarbeit decken sich nicht immer mit den wirtschaftsorientierten Fragestellungen der Betreuer im Unternehmen.“ Deshalb sei es für Studenten häufig nicht leicht, den passenden Betreuer für ihr Thema an der Hochschule zu finden und die verschiedenen Interessen miteinander zu vereinbaren.

Zusätzliche Arbeit und viel Einsatz abends und am Wochenende

Für eine erfolgreiche Kooperation mit dem Unternehmen rät Sanderink deshalb dazu, getroffene Absprachen zum gewählten Thema und zum Zeitumfang unbedingt zu verschriftlichen. „In der Regel sind das die beiden Punkte, in denen die Abschlussarbeit sonst ausartet“, sagt die Studienberaterin.

Zusätzliche Arbeit bedeutet diese praxisnahe Form der wissenschaftlichen Thesis allemal. Auch Jankovicz arbeitet täglich von 9 bis 17.30 Uhr bei Jungheinrich, schreibt ihre Abschlussarbeit über die zwei Tage hinaus häufig noch nach 20 Uhr und am Wochenende.

Schließlich kann sie mit gutem Grund hoffen, dass sich ihre Mühe schon bald auszahlen wird. Gute Aussichten auf eine Übernahme bei Jungheinrich hat sie: „Zwei Drittel unserer Direkteinsteiger sind ehemalige Praktikanten“, sagt Liv Langmaack. Und auch Sanderink hält die Chancen für einen gelungenen Berufseinstieg für hoch: „Denn sollte es mit der Übernahme nicht klappen, macht sich eine praxisnahe Abschlussarbeit in den Bewerbungen an andere Unternehmen gut.“