Von einer Karriere als Profimusiker träumen viele. Doch Jobs sind rar. Ein Studium kann helfen, ein gutes Netzwerk ist unerlässlich

Jahrelang geübt, geprobt, gespielt: Philip Niessen hat für seinen Berufswunsch Musiker viel getan – und eine Menge erreicht. Er hat schon mit Künstlern wie Xavier Naidoo, Die Fantastischen Vier und Roger Cicero zusammengearbeitet und war Gitarrist in Stefan Raabs TV-Total-Band Heavytones. Zurzeit spielt er in der Live-Band von „The Voice of Germany“ und geht ab diesem Wochenende mit Max Herre auf Tournee (29. August auf der Hamburger Trabrennbahn). Jobs werden dem 41-jährigen Profimusiker dennoch nicht auf dem Silbertablett serviert. „Ich muss sehen, dass der Rubel rollt“, sagt Niessen.

Erfolg als Musiker hat immer auch mit einem guten Netzwerk und einem Quäntchen Glück zu tun. Und mitunter auch mit einem Studienabschluss. Nach Angaben des Deutschen Musikinformationszentrums (MIZ) immatrikulierten sich 2012 (neueste verfügbare Daten) in Studiengängen für Musikberufe 5467 Studienanfänger, davon 1941 für Instrumental- und Orchestermusik. Für das Lehramt Musik an allgemeinbildenden Schulen schrieben sich 811 angehende Hochschüler ein.

Auf acht Plätze im Fach Klavier kommen an der HfMT 250 Bewerber

An der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) Hamburg sind 620 Studenten für musikalische Fächer eingeschrieben. Bewerbungen bekommt das Institut aber viel mehr. „Auf acht Plätze im Bereich Klavier kommen etwa 250 Bewerber“, gibt Elmar Lampson, Präsident der HfMT, ein Beispiel. Dementsprechend streng ist die Auswahl. „Wir haben Studenten aus 50 Nationen hier“, sagt er. „Jede Aufnahmeprüfung ist somit ein internationaler Wettbewerb.“ Der Lohn, wenn es klappt: „Wer hier angenommen wird, hat später auch wirklich Chancen, sich als Künstler zu etablieren“, sagt Lampson.

„Eine universitäre Ausbildung ist aber weder eine Voraussetzung noch eine Garantie für eine Karriere als Musiker“, erklärt Professor Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrats. Er unterrichtet seit 1986 Violoncello an der Universität der Künste (UdK) Berlin. Wer sich dafür interessiert, müsse wissen, in welche Richtung es gehen soll. Es gebe Ausbildungen, die von Universitäten, Musikhochschulen, Akademien und privaten Schulen angeboten werden. Darüber hinaus offerieren verschiedene Ausrichter Intensivworkshops wie zum Beispiel den Popkurs an der HfMT, an dem jeden Sommer rund 50 Musiker teilnehmen können. Ihn haben zum Beispiel Roger Cicero und die Bandmitglieder von Wir sind Helden besucht.

Wie der UdK-Professor sieht auch Philip Niessen den Besuch einer Bildungseinrichtung nicht als Bedingung an, um Profi zu werden. Zwar hat er Gitarre an der Musikschule Köln und in den Niederlanden am Konservatorium Arnheim studiert. Doch beides brach er ab. „Das Studium war mir zu theoretisch. Hätte ich Musiklehrer werden wollen, wäre es vielleicht das Richtige gewesen.“

Dabei ist Musik zu unterrichten sogar oft eines der Standbeine vieler Profimusiker – neben der Begleitung anderer Künstler, eigenen Projekten oder auch dem Musikmanagement, wie es zum Beispiel die Organisation von Festivals darstellt.

„Den Studenten ist klar, dass sie zu bestimmten Phasen in dem einen Bereich mal mehr arbeiten werden als in dem anderen“, sagt Udo Dahmen. Er ist künstlerischer Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg. Das unterstreicht auch Helge Zumdiek, Geschäftsführer der Hamburg School of Music (HSM). Dort werden innerhalb von zwei Jahren „Staatlich anerkannte Berufsmusiker im Bereich Popularmusik“ ausgebildet. Er selbst ist Schlagzeuger und leitet „nebenbei“ die Schule. Die allermeisten seiner Studenten hätten ein sehr realistisches Bild davon, wie die Branche aussieht. „Die Welt wartet schließlich nicht auf noch einen Gitarristen oder noch eine Sängerin“, sagt Zumdiek. Der Markt sei gesättigt.

Er sagt aber auch: „Wer wirklich mit Musik arbeiten will, findet etwas.“ Nicht zuletzt auch dank der großen Musicalhäuser und der lebhaften Clubszene in Hamburg. Wichtig sei es, ein Netzwerk zu haben, sagt Zumdiek. Und wählerisch darf man am Anfang nicht sein. Der typische Berufseinstieg bestehe tatsächlich darin, Musikunterricht zu geben („Darum spielt die Pädagogik bei uns eine große Rolle“) und kleine Gigs auf dem Kiez zu haben. „Für 50 Euro am Abend.“

Im Jahr 2013 zählte die Arbeitsagentur rund 24.000 Profimusiker, darunter fallen auch die Dirigenten und Komponisten. Von ihnen haben etwa 18.000 einen akademischen oder anerkannten Berufsabschluss. Die meisten Popmusiker sind selbstständig, denn Festanstellungen gibt es nur wenige, zum Beispiel an Musikschulen, in großen Werbeagenturen oder an Theatern. Ähnlich sieht es bei den klassischen Musikern aus. „Vor allem die Pianisten arbeiten selbstständig, weil ihnen keine Orchesterlaufbahn offensteht“, sagt HfMT-Präsident Elmar Lampson.

Über ihre Kunst hinaus müssen Musiker auch ein bisschen Kaufmann sein

Darum geben sowohl die Hochschule als auch die HSM ihren Studenten auch kaufmännisches Wissen mit auf den Weg. Helge Zumdiek: „Bei uns geht es da zum Beispiel um Steuern, Versicherungen für Künstler, Verlagsrecht oder Labelgründung.“ Für Nähe zur Realität sorgen Praktika und nicht zuletzt die Dozenten an der HSM, die nicht hauptberuflich unterrichten, sondern alle in ihrem jeweiligen Metier als Künstler tätig sind. „Wir nehmen die Schüler mit in die jeweilige Arbeitsatmosphäre“, sagt Zumdiek.

„Es gibt zwar keine goldene Regel oder eine Art Leitfaden, doch sollten Profimusiker möglichst vielseitig sein“, sagt Philip Niessen. So kämen mehr potenzielle Aufträge infrage. Und wer sich gegen Mitbewerber durchsetzen will, sollte nicht nur sein Handwerk beherrschen. „Musiker müssen gute Teamplayer sein. Und sich als Dienstleister verstehen“, sagt Udo Dahmen von der Popakademie. Diesen Anspruch mit der Kunst unter einen Hut zu bringen, findet Philip Niessen allerdings manchmal schwierig. Immerhin: Bisher habe er hinter jedem Projekt stehen können, an dem er mitgewirkt hat.