Gerade Hochschulabsolventen sind beim Berufseinstieg oft extrem ehrgeizig und gefährdet. Was sie tun sollten, um gesund zu bleiben

Als Hochschulabsolvent startet man in aller Regel hoffnungsfroh und voller Elan in den Job. „In der ersten Phase sind viele sogar überambitioniert“, sagt Barbara Bott, Diplom-Psychologin vom Coachwerk in Hamburg. „Gerade männliche Absolventen haben hohe Ansprüche an sich selbst und wollen schnell Karriere machen.“ Ein hehres Ziel und keineswegs ehrenrührig – solange der Job Spaß macht.

Doch es gibt auch die anderen. „Ich erlebe es häufig, dass Absolventen, denen während ihres Studiums suggeriert wurde, ‚ihr werdet alle Führungskräfte‘, von ihrem ersten Job enttäuscht sind“, sagt Stefanie Hilger, Inhaberin der Coachingfirma „Leuchtende Zukunft“. Warum? „Sie dürfen nichts entscheiden“, nennt sie einen der Gründe. Ein weiterer: „An der Hochschule lernen sie Modelle kennen, die erklären, wie man Menschen führt. Und dann begegnen sie Führungskräften, die keinen Wert auf Mitbestimmung und Feedback legen.“ Das führe zu einem Realitätsschock, sagt Hilger. „Burn-out entsteht nicht durch viel Arbeit, sondern durch Enttäuschung.“

Fehlt die Anerkennung im Job, glauben viele, noch mehr leisten zu müssen

„Im Studium gab es Noten als direkten Bezug auf die Leistung“, erklärt Claus Zimmermann von Coaching4Profession, der viel mit jungen Leuten arbeitet, unter anderem ein Sportteam einer privaten Elite-Hochschule coacht. Im Arbeitsleben müsste diese Wertschätzung vom Chef vermittelt werden. „Wenn das fehlt, bekommen Berufseinsteiger das Gefühl, immer noch mehr leisten zu müssen, um anerkannt zu werden.“ Hinzu komme oft noch ein besonderer Druck durch befristete Verträge und damit der Anspruch, perfekt oder wenigstens besser als die anderen zu sein, um eine Entfristung zu erreichen.

Ein Burn-out ist dann nicht weit. Im Jahr 2011 veröffentlichten mehrere Krankenkassen Studien über die Burn-out-Gefährdung der unter 30-Jährigen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass jeder zehnte psychosomatische Beschwerden hatte, meist begleitet von Depressionen. Coach Claus Zimmermann hält die Zahlen für noch viel zu niedrig. „Ich schätze, ein Drittel der Berufseinsteiger ist gefährdet.“ Die Einschätzung stützt die TK-Studie „Bleib locker, Deutschland“ (2013) zur Stresslage der Nation: 63 Prozent der 26- bis 35-Jährigen stimmten der Aussage „Mein Leben ist in den vergangenen drei Jahren stressiger geworden“ zu.

„Die Gefahr bei jungen Leuten ist, dass sie Stress erst einmal nicht als negativ empfinden, sondern als Herausforderung“, sagt Zimmermann. „Doch wenn das übertrieben wird, steigt man ganz schnell auf der Zwölf-Stufen-Leiter des Burn-outs hoch.“ Diese zwölf Stufen hat der Allgemeinmediziner und Burn-out-Experte Vinzenz Mansmann beschrieben. Sie reichen von der ersten Stufe („Drang nach Anerkennung/übertriebener Ehrgeiz“) über „Beziehungsprobleme“ und „Rückzugsphase“ (Stufen fünf und sieben) bis zur „Totalen Erschöpfung“ (Stufe zwölf).

Wer unzufrieden ist, sollte nicht einfach sagen: Das Arbeitsleben ist eben so

„Burn-out ist ein schleichender Prozess“, sagt Stefanie Hilger. Darum sei es wichtig, die ersten Anzeichen ernst zu nehmen. „Man darf nicht einfach sagen, ‚das ist im Arbeitsleben eben so‘.“ Keinesfalls solle man den Burn-out „als Ritterschlag sehen“, warnt die Psychologin. Da Menschen, die auf die totale Erschöpfung zusteuern, aber gern ihre Situation verleugnen (Stufe sechs), sind Familie und Freunde gefragt. Im Idealfall glaubt der Betroffene ihnen, wenn sie sagen: „Du hast dich aber sehr verändert!“ Was allerdings oft schwer fällt. „Sich eine Schwäche einzugestehen, passt ja nicht zum Selbstbild“, sagt Claus Zimmermann. Wer einen Burn-out hat, merkt es selbst als Letzter.

Ehrlich zu sich zu sein, ist also der erste Schritt. Neben der Analyse der beruflichen Situation – was macht mich unzufrieden, womit will ich mehr, womit weniger zu tun haben – ist die Konzentration auf die eigenen Werte ganz wichtig. „Das Leben besteht ja immer aus mehreren Säulen“, sagt Hilger. Die wichtigsten sind: Arbeit, Freunde, Hobby und Gesundheit. „Ich empfehle, sich wieder stärker auf die anderen Säulen neben der Arbeit zu konzentrieren.“ Psychologin Barbara Bott rät, sich folgende Frage zu stellen: „Wie müsste das Leben sein, damit es wieder besser wäre?“ Genau da müsse man ansetzen, sagt sie. „Ob das nun Sport oder soziale Kontakte sind – das sollte man in kleinen Schritten wieder einführen.“ Anfangs müsse man sich dafür sicher einen Ruck geben, gesteht sie ein. Schließlich ist Antriebslosigkeit, zunächst auf die Freizeit beschränkt, auch ein Zeichen von Depression. „Doch trotz seiner Müdigkeit sollte man sich dennoch mit Freunden treffen“, sagt Barbara Bott. „Dann wird man feststellen, dass man sich dabei tatsächlich erholt. Das ist der erste Schritt, um aus dem Teufelskreis herauszugelangen.“

Mehr über die „Zwölf Burn-out-Stufen“, einen Stresstest und Tipps zur Burn-out-Vermeidung auf www.burnout-hilfe.info