Eine Podiumsdiskussion stellte die Frage, ob Unterricht junge Menschen gut auf den Arbeitsmarkt vorbereitet und ob auf das Abitur unbedingt ein Studium folgen muss

Wer weiß, warum er sich mit den Mechanismen der Globalisierung beschäftigen soll, mit Sinus und Kosinus oder der Syntax bei Kleist, lernt motivierter. Wer zudem noch weiß, was künftige Arbeitgeber erwarten, hat es leichter mit Entscheidungen wie: Ausbildung oder Studium? Studienfach? Welche Hochschule?

Moritz Baur hat sich für ein Duales Studium entschieden, also eine Verknüpfung von betrieblicher Ausbildung und Hochschulstudium. Der Absolvent der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HSBA) berichtete bei der Podiumsdiskussion „Machen Schule und Hochschule fit für den Arbeitsmarkt?“ in der Handelskammer Hamburg vor Kurzem davon, wie er die Bedeutung von Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit und Umgangsformen im Arbeitsalltag erlebt hat. Und wie im Laufe des dreijährigen Studiums ein „Bewusstsein für Entscheidungsfindungsprozesse in der Wirtschaft“ geschult wurde.

Wer Moritz Baur zuhörte, bekam den Eindruck, die Wirtschaft erwarte sehr viel vom Nachwuchs. Immerhin werden die dualen Studiengänge „in enger Zusammenarbeit mit der Hamburger Wirtschaft konzipiert und weiterentwickelt“, erklärte HSBA-Geschäftsführer Dr. Uve Samuels. Tatsächlich ist die HSBA ein Studienangebot, das sich an besonders leistungsbereite Studieninteressierte richtet. „Das Studium bei uns ist praxisnah, komprimiert und durchaus anstrengend. Doch unsere geringe Abbrecherquote zeigt, dass unser Konzept funktioniert. Sicher auch, weil wir in Beratungsgesprächen sehr klar vermitteln, was die Studierenden erwartet“, sagte Professorin Inga Schmidt, Vizepräsidentin der HSBA für Lehre und Weiterbildung.

Vergleichbare Beratungsgespräche kann die Universität Hamburg zwar nicht leisten – immerhin bewarben sich für das Wintersemester 2013/14 insgesamt knapp 54.000 Interessenten auf die 74 Bachelor- und 85 Master-Studiengänge. Doch natürlich wartet die Uni Hamburg ebenfalls mit verschiedensten Informations- und Schnupperangeboten auf. Und während auch Hamburgs größte Hochschule sehr wohl die Anforderungen der Praxis im Blick hat, „fühlen wir uns doch vor allem dem Dreiklang Forschung–Lehre– Bildung verpflichtet“, sagte Professorin Ingrid Gogolin von der Arbeitsstelle für interkulturelle Bildungsforschung der Universität Hamburg.

Aber wer sagt eigentlich, dass dem Abitur unbedingt ein Studium folgen muss? Anscheinend die Gesellschaft. Zumindest beobachtet Astrid Nissen-Schmidt, Vorsitzende des Bildungsausschusses der Handelskammer Hamburg und Prokuristin der Beratungsgesellschaft Ernst & Young, einen starken Druck auf Schüler, das Abitur und ein Studium anzustreben. „Doch diese Haltung führt zu einem Mangel an Auszubildenden – und ein guter Teil der Studierenden wäre in Unternehmen vielleicht viel besser aufgehoben.“ Dem konnte Schulsenator Ties Rabe nur zustimmen, zumal viele Arbeitgeber gern Abiturienten als Azubis einstellen. „Viele Berufe werden immer anspruchsvoller. Weniger anspruchsvolle sind mit der Globalisierung verloren gegangen oder werden zunehmend von Maschinen übernommen“, sagte er.

Was zurück zum Diskussionsthema führte: Machen Schule und Hochschule fit für den Arbeitsmarkt? Die Podiumsrunde war sich einig, dazu müsse neben der Vermittlung von grundlegendem Fachwissen die Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden. Dafür plädierte besonders Bernd Westermeyer, Schulleiter des Internats Schloss Salem, das ein ganzheitliches Bildungskonzept verfolgt. Westermeyer rät Schülern deshalb, möglichst früh herauszufinden, wo ihre Stärken und Vorlieben liegen. „Denn was wir gerne tun, machen wir gut.“ Auslandserfahrung hält der Schulleiter für ausgesprochen sinnvoll, diese führe zu mehr Selbstbewusstsein, Team- und Konfliktfähigkeit sowie Weltoffenheit, alles Sozialkompetenzen, die in der Wirtschaft sehr geschätzt werden.

Es sind weitreichende Ansprüche, die an diesem Abend in der Handelskammer von den Teilnehmern formuliert wurden. Und sie werden durchaus bis zu einem gewissen Grad seitens Schule und Hochschule erfüllt, war man sich schließlich einig. „Doch ein Schulabgänger ist und soll gar nicht ein fertiger Mensch sein, dem nur noch ein wenig Fachwissen fehlt“, gab Schulsenator Rabe zu bedenken. „Schule ist kein Endpunkt. Vielmehr ist die Bereitschaft zum Weiterlernen wichtig. Wenn ein junger Mensch noch nicht weiß, wie er sich im Berufsleben korrekt verhält oder was er anziehen soll, was soll’s? Das ist schnell gelernt.“