Wer gegenüber Kollegen immer wieder den Kürzeren zieht, sollte an seinem Selbstbewusstsein und Auftreten arbeiten

Im Privatleben zahlt es sich aus, nett, freundlich und höflich zu sein. Im Job dagegen kann das durchaus anders aussehen. Dort wird solchen Tugenden nicht zwingend großes Gewicht beigemessen. Wer immer nur nett ist, wird dann schnell zum Spielball eines intriganten Kollegen, der in der Kantine immer überaus freundlich tut – und einem in der Konferenz vor versammelter Geschäftsleitung in die Parade fährt. Oder er bekommt vom rücksichtslosen Chef immer die undankbarsten Aufgaben zugeschustert – zum Beispiel ein kompliziertes Projekt, das eh schon als verloren gilt. Um in solchen Situationen nicht immer wieder als Verlierer dazustehen, müssen friedliebende Kollegen lernen, sich zu wehren. Doch wie?

„Die meisten von uns sind so sozialisiert, hilfsbereit zu sein“, sagt Karrierecoach Natalie Schnack aus Ahrensburg. Doch wer nicht lernt, auch einmal die Krallen auszufahren, wird von denen, die sich nicht kooperativ verhalten, ausgenutzt. Kompetenz oder Qualifikationen spielen dabei kaum eine Rolle. Vielmehr geht es um Machtspiele.

Die gute Nachricht ist, dass Beschäftigte nicht selbst unfair und intrigant werden müssen, um sich zu behaupten. Es reiche aus, das Spiel zu durchschauen, sagt Jens Weidner, Professor für Erziehungswissenschaften an der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg. Kürzlich hat er ein Buch zum Thema veröffentlicht („Hart aber unfair. Ein gemeiner Ratgeber für Arbeitnehmer“, Campus Verlag).

Beschäftigte sollten zum Beispiel hellhörig werden, wenn Chefs – oder auch Kollegen – anfangen, Komplimente zu machen. „Eine der beliebtesten Maschen von Chefs ist das berechnende Lob“, sagt Weidner. „Wer anfängt, einen anderen zu bauchpinseln, will ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit unangenehme Arbeit aufhalsen.“

In solch einer Situation sollte man zuallererst nachfragen, wie der Zeitplan ist, empfiehlt Jens Weidner. Ist die Arbeit in dieser Zeit tatsächlich nicht zu schaffen, blocken Beschäftigte den Auftrag am besten mit dem Hinweis auf ihr ohnehin schon hohes Pensum ab. Effektiv sei es auch, die Aufgabe an einen Kollegen weiterzureichen – zum Beispiel mit folgendem Hinweis: „Ich habe leider keine Zeit, aber eine Idee, wer gut für diesen Job geeignet ist.“

Lässt sich der Job partout nicht weitergeben, sollten Beschäftigte ihren Vorgesetzten zumindest fragen, welche Arbeit sie dafür liegen lassen können, rät Karrierecoach Theo Bergauer. Wer überhaupt keinen Widerstand zeigt, müsse sich nicht wundern, wenn der Chef ihm immer mehr Arbeit aufhalst.

Gegenüber Kollegen, die gern Hilfe in Anspruch nehmen, sich selbst aber wenig kooperativ verhalten, wenn woanders Not am Mann ist, bietet sich ein etwas aggressiveres Mittel zur Gegenwehr an. Um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, rät Jens Weidner zu sogenannter arroganter Ignoranz. „Wenn mich ein wenig kollegialer Kollege fragt, ob ich ihm einen Gefallen tue, sage ich einfach Nein“, erklärt der Erziehungswissenschaftler. Nach einer kurzen Pause könnte dann noch folgen: „Und überleg dir doch einmal, warum.“ In der Regel reiche das schon aus, um sich beim Kollegen mehr Respekt zu verschaffen.

Ein anderer Umgang empfiehlt sich bei Kollegen, die einen öffentlich kritisieren. „Bloß nicht kontern“, sagt Jens Weidner. „In der Regel hat das Gegenüber sich die fiese Attacke gut überlegt, ich aber habe nur wenige Sekunden Zeit zu parieren. Da sollte man nichts überhasten.“ Oft reiche es erst einmal, im Moment des Angriffs zu sagen: „Danke für den Hinweis. Ich denke darüber nach“, empfiehlt Karriereberater Theo Bergauer. Und dann sollte man den Kollegen am nächsten Tag zur Rede stellen.

Einen Schritt früher setzt Karrierecoach Natalie Schnack an. „Wenn mich Kollegen nicht so behandeln, wie ich das möchte, muss ich mir zuerst überlegen, woran das liegt“, sagt sie. Zum Beispiel vermittelten einige Menschen den Eindruck, dass von ihnen ohnehin keine Gegenwehr zu erwarten sei. Denn wer sich selbst klein fühlt, strahlt das aus – und so könne der andere schon an der Körpersprache den schwachen Gegner erkennen. Natalie Schnack empfiehlt Beschäftigten darum, an ihrer Haltung zu arbeiten: Schon kleine Veränderungen würden helfen, beim anderen einen stärkeren Eindruck zu hinterlassen, sagt sie. Zum Beispiel: „Wenn das Gegenüber aufsteht, um mir etwas zu sagen, stehe ich auch auf.“

Jens Weidner wiederum rät Beschäftigten, die an ihrem selbstbewussten Auftritt arbeiten wollen, sich erst einmal eine Liste anzulegen, auf der sie ihre Stärken notieren. Auch Komplimente, die sie bekommen haben, sollten dort aufgeschrieben werden. Wenn man sich dann wieder einmal ohnmächtig fühlt, führt man sich diese Liste innerlich vor Augen. „Das stärkt ungemein“, sagt Weidner und reimt: „Es wird nur der ein Superheld, der sich auch selbst für super hält.“