Oft geht Schikane vom Chef aus und beginnt schleichend. Aussitzen ist die falsche Strategie, besser spricht man darüber

Manchmal fängt es harmlos an: Der Chef grüßt nicht mehr. Dann wird man zu wichtigen Terminen nicht mehr eingeladen, bekommt sinnlose Aufgaben, wird als unfähig dargestellt. Die Kollegen beginnen, einen zu meiden – ein klassischer Mobbingverlauf. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) schätzt, dass von den 37 Millionen deutschen Arbeitnehmern eine Million von Mobbing betroffen sind. In vielen Fällen gehen die Attacken vom Chef aus.

Auch bei Günther Kollenda aus Tornesch war der Vorgesetzte der Initiator. Als die Geschäftsführung Personal abbauen wollte, bekam der Abteilungsleiter einen neuen Chef, der ihn zum Mittäter in eigener Sache machen wollte. „Nachdem er sich die Lage im Betrieb eine Weile angesehen hatte, bestellte mich mein neuer Chef zu sich. Ich sollte ihm helfen, Mitarbeiter aus dem Unternehmen zu ekeln“, erinnert sich Kollenda. Unliebsame Kollegen sollten ständig kritisiert und bei kleinsten Fehlern abgemahnt werden.

Als Kollenda ablehnte, seinem Chef beim Mobbing behilflich zu sein, geriet er selbst in die Schusslinie. „Er machte bei jeder Gelegenheit meine Arbeit schlecht und gab mir Aufgaben, für die ich gar nicht zuständig war.“ Zwei Jahre ging das so. Viel zu lange, meint Jürgen Hesse, Karriereexperte vom Büro für Berufsstrategie. Habe ein Arbeitnehmer das Gefühl, bei seinem Vorgesetzten seit mehr als drei Monaten auf der roten Liste zu stehen, sollte er handeln.

Oft machten Betroffene ihrem Ärger zuerst bei Kollegen Luft. Doch Hesse rät, gleich nach ersten Irritationen mit dem Vorgesetzten zu sprechen. Ohne Vorwürfe: Fragen wie „Was haben Sie eigentlich gegen mich?“ sorgten nicht für einen erfolgreichen Gesprächsverlauf. Hesse empfiehlt eher leichte Demutsgesten. „Sagen Sie lieber, Sie hätten das Gefühl, in seiner Gunst gefallen zu sein. Fragen Sie nach dem Grund dafür.“ Diese Variante gebe dem Chef die Möglichkeit, zu sagen, was ihn stört.

Das Gespräch zu suchen, empfiehlt auch Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Bringt ein Gespräch unter vier Augen keine Besserung, sollten sich Angestellte Hilfe bei kompetenten Ansprechpartnern suchen. In großen Firmen sei der Betriebsrat die erste Adresse. Gibt es keinen, sei eine Selbsthilfegruppe eine gute Idee. Dort könnten sich Arbeitnehmer mit anderen Betroffenen austauschen und sich gegenseitig den Rücken stärken. Wenn der Chef jemand aus dem mittleren Management ist, können Arbeitnehmer auch zu seinem Vorgesetzten gehen.

Bringe auch das nichts, bleibt letztlich nur zu kündigen oder vor Gericht zu gehen, um Schadenersatz und Schmerzensgeld einzuklagen. „Allerdings sind die Ansprüche vor Gericht nur sehr schwer durchsetzbar“, sagt DGB-Expertin Perreng. Wer sich dafür entscheidet, muss die Schikane im Detail darlegen können. Sie rät Opfern deshalb dazu, ein Tagebuch zu führen, in dem sie alle Vorwürfe notieren.

Auch Günther Kollenda hat sich Hilfe gesucht. Nachdem ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Chef und der Betriebsrat nichts an seiner fristlosen Kündigung geändert hatten, erstritt er vor Gericht eine Abfindung – und nahm seine Erfahrungen zum Anlass, die „Mobbingselbsthilfegruppe“ in Elmshorn zu gründen. „Bei unseren Gruppentreffen sind immer gut 25 Leute dabei“, erzählt Kollenda. Er und seine Mitstreiter, darunter auch ein ehrenamtlich tätiger Anwalt, informieren sie und begleiten Betroffene zum Arbeitsgericht. Wie groß der Bedarf an Unterstützung ist, zeigt ihm immer wieder der Zulauf, den die Gruppe hat: Nicht nur aus der gesamten Hamburger Region, auch aus Bremen, Kiel oder Rostock kommen Mobbingopfer zu ihnen.