Die Bewerbungsfrist endete am 15. Juli. Einser-Abi ist kein Garant. Chancen bieten ein Studium im Ausland oder der Klageweg

Der Ablehnungsbescheid für das Wunschstudium Medizin ist für viele ein herber Rückschlag. Selten ist er nicht, denn die Hürden liegen hoch. In Hamburg wurden im vergangenen Wintersemester Bewerber mit einem Notendurchschnitt bis 1,9 berücksichtigt und zum Naturwissenschaftstest HAM-Nat zugelassen. „Doch je schlechter die Note, umso besser musste der Test sein“, sagt Ronald Hoffmann, Leiter der Zentralen Studienberatung und Psychologischen Beratung der Universität Hamburg. Seien die Noten nicht so überragend, rät Hoffmann bei erneuter Bewerbung bei „Hochschulstart“ nicht auf Hamburg zu bestehen. „Die Anforderungen der Universitäten unterscheiden sich deutlich.“ Eine gründliche Recherche lohne sich.

Professionelle Unterstützung bei eben dieser Recherche bietet die private Studienberatung „planZ“ mit Sitz in Berlin. Beratungstermine sind in Hamburg möglich. „Je nach Ausgangslage bewerten wir die Chancen auf eine erneute Bewerbung und entwickeln eine Strategie für die Zwischenzeit“, sagt Patrick Ruthven-Murray von planZ. Die Wartezeit könne für erste berufliche Erfahrungen genutzt werden, so lasse sich das im Medizinstudium vorgesehene dreimonatige Pflegepraktikum absolvieren. Ruthven-Murray rät, sich intensiv auf den TMS (Test für medizinische Studiengänge) vorzubereiten.

Die zu überbrückende Wartezeit müsse jedoch im Rahmen bleiben. Ruthven-Murray rät davon ab, sich auf zwölf Wartesemester, wie aktuell in Hamburg, einzustellen. „Schon, weil es keine Garantie dafür gibt, dass die Zahl der benötigten Wartesemester nicht weiter ansteigt.“ Dann doch lieber sein Glück im Ausland versuchen – wobei auch diese Option längst kein Geheimtipp mehr ist. Die Schweiz als Nicht-EU-Land fordert eine Bewerbungsberechtigung und fällt somit in der Regel aus, Österreich hat den Zugang für ausländische Studenten auf 20 Prozent begrenzt. Die jedoch werden über einen Zugangstest ausgewählt, die Abi-Note ist irrelevant. „2012 kamen auf 300 Plätze an österreichischen Universitäten 5000 Bewerber. Ein Studium in der Muttersprache und ohne teure Studiengebühren ist für viele Deutsche attraktiv“, sagt Ruthven-Murray. Allerdings bieten zunehmend osteuropäische Universitäten deutsch- und englischsprachige Studiengänge. „Kostenpunkt je nach Studienort: 5000 bis 13.000 Euro pro Jahr. Dafür wird oft eine gute Betreuung und Ausstattung geboten“, sagt der Experte. Er empfiehlt, bei der Auswahl nach Standorten mit Tradition zu schauen. Zudem müssen die Leistungsnachweise der ausländischen Universität in Deutschland anerkannt sein.

Einige Studenten setzen nach dem Physikum ihr Studium in Deutschland fort. Die Rückkehrer stehen ebenfalls unter Konkurrenzdruck um die raren Studienplätze. Eine gute Chance, noch zum Zuge zu kommen, bietet der Klageweg. „Bei der Klage um einen Studienplatz Human- oder Zahnmedizin in höheren Semestern lag unsere Erfolgsquote bislang über 90 Prozent“, sagt der Hamburger Anwalt Dirk Naumann zu Grünberg. Für Erstsemester lassen sich die Erfolgsaussichten nicht so leicht beziffern. Sie hängen von zahlreichen formalen, aber auch individuellen Faktoren der Mandanten und der daraus resultierenden Klagestrategie ab.

„Wir erstellen eine Rangliste der Hochschulen, an denen uns eine Klage am Erfolg versprechendsten erscheint und verklagen mehrere Universitäten parallel, um die Einzelwahrscheinlichkeiten zu kumulieren.“ Wer statt auf Medizin hingegen auf einen Platz in Pharmazie oder Psychologie klagt, hat gute Chancen. „In diesen Fächern waren wir zu 100 Prozent erfolgreich“, sagt der Anwalt. Doch die Zahlen seien mit Vorsicht zu genießen. „Unsere Erfolgsquoten können nur als Momentaufnahme verstanden werden. Wir schauen jedes Jahr aufs Neue, an welcher Universität sich zu Unrecht eingesparte oder aus der Lehre in die Forschung verlagerte Studienplätze finden – und die klagen wir ein“, sagt Naumann zu Grünberg. Die Gesamtkosten beliefen sich dabei pro verklagter Hochschule „auf 1500 bis 2000 Euro“.

Klagen können abgewiesene Studienplatzbewerber auch auf eigene Faust. Jeder Bürger kann selbst einen Kapazitätsantrag an die Hochschule und einen Eilantrag an das Verwaltungsgericht stellen. Allerdings sei damit zu rechnen, dass auch die Universitäten über Anwälte verfügen. „Und wie immer im Recht gilt: Der Unterlegene zahlt“, sagt der Anwalt und rät, sich vorher genau zu informieren. „Ein Erstgespräch kostet maximal 226,10 Euro, das ist gesetzlich festgelegt. Eine Klage ist eine zusätzliche, hervorragende Chance. Aber sie ist kein Kauf. Man muss sie sich leisten können.“