Claudia Sanmann war angestellt, hat in einem Freiberufler-Netzwerk gearbeitet und schließlich die Design-Agentur Visid gegründet.

Als Claudia Sanmann vor einigen Tagen ihre Abi-Zeitung aufschlug, war die Erinnerung an ihre Berufsanfänge gleich wieder präsent: "Claudia will eine eigene Design-Agentur", hatten die Schüler-Reporter neben ihr Bild geschrieben. "Ich hatte fast vergessen, dass ich das schon damals so genau wusste", sagt die 38-Jährige lachend.

Schon als Kind saß Claudia Sanmann gern vor einem Blatt Papier und zeichnete, außerdem entwickelte sie früh ein Gefühl für die schönen Dinge des Lebens. Das Kreative wollte sie auch im Beruf ausleben, aber genau so ihre Fähigkeit, andere Menschen zu führen, zu begeistern. Bereits zu Schulzeiten moderierte sie Gruppenabende. "Ich habe den Leuten schon immer einen Rahmen gegeben, Dinge organisiert", sagt Sanmann. Heute hat sie ihren Traum verwirklicht, vereinbart ihren Sinn für Ästhetik mit Managementaufgaben: Claudia Sanmann ist Chefin der Design-Agentur Visid. Mit hellen Möbeln und großen Fensterflächen setzt die Agentur inmitten der Backstein-Optik des alten Bahrenfelder Gaswerks reizvolle architektonische Kontraste.

In ihrem Beruf schlägt Claudia Sanmann eine Brücke zwischen diesen beiden Welten, ihre Kreativagentur arbeitet hauptsächlich mit traditionsreichen Herstellern zusammen: Visid berät Hersteller wie Henkel, Unilever oder edding in Sachen Verpackungsdesign. In den weißen Regalen an der Wand stehen Produkte der unterschiedlichsten Branchen, alles Dinge, denen Sanmann ihr unverwechselbares Gesicht gegeben hat. Getränkeflaschen, Deos und Hundehalsbänder gehören dazu, aber auch Kosmetik-Produkte und Eisverpackungen. "Es ist schon ein tolles Gefühl, im Supermarkt Verpackungen zu sehen, die wir selbst gestaltet haben", sagt deren Schöpferin.

"Wir wollen die Welt ein wenig schöner machen", sagt Sanmann. Natürlich gilt es auch, mit der Verpackung viele Kunden zum Kauf zu bewegen. Und: "Was wir fabrizieren, darf nicht auf Kosten der zukünftigen Generationen gehen, soll also die Umwelt möglichst wenig belasten." Dazu schlägt die Agenturchefin den Kunden beispielsweise vor, weniger oder umweltverträgliche Farben für Etiketten zu verwenden und möglichst auf Plastik zu verzichten.

Den Spagat zwischen ihren beiden Leben als Unternehmerin und als verheiratete Mutter der einjährigen Liv bewältigt sie dank des Einsatzes eines hilfsbereiten Netzwerks aus Freunden und Großeltern. "Ich muss nun mehr organisieren, aber ich bin auch besser geerdet", sagt sie.

Für ihr Baby hatte sich Claudia Sanmann ein Jahr Auszeit genommen.

Ihren beruflichen Weg begann die gebürtige Mecklenburgerin mit einem Studium in Kommunikationsdesign an der Kunstschule Alsterdamm. "Ich wollte möglichst schnell an mein Ziel kommen", sagt sie. Praktika bei mehreren Werbe- und Designagenturen bestärkten die Studentin in ihrem Berufswunsch. Im ersten "richtigen Job" arbeitete die Designerin bei Windi Winderlich (heute Brand Union) . Doch bald spürte die Berufsanfängerin, dass ihr viel Energie bei firmenpolitischen Machtspielen verloren ging. "Es ist schwierig, wenn so viele Egos aufeinandertreffen." Gemeinsam mit einem Freund und Kollegen kündigte sie bei der Agentur und reiste mit ihm ein paar Monate durch Australien.

Nach dieser Auszeit erfüllte sich die Designerin ihren Wunsch nach der Selbstständigkeit. Gemeinsam mit ihrem früheren Kollegen Torge Steffens gründete sie 2001 zunächst eine Design-Freelancer-Gemeinschaft und 2006 ihre Firma Visid. Noch heute sind beide Gründer geschäftsführende Gesellschafter. Neu als Partner eingestiegen ist 2010 dann Burk J. Ulrich. Das Führungstrio ist heute verantwortlich für 15 feste Mitarbeiter. Die Firma erwirtschaftet gut eine Million Euro im Jahr an Honorarumsätzen.

Als Führungskraft möchte Sanmann inspirieren, statt Anweisungen zu geben, und die Mitarbeiter in ihren Stärken unterstützen. "Das ist wichtiger, als Schwächen auszumerzen", findet die Managerin. Gleichzeitig sollen sich bei Visid Leistungsdenken und eine gewisse Leichtigkeit nicht ausschließen: "Ich habe einen hohen Anspruch, auch bei zeitlich knappen Aufträgen. Allerdings spreche ich auch mit unseren Kunden, wenn die Zeit nur Kompromisse zulässt." Als besondere Stärke empfindet Claudia Sanmann ihre Bereitschaft, sich in den Kunden hineinzuversetzen.

Für Hartmann zum Beispiel, einen Hersteller von Pflegeprodukten, besuchte Visid ein Altenheim, um die Bedürfnisse der Bewohner und Pfleger beim Umgang mit Waschlotionen und Cremes kennen zu lernen. Die Agentur kreierte daraufhin Verpackungen, die man mit einer Hand öffnen und schließen kann, sodass die Pfleger eine Hand frei haben, um die alten Menschen zu stützen. Außerdem sind die Anwendungsbereiche in Bildern auf der Packung zu sehen. So können auch Pflegekräfte, die wenig Deutsch sprechen, problemlos mit den Produkten arbeiten. Ergebnis: Auch ohne flankierende Werbekampagne hat Hartmann allein durch die neuen Verpackungen den Umsatz um zehn Prozent gesteigert.

Visionen haben und diese umzusetzen, das macht für Claudia Sanmann den größten Reiz an ihrem Beruf aus. Dabei ist ihre Kreativität schon in so manche ungewöhnliche Idee geflossen. Gemeinsam mit einer Unternehmensberatung gründete sie Speicher & Consorten, eine Marke, die für die Hafenstadt Hamburg typische Produkte wie Kaffee, Gewürze und Schokolade unter einem Dach vereint. Natürlich sind die Leckereien allesamt besonders liebevoll verpackt.

Noch bekannter dürfte bei den Hanseaten der Schlagermove sein. Die Veranstaltung, die Hamburg jedes Jahr zum Schauplatz eines Korsos von bunten Wagen, Leuten mit Schlaghosen und anderen Modeerscheinungen aus den 70ern macht, geht auf eine Idee von Sanmann zurück. "Da hatten wir etwas zu viel Wein getrunken", erinnert sich die Unternehmerin an die Gründungssitzung mit ein paar befreundeten DJs.

Das Logo mit der Prilblume, die bunten Flyer und die Begeisterung von Claudia Sanmann kamen bei den Hamburgern so gut an, dass sich schon beim ersten Schlagermove 14 Klubs anmeldeten. Irgendwann konnte sie die Organisation der größer werdenden Straßen-Party nicht mehr mit ihrem Job verbinden und schied aus dem Team aus.

Bald will sich die Designerin aber wieder Zeit nehmen für eine neue Idee: Sie plant ein Kinderbuch mit eigenen Illustrationen. Denn die Liebe zum Zeichnen hat sich die Hamburgerin bewahrt. Seit der Schulzeit, als sie beschloss, Designerin zu werden.