Jörg Dumke baute mit seiner Frau den Medizin-Versandhandel apo-rot auf - dabei wollte er eigentlich gar nicht in die elterliche Branche.

Für den Beruf des Apothekers konnte sich Jörg Dumke nicht begeistern, als er am Beginn seines Arbeitslebens stand: "Meine Eltern waren Apotheker. Ich hatte eigentlich damals nicht vor, in das Apothekengeschäft einzusteigen", sagt er im Versandzentrum seines Unternehmens apo-rot auf dem Gelände des Alten Gaswerks in Bahrenfeld. Selbstständig wollte er sich zwar einmal machen, diesen Vorsatz hatte er schon nach der Schule gefasst. Allerdings wählte er dafür zunächst eine ganz andere Richtung und studierte in Flensburg Automationstechnik.

In seiner Karriere liegt die Ironie, dass er schon wenige Jahre später dann doch ganz nah an den Beruf seiner Eltern herangerückt war, dass er ihn mit modernsten Methoden in das Zeitalter des Internets transferierte und dass ihm sein Studium zum Ingenieur dafür entscheidende Fähigkeiten und Impulse gab. "Nach meinem Studium kam ich durch meine jetzige Frau, die als Apothekerin tätig war, wieder mit der Apothekenbranche in Berührung", sagt er. "Ich absolvierte noch eine Ausbildung zum Pharmazeutisch Technischen Assistenten. Gemeinsam mit meinem Bruder und meiner Frau übernahm ich dann die Apotheke meines Vaters. Sie war die Grundlage für unser heutiges Unternehmen."

Mit einer klassischen Apotheke hat apo-rot jedoch nur noch bedingt zu tun. Zwar unterhält das Unternehmen vier eigene Filialen, darunter das Stammgeschäft der Familie an der Rothenbaumchaussee, das auch Bestandteil des heutigen Firmennamens ist. Den weitaus größten Teil des Umsatzes aber macht apo-rot im Versandhandel mit rund 1,5 Millionen Kunden in ganz Europa.

Das Apothekengewerbe ist althergebracht und von Traditionen geprägt. Das gilt für vor allem für viele kleinere Familienbetriebe mit einer oder wenigen Filialen bis heute. Zugleich aber wurde auch die Apothekenbranche zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts vom Aufschwung des Internets erfasst. Das niederländische Unternehmen Doc Morris avancierte in Europa zum bekanntesten Anbieter des Apotheken-Versandhandels und mischt auch am deutschen Markt kräftig mit.

Anfang der 2000er-Jahre entwickelte Dumke gemeinsam mit einem befreundeten Software-Unternehmer Shop-Konzepte für den Apothekenhandel im Internet. "Deutlich früher, als Doc Morris an den Markt kam", wie er sagt. Ursprünglich gedacht als Entwicklungshilfe für andere Apotheken, legte Dumke damit den Grundstein für den Aufbau von apo-rot. Seine Erfahrungen mit Computertechnik, vor allem auch seine Kenntnis komplexer logistischer Prozesse aus dem Studium halfen ihm.

Apo-rot expandierte schnell. Die Mannschaft wuchs vom Gründerteam auf heute rund 450 Mitarbeiter. Von seinem ursprünglichen Sitz an der Rothenbaumchaussee zog der Versandhandel in das alte Industrieareal in Bahrenfeld. "Im Versandhandel habe ich anfangs alles mehr oder weniger selbst gemacht: vom Einkauf über das Marketing bis zum Packen der Pakete", sagt Dumke in der großen Versandhalle von apo-rot, in der die Sortiermaschinen rattern und die Mitarbeiter Waren stapeln. "Heutzutage gebe ich vor allem die Leitlinien im Unternehmen vor und sorge dafür, dass sie eingehalten werden. Ab und zu, hauptsächlich im Weihnachtsgeschäft, packe ich aber auch noch selbst Pakete. Dann müssen alle Mitarbeiter mit anfassen - das stärkt meiner Meinung nach das Teamgefühl."

Etliche der heutigen Mitarbeiter, sagt Dumke, haben sich als Studenten bei apo-rot etwas hinzuverdient, sie hielten und pflegten den Kontakt zum Unternehmen. "Die ursprüngliche Nähe zur Universität, die wir an der Rothenbaumchaussee hatten, pflegen wir auch nach dem Umzug nach Bahrenfeld weiter, nicht zuletzt deshalb, weil wir dadurch ein großes Potenzial an jungen und gut qualifizierten Mitarbeitern erschließen können."

Birgit Dumke ist Gründerin und Inhaberin von apo-rot, sie führt die Apotheken vor Ort. Jörg Dumke verantwortet als Geschäftsführender Gesellschafter vor allem den Versandhandel, die Kreation und Pflege von Eigenmarken, aber auch das Personalmanagement. "Um die Einstellung neuer Mitarbeitern kümmere ich mich auch heute noch selbst mit", sagt er. Eine moderne Unternehmensführung ist ihm dabei ebenso wichtig wie zeitgemäße logistische Abläufe und eine schlagkräftige Informationstechnologie. "Bei apo-rot duzen sich alle Mitarbeiter. Das kann vor allem für neue ältere Mitarbeiter am Anfang mitunter schwierig sein. Doch wir möchten die Hierarchien möglichst flach halten - am besten nicht über zwei Stufen hinaus."

Bei apo-rot verbinden sich Tradition und Moderne, die Zuverlässigkeit einer etablierten Apotheke und die Geschwindigkeit des internet-basierten Handels. Das Sortiment umfasst mittlerweile mehr als 200 000 Artikel, von Arzneimitteln über Kosmetik- und Körperpflegeprodukte bis hin zu Brillen und Linsen, von Nahrungsmitteln bis zum Tierbedarf. Die meisten Artikel im Onlinehandel sind nicht verschreibungspflichtige Produkte.

Das Geschäft reicht längst weit über Hamburg und Deutschland hinaus. In eher strukturschwachen Regionen Skandinaviens mit schlechter Apothekenversorgung zum Beispiel bestellen Kunden bei apo-rot - ebenso wie in Griechenland. "Interessanterweise boomt bei uns derzeit das Versandgeschäft mit Griechenland, etwa bei Babynahrung", sagt Dumke. "Das liegt aber nicht daran, dass wir diese Produkte viel günstiger anbieten als der dortige Markt, sondern an der Verschlechterung der Versorgungsmöglichkeiten in den griechischen Städten und Orten."

In Deutschland hingegen spielt die Preisbildung für den Erfolg von apo-rot eine zentrale Rolle. "Wir sind 25 bis 55 Prozent günstiger als eine normale Apotheke vor Ort", sagt Dumke, der den Markt genau analysiert. "Nach wie vor gibt es viel Spielraum für Preissenkungen. Bloß beteiligen sich die wenigsten Apotheker daran und verkaufen die Arzneimittel noch immer zum klassischen Apothekenverkaufspreis." Die gewisse Erstarrung der Branche sieht er als Chance, apo-rot weiter voranzubringen: "Ich könnte mir ein Gesundheitskaufhaus für Hamburg vorstellen."

Seine eigene berufliche Entwicklung stand für Dumke in den stürmischen Aufbaujahren bei apo-rot seit 2002 hingegen nicht mehr so sehr im Fokus. Darauf angesprochen, hält er kurz inne: "Über berufliche Perspektiven habe ich mir in jüngerer Zeit ehrlich gesagt nicht allzu viele Gedanken gemacht", sagt er. "Wir kommen ja jetzt nach Jahren von teils 25 Prozent Umsatzwachstum seit der Gründung des Unternehmens zum ersten Mal überhaupt in eine etwas ruhigere Phase."